Dem Ackerbauern über die Schulter geschaut
Ob natürliche Zusammenhänge, moderne Technik oder Vermarktung - Ackerbäuerinnen und Ackerbauern müssen heute auf allen Feldern Profis sein.
Der reife Weizen schimmert goldgelb, die Sonne scheint, es ist bestes Erntewetter. Im Juli und August steht die Getreideernte an. Der Landwirt schneidet einige Ähren ab, reibt die Körner aus und misst mit einem Gerät den Feuchtegehalt des Weizens. Ist er trocken genug, um mit der Ernte zu beginnen?
In den Körnern darf höchstens 14,5 Prozent Wasser enthalten sein, wenn die Ware gelagert oder an einen Händler verkauft wird. Ist das Getreide zu feucht, muss es getrocknet werden. Sonst würde es im Lager verderben. Da so ein Trocknungsdurchgang wegen der hohen Energie- und Arbeitskosten aber teuer ist, versuchen Landwirtinnen und Landwirte, möglichst trocken zu ernten. Wenn es viel regnet, wird die Ernte zum Geduldsspiel. Ackerbauern und Ackerbäuerinnen sind bei allem, was sie tun, vom Wetter abhängig.
Der Boden ist das wertvollste Gut
Die Ernte ist der Lohn für fast ein Jahr Arbeit auf dem Feld. Ganz gleich, ob Getreide, Raps, Mais, Kartoffeln oder Zuckerrüben angebaut werden – vor der Aussaat oder dem Pflanzen steht immer die Bearbeitung des Bodens. Der Boden ist das wertvollste Gut der Ackerbäuerinnen und Ackerbauern. Es gilt, ihn stetig zu verbessern, die Bodenfruchtbarkeit zu erhalten und das Bodenleben zu stärken. Er wird von Generation zu Generation weitergegeben. Nachhaltiges Wirtschaften und Denken ist deshalb für eine Landwirtin oder einen Landwirt keine Floskel, sondern oberstes Gebot.
Bei der Bodenbearbeitung wird der Boden gelockert, Pflanzenreste werden eingearbeitet, damit sie von den Bodenlebewesen wie zum Beispiel den Regenwürmern in wertvollen Humus umgewandelt werden können. Manchmal setzen Ackerbäuerinnen und Ackerbauern auf die so genannte konservierende Bodenbearbeitung, bei der auf das Wenden des Bodens, wie es der Pflug macht, verzichtet wird. Stattdessen werden Grubber eingesetzt, mit denen der Boden in unterschiedlichen Tiefen gelockert und durchmischt wird. Dadurch bleibt die Struktur des Bodens besser erhalten und die Bodenlebewesen werden weniger gestört.
Ein pfluglos bearbeiteter Boden ist weniger anfällig gegen Wind- und Wassererosionen und trocknet nicht so schnell aus. Allerdings können bei dieser Variante der Bodenbearbeitung Unkräuter und Ausfallpflanzen zu einem Problem werden, weil sie sich stetig vermehren können. Deshalb wird auf diesen Flächen häufiger ein Unkrautvernichtungsmittel eingesetzt, um Problemunkräuter und -gräser wie beispielsweise Ackerfuchsschwanz in den Griff zu bekommen.
Auswahl der Fruchtfolge je nach Standort
Je nach Bodengüte und Ausrichtung des Betriebes wählen Ackerbauern und Ackerbäuerinnen die Früchte aus, die sie anbauen möchten. Sie legen dabei für jedes Feld eine so genannte Fruchtfolge fest, also welche Früchte sie in welcher Reihenfolge in den nächsten Jahren anbauen. Denn nur ein Wechsel der Früchte bringt nachhaltige Erträge, sonst drohen Probleme mit Krankheiten, Schaderregern und Unkräutern.
"Abhängig vom Standort ist ein Wechsel zwischen Sommerungen (wie Sommergerste, Zuckerüben, Mais) und Winterungen (wie Wintergerste, Roggen und Winterweizen) sehr vorteilhaft für die Pflanzengesundheit. Wenn irgend möglich, versuchen wir auf unserem Betrieb diesen Wechsel umzusetzen. Dies ist natürlich auch abhängig von den Marktbedingungen. Mit dem Anbau von Zwischenfrüchten stabilisieren wir die Struktur unserer Böden und füttern die Bodenorganismen mit pflanzlicher Biomasse. Auch das trägt zur Gesunderhaltung bei und gewährleistet die nachhaltige Leistungsfähigkeit unserer Felder", beschreibt Adolf Dahlem das Vorgehen in der Praxis. Er bewirtschaftet mit seiner Familie einen Ackerbaubetrieb in Gundersheim bei Alzey.
Die meisten Getreidearten wie Wintergerste, Roggen und Winterweizen werden im Herbst ausgesät. Der Winterraps muss bereits Anfang September in den Boden, um vor dem Winter genügend Blätter auszubilden. Kartoffeln, Mais und Zuckerrüben sowie Sommergetreide (beispielsweise Braugerste) werden im Frühjahr gesät oder gepflanzt.
Pflanzen ernähren und schützen
Sind die jungen Pflanzen aufgelaufen, geht es darum, sie vor der Konkurrenz durch Unkräuter und Ungräser sowie vor Krankheiten und Schädlingen zu schützen, die den Ertrag und die Qualität beeinträchtigen. Dabei handelt es sich nicht immer um chemische Maßnahmen. Vielmehr führt eine Kombination aus verschiedenen Verfahren zum Ziel. Vorrang sollten immer die vorbeugenden Maßnahmen haben. Dazu zählt zum Beispiel der Einsatz widerstandsfähiger und an den Standort angepasster Sorten, eine fachgerechte Bodenbearbeitung sowie eine optimal terminierte Aussaat. Besonderen Einfluss auf die Pflanzengesundheit hat, wie weiter oben schon beschrieben, auch die Fruchtfolge. Neben diesen züchterischen und ackerbaulichen Maßnahmen gibt es noch den biologischen Pflanzenschutz, also zum Beispiel den gezielten Einsatz von Nützlingen, und die die mechanisch-physikalische Bekämpfung mit Hand- oder Maschinenhacke, Egge oder Pflug oder das Absammeln oder Fangen von Schädlingen in Fallen. Die Anwendung von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln ist immer das letzte Mittel der Wahl und sollte auf das notwendige Maß beschränkt sein.
Landwirtschaftliche Nutzflächen
Knapp die Hälfte der Fläche der Bundesrepublik Deutschland wird landwirtschaftlich genutzt. Von den 16,6 Millionen Hektar sind rund 70 Prozent Ackerland und 28,5 Prozent Grünland. Beim Ackerbau hat in Deutschland der Getreideanbau die größte Bedeutung.
Die meisten Pflanzenschutzmittel werden in Wasser gelöst mit hochmodernen Pflanzenschutzspritzen ausgebracht, die die Mittel zielgenau auf die Pflanzen ausbringen. "Während der Vegetation kontrollieren wir unsere Felder fortlaufend auf Schädlingsbefall, nutzen Prognosemodelle und eigene Erfahrungswerte, um so wenig wie möglich Pflanzenschutzmittel einsetzen zu müssen. Nur so können wir die bislang vom Handel geforderten Qualitäten zu den erzielbaren Marktpreisen erzeugen", erklärt Dahlem.
Pflanzen brauchen nicht nur Schutz vor Krankheiten und Schädlingen, sie brauchen auch Nährstoffe, um wachsen zu können. Dazu zählen vor allem Stickstoff, Kalium und Phosphor, aber auch Spurenelemente wie Bor, Eisen und Mangan. Die Nährstoffe können in Form von organischen Düngemitteln wie Mist, Gülle oder Kompost ausgebracht werden oder als Mineraldünger. Die in Mineraldüngern enthaltenen Nährstoffe sind für die Pflanze schneller verfügbar, da sie nicht erst aus den organischen Verbindungen umgewandelt werden müssen. Der Mineraldünger hat den Vorteil, dass seine Nährstoffzusammensetzung immer gleich ist und die Landwirtin oder der Landwirt die Düngermengen exakter kalkulieren kann. Die Zusammensetzungen der organischen Dünger können schwanken, je nach Tierart und Fütterung.
Höchstgrenzen für Stickstoff
Mit der Düngung steuern Landwirtinnen und Landwirte Pflanzenwachstum und Ertrag, aber auch die Qualität und die Inhaltstoffe im Erntegut. Sie orientieren sich bei der Düngermenge an dem zu erwartenden Ertrag und beziehen die Nährstoffvorräte im Boden mit ein, die durch Bodenproben regelmäßig ermittelt werden.
In Deutschland regelt die Düngeverordnung, wie viel Stickstoff und Phosphat Landwirtinnen und Landwirte auf den Acker ausbringen dürfen. "Die optimale Nährstoffversorgung unserer Pflanzen ist eine besondere Herausforderung. Eine gute Leistung können nur gesunde und gut ernährte Pflanzen bringen. Hier spielt der Boden, aber auch die Witterung eine sehr große Rolle und genau hier liegt das Problem. Trotz aller modernen Hilfsmittel können wir nie genau sagen, wie beispielsweise das Wetter der kommenden Wochen wird. Wir werden alles daransetzen, um hier noch besser zu werden, denn der Schutz des Grundwassers ist uns ein besonderes Anliegen", so Dahlem.
Moderne Technik hilft, Dünger und Pflanzenschutzmittel genau dort zu platzieren, wo sie hingehören. Satellitentechnik und Bordcomputer auf den Traktoren unterstützen die Landwirtin oder den Landwirt dabei, die Abstände zu Gewässern oder anderen Kulturen einzuhalten. Alle Arbeiten und die Mengen der ausgebrachten Dünge- und Pflanzenschutzmittel werden dokumentiert, sodass sie jederzeit nachvollzogen werden können. Die digitale Technik erledigt die Aufzeichnungen automatisch.
Ein landwirtschaftlicher Betrieb ist ein Wirtschaftsunternehmen
Dennoch beschränkt sich die Arbeit von Ackerbauern und Ackerbäuerinnen mitnichten darauf, nur auf dem Traktor zu sitzen. Sie müssen neben Kenntnissen im Pflanzenbau und der Bodenkunde auch technisches Verständnis mitbringen, um ihre Maschinen warten und eventuell selbst reparieren zu können. Diese Arbeiten werden vor allem in den Wintermonaten erledigt, wenn auf dem Feld wenig zu tun ist.
Ebenfalls zum Winterprogramm gehören Fortbildungen und Planungsaufgaben, denn ein landwirtschaftlicher Betrieb ist ein Wirtschaftsunternehmen, in dem Buchführung und Büroarbeiten zum Alltag gehören. Außerdem müssen Landwirtinnen und Landwirte heute Profis in Sachen Vermarktung sein. Es gilt, den richtigen Verkaufszeitpunkt für Getreide oder Kartoffeln zu wählen, weil die Marktpreise starken Schwankungen unterworfen sind und sich immer mehr am Weltmarkt orientieren. Risikomanagement und Preisabsicherungen sind für Ackerbäuerinnen und Ackerbauern keine Fremdwörter mehr. Es kann sein, dass sie die Ernte schon verkauft haben, bevor sie auf den Mähdrescher steigen.
Letzte Aktualisierung: 5. Februar 2024
Weitere Informationen
Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL): Landwirtschaft verstehen – Fakten und Hintergründe