Pflanzenschutz – Verschiedene Wege führen zum Ziel
Pflanzenschutz ist mehr als der Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln.
Seitdem Menschen Land bewirtschaften, müssen sie sich mit dem Auftreten von Schaderregern auseinandersetzen. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um pflanzenschädigende Viren, Bakterien und Pilze sowie Nematoden (Fadenwürmer), Schnecken, Milben, viele Schadinsekten oder Mäuse. Diese können bei landwirtschaftlichen und gartenbaulichen Kulturen teils erhebliche Ertragsverluste und Qualitätseinbußen verursachen. Hinzu kommen Wildpflanzen, die in Konkurrenz zu den Kulturpflanzen wachsen und als Unkräuter den Ertrag dezimieren.
Um solche Ertragseinbußen auf ein Minimum zu reduzieren, betreiben Landwirtinnen und Landwirte Pflanzenschutz. Dabei handelt es sich aber keineswegs nur um chemische Maßnahmen. Vielmehr führt eine Kombination aus verschiedenen Verfahren zum Ziel. Vorrang dabei sollten immer die vorbeugenden Maßnahmen haben. Dazu zählt zum Beispiel der Einsatz widerstandsfähiger und an den Standort angepasster Sorten, eine fachgerechte Bodenbearbeitung sowie eine optimal terminierte Aussaat. Besonderen Einfluss auf die Pflanzengesundheit hat auch die Fruchtfolge, das heißt die Aufeinanderfolge verschiedener Kulturen auf einem Feld.
Neben diesen züchterischen und ackerbaulichen Maßnahmen gibt es noch den
- biologischen Pflanzenschutz, also zum Beispiel den gezielten Einsatz von Nützlingen gegen Schädlinge,
- die mechanisch-physikalische Bekämpfung mit Hand- oder Maschinenhacke, Egge oder Pflug oder das Absammeln beziehungsweise Fangen der Schädlinge in Fallen,
- die biotechnischen Maßnahmen, bei denen mittels Ködern und Pheromon-Duftlockstoffen Schädlinge angelockt werden,
- die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln auf naturstofflicher Basis, wie sie im Öko-Landbau zur Anwendung kommt und
- schließlich den chemischen Pflanzenschutz, bei dem chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel zum Einsatz kommen.
Integrierter Pflanzenschutz als hohe Messlatte
In Deutschland ist der integrierte Pflanzenschutz seit 1986 durch die Einbindung in das Pflanzenschutzgesetz als Hauptstrategie anerkannt. Integrierter Pflanzenschutz bezeichnet die aufeinander abgestimmte Nutzung aller biologischen, biotechnischen, züchterischen, anbau- und kulturtechnischen sowie chemischen Maßnahmen im Pflanzenbau. Er zielt darauf ab, den Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel – nach dem Motto "So viel wie nötig, so wenig wie möglich" – auf das notwendige Maß zu beschränken.
Seit 2009 schreibt die "Europäische Rahmenrichtlinie zum Nachhaltigen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln" die allgemeinen Grundsätze des integrierten Pflanzenschutzes verbindlich vor: Dazu gehören unter anderem
- das Vorbeugen durch ackerbauliche Maßnahmen in einer vielfältigen Fruchtfolge,
- das Beobachten (Monitoring),
- das Schadschwellenprinzip als Entscheidungsgrundlage,
- der Gewässer- und Anwenderschutz,
- das Vermeiden von Resistenzen sowie
- die Dokumentation aller Pflanzenschutzmaßnahmen.
Wie diese Rahmenrichtlinie in Deutschland umgesetzt wird, beschreibt der Nationale Aktionsplan zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln (NAP).
Wirtschaftliche Schadschwelle ist Entscheidungsgrundlage
Landwirtinnen und Landwirte, die nach den Prinzipien des integrierten Pflanzenschutzes wirtschaften, setzen chemischen Pflanzenschutz in einer genau ausgeklügelten Strategie ein: So ermitteln sie zum Beispiel die Anzahl der Rapsglanzkäfer in sogenannten Gelbschalen. Die Käfer fliegen die gelben Schalen im Bestand wie eine Blüte an, werden dort gefangen und können ausgezählt werden. Erst wenn die "wirtschaftliche Schadschwelle" erreicht ist, werden chemische Bekämpfungsmittel eingesetzt. Die Schadschwelle gibt Aufschluss darüber, ab welcher Befallsstärke eine Bekämpfung wirtschaftlich sinnvoll ist, das heißt ab wann die Ertragsausfälle mehr Kosten verursachen als die Bekämpfung.
Bei der Entscheidungsfindung helfen Prognosemodelle und Apps aus der Industrie und der Wirtschaft, die die Zusammenhänge zwischen Befallsstärke, Befallszeitpunkt, Witterungsverlauf und Populationsentwicklung der Schädlinge sowie ihrer Gegenspieler oder den Befallsdruck pilzlicher Erreger ermitteln.
Problembereiche erkennen und anpacken
Sachgerechter Pflanzenschutz geht mit einer guten Ausbildung der Landwirtinnen und Landwirte einher, die ihre Qualifikation regelmäßig auffrischen und nachweisen müssen und auch die Pflanzenschutzspritze muss regelmäßig zum "TÜV", bei dem ihre einwandfreie technische Funktion überprüft wird.
Gerade der chemische Pflanzenschutz wird wegen seiner ökologischen Nebenwirkungen aber häufig kritisch betrachtet. Etwa in Bezug auf Beeinträchtigungen des Grundwassers, die Verarmung beziehungsweise Beeinträchtigung der Artenvielfalt sowie das Insektensterben. Letztendlich geht es in der Landwirtschaft aber genauso wie in anderen Wirtschaftszweigen immer um eine Abwägung zwischen ökonomischen und ökologischen Interessen.
Und hier stehen nicht allein finanzielle Interessen der Landwirtinnen und Landwirte ökologischen Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher gegenüber. Würde auf den chemischen Pflanzenschutz verzichtet, würden die landwirtschaftlichen Erträge geringer ausfallen, was in Form deutlich höherer Lebensmittelpreise auch die ökonomischen Interessen von Verbraucherinnen und Verbrauchern träfe.
Im integrierten Pflanzenschutz steht der chemische Pflanzenschutz am Ende einer langen und sorgfältigen Entscheidungsabwägung, wenn die anderen vorbeugenden Maßnahmen zu wenig Erfolg zeigen. So werden auskömmliche Erträge abgesichert, die Qualität der Lebensmittel erhalten und die ökologischen Nebenwirkungen so weit wie möglich minimiert.
Gewässer schützen, Artenvielfalt sichern
Landwirtinnen und Landwirte sind bemüht, der Artenverarmung in unserer Landschaft entgegenzuwirken. Immer mehr von ihnen legen dafür beispielsweise Blüh- und Ackerrandstreifen an, in denen sich Insekten und Kleintiere wohlfühlen. Oder sie legen "Lerchenfenster" an, also bewusst eingerichtete Fehlstellen in den Äckern, von denen nicht nur Lerchen, sondern auch Feldhasen oder Rebhühner profitieren.
In Ackerbau-Arbeitskreisen und in der Gewässerschutzberatung werden die Landwirtinnen und Landwirte beraten, wie sie durch eine angepasste Wirkstoffwahl Resistenzen vermeiden oder wie sie den Pflanzenschutzmitteleinsatz beispielsweise durch eine mechanische Maishacke verringern können. Speziell entwickelte "Dropleg"-Düsen verhindern ein Benetzen der Rapsblüte, die die Honigbiene anfliegt. Zudem achten die Landwirtinnen und Landwirte darauf, dass sie blühende Flächen nur nach dem Ende des täglichen Bienenflugs mit Insektiziden behandeln.
Letzte Aktualisierung: 10. April 2024
Weitere Informationen
Praxis-agrar.de: Pflanzenschutz im Wandel
Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL): Nationaler Aktionsplan Pflanzenschutz