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Wie beeinflusst die Landwirtschaft die Artenvielfalt?

Die intensive Landwirtschaft ist ein Grund für den Rückgang der Artenvielfalt. Doch es gibt Ansätze für eine umweltfreundliche Erzeugung.

Was ist Artenvielfalt?

Unter Artenvielfalt versteht man die Anzahl aller biologischer Arten in einem geographisch abgegrenzten Gebiet. Dazu gehören alle Tier- und Pflanzenarten, aber auch Mikroorganismen und Pilze. Die Artenvielfalt ist ein wichtiges Maß zur Einschätzung der Biodiversität eines Lebensraums.

Die Artenvielfalt und die Bestände heimischer Tier- und Pflanzenarten in der deutschen Agrarlandschaft schrumpfen rapide. Besonders betroffen sind Vögel und Insekten. Zwischen 2006 und 2018 ist die Zahl der Vogelarten der Agrarlandschaft um knapp ein Drittel zurückgegangen. Inzwischen sind auch ehemals häufige Vogelarten auf der Liste der gefährdeten Arten. So hat zum Beispiel die Anzahl der Feldlerchen in den vergangenen 25 Jahren um die Hälfte, die der Rebhühner um 91 Prozent und die Kiebitze um 93 Prozent.

Bei Insekten ist das Bild ähnlich. Der Gesamtbestand hat in den letzten Jahrzehnten deutlich abgenommen: 76 Prozent weniger Insektenbiomasse als noch vor drei Jahrzehnten. Von den aktuell 560 Wildbienenarten ist mehr als die Hälfte als bestandsgefährdet einzustufen. Bei den Schwebfliegen sind es rund 32 Prozent.

Dass die intensive Landwirtschaft großen Einfluss auf die Zusammensetzung der Artengemeinschaft hat, zeigen vergleichende Zahlen zur Bestandsentwicklung von Vögeln aus anderen Lebensräumen wie Wald oder Stadt. Denn deren Bestände sind im gleichen Zeitraum nahezu konstant geblieben.

Luftbild verschiedener Ackerflächen
Der großflächige Anbau einiger weniger Anbaukulturen und das Entfernen von Hecken und anderen Lebensräumen hat viele Tier- und Pflanzenarten verdrängt.
Quelle: Bim via Getty Images

Landwirtschaft schafft besondere Lebensräume

Doch was genau ist mit der Intensivierung der Landwirtschaft gemeint? Und warum hat dieser Prozess so dramatische Folgen für die Artenvielfalt? Schließlich profitieren viele Tier- und Pflanzenarten von den Aktivitäten der Landwirtschaft. Denn die Betriebe schufen durch die offene Agrarlandschaft mit Grünland und Ackerflächen einen besonderen Lebensraum für unterschiedlichste Säugetiere, Vögel und Insekten.

Doch wie alle Unternehmen in der Wirtschaft stehen auch landwirtschaftliche Betriebe unter dem Druck, immer effizienter und kostengünstiger zu arbeiten und ihre Erträge zu steigern. Dafür wurden zum Beispiel Ackerflächen zusammengelegt und vergrößert, mehr Dünger und Pflanzenschutzmittel eingesetzt und Grünland trockengelegt oder in Ackerland umgewandelt. Zudem konzentrierten   sich die meisten Betriebe auf wenige Kulturen wie Raps, Mais oder Weizen, weil sie den höchsten Gewinn pro Hektar versprechen.  

Jede dieser Maßnahmen hatte Folgen für die Tier- und Pflanzenvielfalt. So gingen durch das Zusammenlegen von Ackerflächen wichtige Lebensräume wie Hecken, Tümpel oder kleinere Feldgehölzen verloren. Der großflächige Anbau weniger unterschiedlicher Kulturen trug ebenfalls zum Rückgang der Artenvielfalt bei.

Ertragssteigerung versus Artenvielfalt

Eine intensivere Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Flächen und die damit verbundenen Ertragssteigerungen wirken sich immer negativ auf die Artenvielfalt aus. Zu diesem Ergebnis kam 2019 ein internationales Forschungsteam unter der Leitung des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ), das in einer Metastudie diesen Zusammenhang weltweit untersucht hat. Wie groß die Ertragssteigerungen und Artenverluste ausfallen, ist davon abhängig, in welchem Ausmaß die Bewirtschaftung intensiviert wird und wie intensiv die jeweiligen Flächen bereits vorher genutzt wurden.

Im Durchschnitt ließ sich nach Berechnungen des Forschungsteams der Ertrag durch die Intensivierung der Landwirtschaft um 20,3 Prozent steigern, während die Zahl der Arten um 8,9 Prozent zurückging. Der Studie zufolge waren im Ackerbau die höchsten Ertragssteigerungen (33 Prozent), aber auch die gravierendsten Artenverluste (21 Prozent) zu verzeichnen.  

Noch wertvoller in Bezug auf die Artenvielfalt sind landwirtschaftlich genutzte Grünlandflächen, also Wiesen und Weiden. Seit 1991 sind in Deutschland jedoch über 600.000 Hektar Grünland (11 Prozent) in Ackerflächen umgewandelt worden. Das bestehende Grünland wurde intensiver gedüngt und immer häufiger gemäht (bis zu fünf Mal im Jahr), um mehr Futter für die zunehmend größeren Milchviehherden der einzelnen Betriebe zu gewinnen.

Ein Kiebitz mit einem Küken auf einer Wiese
Bodenbrütende Vögel wie der Kiebitz können ihre Brut auf intensiv genutzten Wiesen nicht mehr aufziehen.
Quelle: bahadir-yeniceri via Getty Images

Stickstoff und Mahd verdrängen viele Pflanzenarten

Eine intensivere Düngung, besonders mit Stickstoff, führt im Grünland dazu, dass die pflanzliche Artenvielfalt zurückgeht. Denn viele Pflanzenarten bevorzugen eher nährstoffarme Böden. Steigt das Stickstoffangebot im Boden, werden sie durch die wenigen stickstoffliebenden Arten verdrängt. Auch die häufige Mahd vertragen nur wenige Gräserarten. Diese sind aus landwirtschaftlicher Sicht erwünscht, weil sie viel energiereiches Futter liefern. Die pflanzliche Artenvielfalt wird dadurch jedoch stark eingeschränkt.  

Das hat auch Folgen für viele Insektenarten, die häufig ganz bestimmte Pflanzenarten als Nahrungsquelle und/oder Lebensraum benötigen. Mit jeder verdrängten Pflanzenart verschwinden deshalb auch die auf sie spezialisierten Insekten.

Weil viele Kuhherden immer häufiger ganzjährig im Stall gefüttert werden, gibt es zudem immer weniger Weiden. Stattdessen nutzen Betriebe das Grünland häufig nur noch als Wiese, die mehrmals im Jahr zur Futtergewinnung gemäht wird. Diese Entwicklung ist vor allem für bodenbrütende Vögel wie die Feldlerche oder den Kiebitz problematisch. Während sie ihre Brut auf Grünland mit Beweidung durch Kühe relativ ungestört aufziehen können, ist eine Aufzucht auf intensiv genutzten Wiesen oft nicht mehr möglich. Dafür erfolgt der erste Schnitt mit Mähwerken meist zu früh im Jahr.

Ein Streifen mit blühenden Pflanzen am Rand eines Ackers
Mit der Förderung von Blühstreifen an Ackerrändern sollen Lebensräume für Tier- und Pflanzenarten geschaffen werden.
Quelle: RuudMorijn vis Getty Images

Schwieriger Ausgleich der Interessen

Einen Ausgleich zwischen den wirtschaftlichen Interessen und Herausforderungen der landwirtschaftlichen Betriebe und dem Schutz der Artenvielfalt zu erzielen, ist deshalb eine große Herausforderung. Ein Ansatz ist der sogenannte Vertragsnaturschutz über bestimmte Förderprogramme, der bereits seit langem üblich ist. Die Betriebe verpflichten sich darin zum Beispiel, ihr Grünland weniger zu düngen und später zu mähen, Ackerblühstreifen für Insekten anzulegen oder eine Mindestanzahl verschiedener Kulturen anzubauen. Für die damit verbundenen Ertrags- und Umsatzeinbußen erhalten sie Ausgleichszahlungen.   

Aus ökologischer Sicht wäre es zudem wünschenswert, große Ackerflächen mit Landschaftselementen wie Hecken oder anderen Rückzugsräumen zu unterbrechen. Je mehr unterschiedliche Landschaftselemente vorhanden sind, desto größer ist die Zahl der Arten. Auch der gleichzeitige Anbau mehrerer unterschiedlicher Kulturen auf großen Flächen wirkt sich positiv auf die Anzahl an Arten aus.

Darüber hinaus müssen naturnahe Flächen in der Agrarlandschaft vernetzt werden. Denn insbesondere für viele Insektenarten ist es wichtig, dass die Abstände zwischen den Rückzugsräumen nicht zu groß sind. Sind die bestehenden Rückzugsräume zu klein und der Abstand zum nächsten geeigneten Lebensraum zu groß, führt das häufig zum Aussterben einer Population.

Luftaufnahme von Feldern, Äckern und Weiden mit Hecken und einzelnen Baumreihen als Begrenzung
Hecken und kleinere Feldgehölze wirken sich positiv auf die Artenvielfalt in einer Agrarlandschaft aus.
Quelle: fotoVoyager via Getty Images

Öko-Flächen sind artenreicher

Auch die Ausweitung des ökologischen Anbaus kann einen Beitrag leisten. Denn auf ökologisch bewirtschafteten Flächen ist die Artenvielfalt durch den Verzicht auf Pflanzenschutzmittel und synthetische Dünger nachweislich höher als auf konventionell bewirtschafteten Flächen. Nicht zuletzt aus diesem Grund soll der Anteil des Öko-Landbaus in Deutschland und auf EU-Ebene deutlich ausgebaut werden. In Deutschland wird ein Öko-Flächenanteil von 30 Prozent bis zum Jahr 2030 angestrebt, auf EU-Ebene ist ein Anteil von 25 Prozent vorgesehen.

Ein Nachteil des Öko-Landbaus sind allerdings die zum Teil erheblich geringeren Erträge im Vergleich zur konventionellen Bewirtschaftung. Um die Gesamterntemengen auf dem gleichen Niveau zu halten, wird deshalb deutlich mehr Fläche benötigt. Diese zusätzlich bewirtschafteten Flächen können nicht als mögliche Schutz- oder Rückzugsgebiete für Tiere und Pflanzen genutzt werden.

Letzte Aktualisierung: 10. Oktober 2024


Weitere Informationen

Oekom-Verlag: Faktencheck Artenvielfalt 2024

Leopoldina Akademie: Biodiversität und Management von Agrarlandschaften

Pflanzenforschung.de: Ein hoher Preis für viel Ertrag – Intensive Landwirtschaft hat negative Auswirkungen auf die Biodiversität

Report des Thünen-Instituts: Leistungen des Ökologischen Landbaus für Umwelt und Gesellschaft

BMEL: F.R.A.N.Z. – Neue Wege für mehr Biodiversität in der Agrarlandschaft

GENRES – Informationssystem, Genetische Ressourcen: Agrobiodiversität


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