Energie aus nachwachsenden Rohstoffen
Ökologisch sinnvoll oder Verschwendung von Lebens- und Futtermitteln? Die Energieerzeugung aus Ackerpflanzen wird kontrovers diskutiert.
Seit den 1980er-Jahren haben Anbau und Nutzung nachwachsender Rohstoffe in Deutschland stark an Bedeutung gewonnen. Man begann den Energiepflanzenanbau zu fördern, zunächst mit dem Ziel, neue Absatzmärkte für Agrarprodukte zu schaffen. Später spielten dann vor allem der Klimaschutz, die drohende Verknappung fossiler Brennstoffe sowie die Risiken der Atomkraft eine Rolle.
Landwirtinnen und Landwirte bauten in erster Linie Maispflanzen an, die sie zusammen mit Gülle in Biogasanlagen vergärten. Raps oder Getreide dienten zur Erzeugung von Biokraftstoffen.
Mais – Wie eine Energiepflanze die Landwirtschaft dominiert
Vor 70 Jahren war so gut wie kein Mais auf deutschen Feldern zu finden. Ab den 1960er-Jahren gewann der Mais dann allerdings als Futterpflanze an Bedeutung, sodass sich die Anbaufläche zwischen 1965 und 1990 von 100.000 Hektar auf über 1,5 Millionen Hektar ausdehnte. Infolge der Einführung des EEG im Jahr 2000 und der damit beginnenden Förderung von Biogasanlagen wurde die Maisanbaufläche dann in kürzester Zeit noch einmal rapide ausgeweitet: Allein zwischen 2004 und 2007 kamen mehr als eine Million Hektar Mais dazu.
Heute wachsen auf rund 2,5 Millionen Hektar Mais (Stand 2022). Das sind rund 21,5 Prozent der gesamten Ackerfläche Deutschlands. Mehr als ein Drittel davon (etwa 890.000 Hektar) ist Biogasmais, der Rest wird als Futter oder anderweitig genutzt.
Zunächst fand der Anbau solcher Rohstoffpflanzen auf bis dato stillgelegten Ackerflächen statt. Durch die einsetzende massive staatliche Förderung wurde der Energiepflanzenanbau für Landwirtinnen und Landwirte aber immer lukrativer. Insbesondere die Einführung einer zusätzlichen Förderung für den Einsatz von Energiepflanzen in Biogasanlagen im Jahre 2004, der sogenannte Nawaro-Bonus, führte dazu, dass immer mehr Landwirtschaftsbetriebe Energiepflanzen anbauten – auch auf Flächen, auf denen zuvor Lebensmittel erzeugt wurden.
Allein zwischen 2004 und 2007 verdoppelte sich dadurch die Fläche für den Anbau von nachwachsenden Rohstoffen in Deutschland von ein auf zwei Millionen Hektar.
Dieser Boom ist jedoch längst abgeebbt und die Bundesregierung hat 2012 eine Höchstgrenze, den sogenannten Maisdeckel eingeführt, um den Einsatz von Mais in Biogasanlagen zu begrenzen. Der Einsatz bestimmter Mais- und Getreidesubstrate in neuen Biogasanlagen wird damit bis 2026 in mehreren Schritten auf maximal 30 Prozent abgesenkt.
Außerdem hat die Bundesregierung die erhöhte Förderung für den Einsatz von Energiepflanzen in Biogasanlagen – den Nawaro-Bonus – mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) 2014 beendet. Seit 2017 gilt zudem das Ziel, den Zubau im Bereich der Biomasse überwiegend auf Abfall- und Reststoffe wie Gülle, Grünschnitt oder Bio-Siedlungsabfällen zu begrenzen.
Bioenergie – wichtigstes Standbein der Erneuerbaren
Energie aus Biomasse ist der bedeutendste Energieträger unter den Erneuerbaren: Nach Angaben der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR) leistete Biomasse 2022 mit einem Anteil von 51 Prozent den größten Beitrag zur Energiegewinnung, vor Windkraft (22 Prozent), Sonnenenergie (13 Prozent), Geothermie (4 Prozent) und Wasserkraft (3 Prozent). Bei der Stromerzeugung liegt der Bioenergieanteil bei rund 20 Prozent, bei der Wärmebereitstellung bei 84 Prozent.
Durch diese Maßnahmen ist der Zubau von Biogasanlagen in Deutschland stark zurückgegangen – von mehr als 1.500 Biogasanlagen im Jahr 2011 auf 109 im Jahr 2022. Auch die Maisanbaufläche ist seitdem nicht mehr angestiegen. Dass es bislang noch nicht zu einer nennenswerten Abnahme der Maisfläche gekommen ist, dürfte darauf zurückzuführen sein, dass für bestehende Biogasanlagen der Einsatz von Mais immer noch eine herausragende Bedeutung hat. Außerdem ist Mais nach wie vor ein wichtiges Futtermittel.
Heute werden in Deutschland auf rund 2,6 Millionen Hektar – das sind rund 16 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche – nachwachsende Rohstoffe angebaut (Stand 2022). Auf etwa 54 Prozent dieser Fläche wachsen Pflanzen für die Biogaserzeugung – allen voran Mais. Pflanzen für Biokraftstoffe – hier spielt Raps die tragende Rolle – werden auf 26 Prozent der Fläche angebaut. Der Anbau von Pflanzen für die stoffliche Nutzung in der Industrie, beschränkt sich auf 11 Prozent.
Die energetische Nutzung von landwirtschaftlichen Rohstoffpflanzen hat nicht nur Befürworterinnen und Befürworter, sie wird durchaus kontrovers diskutiert. Was spricht für und was gegen die Energieerzeugung aus Biomasse?
Bioenergie verringert die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern
Wie alle erneuerbaren Energien trägt die Energieerzeugung aus Biomasse dazu bei, die Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Denn grundsätzlich gilt: Pflanzen nehmen für ihr Wachstum in etwa so viel CO2 aus der Atmosphäre auf, wie bei ihrer späteren Verbrennung wieder freigesetzt wird. Außerdem wird die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern wie Kohle, Öl oder Gas verringert, die nur begrenzt verfügbar sind.
Bioenergie ist speicherbar
Ein besonderer Vorteil der Bioenergie gegenüber den anderen Erneuerbaren ist, dass sich aus ihr sowohl Strom und Wärme als auch Kraftstoffe für den Fahrzeugverkehr gewinnen lassen. Außerdem ist Bioenergie speicherbar – als Biogas oder als flüssiger Kraftstoff. Damit kann sie zum Beispiel jederzeit die Lücken schließen, die sich bei der wetterbedingt schwankenden Energie aus Wind und Sonne ergeben. Zu Biomethan aufbereitetes Biogas kann zudem ins Erdgasnetz eingespeist werden.
Mittelfristig soll Bioenergie diejenigen Funktionen im Energiesystem übernehmen, für die andere Erneuerbare ungeeignet sind. Bioenergie könnte beispielsweise Schiffe und Flugzeuge antreiben oder Wärme für Industrieprozesse liefern.
Bioenergie kann aus Reststoffen und Abfällen gewonnen werden
In den Fokus könnte besonders die energetische Verwendung von Rest- und Abfallstoffen rücken. Denn in Deutschland gibt es große Potenziale an Restholz, Stroh und tierischen Exkrementen.
Auch bei Anbau und Aufbereitung entstehen Emissionen
Für die Klimabilanz der energetischen Nutzung von Ackerpflanzen müssen auch die Emissionen, die bei der Erzeugung der Biomasse entstehen, berücksichtigt werden. Dazu zählen zum Beispiel Emissionen, die bei der Herstellung synthetischer Dünger und Pflanzenschutzmittel oder bei der Bearbeitung der Felder mit Maschinen anfallen.
Darüber hinaus kommt es auch durch die Düngung selbst sowie die Lagerung von Wirtschaftsdüngern zu Emissionen: hier werden Treibhausgase wie Lachgas und Methan emittiert, die weitaus höheres Erwärmungspotenzial haben als CO2. Nicht zu vergessen sind auch Klimagase, die bei der energieabhängigen Umwandlung von Biomasse in nutzbare Energieformen wie Biodiesel oder Biogas entstehen. Alle diese Emissionen mindern den positiven Klimaeffekt der Energiegewinnung aus Pflanzen. Wie stark diese Minderung ausfällt, hängt vor allem von der Intensität der Bewirtschaftung ab.
Ökologische Folgen durch steigenden Nutzungsdruck
Ein weiterer Kritikpunkt gegen die Energieerzeugung aus Ackerpflanzen ist: Die starke Expansion der Anbaufläche und die Konzentration auf wenige Kulturarten hat zu einer Verengung der Fruchtfolgen und damit zu einer Verringerung der Anbauvielfalt geführt. In manchen Gebieten Deutschlands stehen heute teilweise auf mehr als der Hälfte der Fläche Maispflanzen.
Studien zeigen, dass dadurch die Vielfalt an Wildtieren und -pflanzen auf dem Acker in den letzten Jahren stark abgenommen hat. Unkräuter und -gräser sowie Pflanzenschädlinge und -krankheiten dagegen breiten sich zunehmend aus und entwickeln mehr und mehr Resistenzen gegen bestehende Pflanzenschutzmittel, sodass Landwirtinnen und Landwirte häufiger zur Pflanzenschutzspritze greifen müssen.
Steigende Bodenpreise führen zu Konkurrenz unter Landwirten
Die Förderung der Bioenergieerzeugung hat insbesondere in Regionen, die eine hohe Viehbestandsdichte aufweisen, zu einer starken Konkurrenz um die Flächen und zu steigenden Bodenpreisen geführt. Die Förderung im Rahmen des EEG garantiert den teilnehmenden Erzeugern über eine Vertragslaufzeit von 20 Jahren vergleichsweise hohe Einnahmen.
Viele Tierhalterinnen und -halter, die die Fläche ebenfalls dringend zur Erweiterung ihrer Betriebe benötigen, sind dadurch benachteiligt. Zusätzlicher Nutzungsdruck auf die landwirtschaftlichen Flächen entsteht aber auch durch den Bau von Windkraft- und Freiflächenphotovoltaik-Anlagen sowie die dafür erforderlichen Ausgleichsflächen.
Geringe Flächeneffizienz
Nicht zuletzt wird die Energie aus nachwachsenden Rohstoffen auch wegen der geringeren Flächeneffizienz infrage gestellt. Laut Bundesumweltministerium sind Wind- und Solarenergie der Energie aus Biomasse in Sachen Flächeneffizienz um ein Vielfaches überlegen. Anbauflächen wären demnach mit Solarzellen oder Windkrafträdern sinnvoller bestückt.
Die internationale Perspektive
Neben der geringen Flächeneffizienz war es vor allem die zunehmende Flächenkonkurrenz zur Nahrungsmittelerzeugung, die dafür sorgte, dass die Energieerzeugung aus nachwachsenden Rohstoffen früh in die Kritik geriet.
Steigende Weltmarktpreise für Nahrungsmittel
Die Konkurrenz um die Flächen kann zu steigenden Lebensmittelpreisen und damit verbunden zu Versorgungsproblemen in ärmeren Ländern führen. Erstmals trat ein solcher Fall in den Jahren 2007 und 2008 auf. Damals stiegen die Weltmarktpreise für Grundnahrungsmittel sprunghaft an. Verschiedene Stimmen führten diesen Anstieg auf die erhöhte Bioenergienachfrage durch Europa und die USA zurück und sprachen in diesem Zusammenhang von einer Konkurrenz zwischen "Tank" und "Teller" – also zwischen Biokraftstoffen und Nahrungsmitteln.
Viele Expertinnen und Experten sind sich heute allerdings einig, dass dieser "Tank oder Teller"-Konflikt nicht allein der Flächenkonkurrenz durch Biomassepflanzen zuzuschreiben ist. Auch andere Faktoren, wie Preisspekulationen, der weltweit steigende Fleischkonsum sowie Missernten, zum Beispiel infolge des Klimawandels, tragen dazu bei.
Neue Emissionen durch Landnutzungsänderungen
Auch Landnutzungsänderungen, die sich infolge eines expandierenden Energiepflanzenanbaus ergeben, können zu Problemen führen: So wird nämlich die Klimabilanz der Energieerzeugung aus Ackerpflanzen schnell negativ, wenn für deren Anbau vorher Waldflächen gerodet oder Moore urbar gemacht werden müssen. Denn Bäume und Moore binden weit mehr CO2 als kurzlebige Nutzpflanzen.
In etwa das Gleiche gilt, wenn Energiepflanzen auf Flächen angebaut werden, auf denen zuvor Nahrungsmittel erzeugt wurden: Dies führt in der Regel dazu, dass an anderer Stelle auf der Welt Flächen für die Erzeugung von Nahrungs- und Futtermitteln erschlossen werden müssen. Fachleute sprechen in diesem Fall von "indirekter Landnutzungsänderung".
Auch Deutschland ist davon betroffen: Denn bereits heute importiert Deutschland große Mengen an Agrarrohstoffen, unter anderem als Nahrungs- und Futtermittel. Will man die Bioenergieerzeugung hierzulande ausweiten, muss man vermehrt auf Rohstoffe aus dem Ausland ausweichen, was zu negativen Landnutzungseffekten außerhalb Deutschlands führen kann.
Indirekte Landnutzungsänderungen werden bislang nicht mit in die Treibhausgasbilanzierung der Bioenergieerzeugung eingerechnet. Die tatsächlichen Treibhausgaseinsparungen durch die energetische Biomassenutzung dürften daher geringer ausfallen als bislang kalkuliert. Um wie viel, ist schwer zu sagen. Denn aufgrund der vielen Eventualitäten ist es bislang schwierig, die Kohlenstoffbilanz durch indirekte Landnutzungsänderung rechnerisch zu erfassen.
Letzte Aktualisierung: 16. November 2023