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Welches Potenzial hat Hanf als Nutzpflanze?

Hanf wird oft auf seine berauschende Wirkung reduziert. Doch die Kultur ist ein idealer Rohstoff für viele Bereiche.

Hanfpflanzen auf einem Feld
Nutzhanf wird auch kommerzieller Hanf genannt, er enthält nur wenig berauschendes THC.
Quelle: Juhla via Getty Images

Hanf wird weltweit seit Jahrhunderten als Kulturpflanze angebaut und war im 17. und 18. Jahrhundert der wichtigste Rohstoff auf dem Weltmarkt. Man unterscheidet zwischen Nutzhanf und Hanf, dessen weibliche Pflanzen insbesondere in den Blüten größere Mengen des berauschenden Inhaltsstoffs Tetrahydrocannabinol (THC) enthalten. Nutzhanf hat dagegen nur sehr geringe Gehalte an THC. Er wird vor allem als Faserpflanze genutzt. Dennoch unterliegt der Anbau von Hanf in vielen Ländern einer strengen staatlichen Kontrolle, auch in Deutschland.

Wer darf Hanf anbauen?

1929 wurde Cannabis in Deutschland verboten und ab 1982 auch der Anbau von Faserhanf. 1996 durfte Faserhanf wieder angebaut werden, allerdings unter strengen Auflagen. Eine Zulassung erhalten nur landwirtschaftliche Betriebe. Zudem dürfen bislang nur Sorten aus dem gemeinsamen Sortenkatalog der Europäischen Union angebaut werden, deren THC-Gehalt unter 0,3 Prozent liegt. Sorte und Menge müssen gemeldet werden und auch für die Ernte wird eine offizielle Freigabe der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) benötigt.

Im April 2024 ist ein neues Gesetz zum Umgang mit THC-haltigem Cannabis in Kraft getreten. Das Gesetz erlaubt – als sogenannte "erste Säule" – den Besitz und Konsum von Cannabis sowie den privaten Eigenanbau von Hanfpflanzen durch Erwachsene zum Eigenkonsum – und zwar maximal drei weibliche Pflanzen pro Person. Außerdem ist seit Juli 2024 der gemeinschaftliche, nicht-gewerbliche Eigenanbau von Cannabis in speziellen Anbauvereinigungen möglich. In einem zweiten Schritt (Säule zwei) ist dann zu einem späteren Zeitpunkt geplant, regionale Modellversuche zu starten, in denen auch die gewinnorientierte Erzeugung und der Verkauf von Cannabis durch lizenzierte und staatlich kontrollierte Unternehmen ermöglicht werden soll.

Infografik: Nutzhanfanbau in Deutschland

Wie viel Hanf wird angebaut?

Obwohl die Anbaufläche für Nutzhanf allein im Jahr 2024 um rund 22 Prozent gegenüber dem Vorjahr zugenommen hat, ist die Pflanze eine absolute Nischenkultur in Deutschland. Insgesamt wurde Nutzhanf 2024 auf gut 7.100 Hektar angebaut. Zum Vergleich: Die Anbaufläche von Weizen lag im gleichen Jahr bei etwa 2,7 Millionen Hektar. Der Schwerpunkt des Hanfanbaus liegt derzeit in Niedersachsen, Brandenburg und Sachsen-Anhalt.

Durch die oben erwähnte geplante Legalisierung von THC-haltigem Cannabis könnte es künftig zu einer Ausdehnung des Hanfanbaus in Deutschland kommen.

Nutzhanf ist anspruchslos

Grundsätzlich ist der Anbau an fast allen Standorten in Deutschland möglich, denn die Pflanze stellt keine hohen Ansprüche an den Boden und hat einen relativ geringen Wasserbedarf. Zudem produziert die Pflanze sehr viel Biomasse und hinterlässt dadurch einen weitgehend unkrautfreien Acker. Nennenswerte Krankheiten oder Schädlinge gibt es derzeit nicht, sodass der Aufwand für den Pflanzenschutz gering ist. Das macht die Kultur auch für den Öko-Landbau attraktiv.

Hanföl in Flasche mit Pipette
Hanföl ist ein gesundes Nahrungsmittel und Rohstoff für verschiedene Kosmetika.
Quelle: Tinnakorn Jorruang via Getty Images

Hanf als Basis für nachhaltige Produkte

Die flächenmäßige Ausdehnung des Hanfanbaus in den letzten Jahren beruht auf den vielseitigen Nutzungsmöglichkeiten fast aller Pflanzenteile. Aus Hanfsamen lässt sich zum Beispiel Hanföl herstellen, das für die menschliche Ernährung geeignet ist, aber auch als Bestandteil hautschonender Kosmetika oder für medizinische Zwecke. Zudem gilt Hanf als "Superfood", weil die Körner reich an Proteinen, Vitaminen und ungesättigten Fettsäuern sind. Deshalb wird Hanf inzwischen zum Beispiel als Ergänzung in Brot, Müsli, Schokolade und Aufstrichen verwendet.

Papier aus Hanf

Besonders interessant sind die Hanfstängel, die aus Fasern und einem holzigen Innenkern bestehen, den sogenannten Schäben. Die darin enthaltene Zellulose eignet sich sehr gut für eine umweltfreundliche Papierherstellung. Denn mit dem Ertrag von einem Hektar Hanf lässt sich deutlich mehr Papier herstellen als aus dem Holz von einem Hektar Wald. Dennoch überwiegt aktuell noch die Herstellung aus Holz, da weltweit zu wenig Hanf angebaut wird, um eine ausreichende Rohstoffversorgung sicherzustellen.

Auch für die Textilherstellung ist Hanf als Rohstoff eine sehr nachhaltige Lösung. Die Fasern sind dafür ebenso gut geeignet wie Baumwolle und lassen sich problemlos mit anderen Naturfasern mischen. Im Gegensatz zu Baumwolle werden beim Herstellungsprozess nur ein Bruchteil oder gar keine Chemikalien benötigt. Dennoch basiert die weltweite Textilproduktion derzeit zu 85 Prozent auf Baumwolle. Hanf kommt lediglich zu 0,5 Prozent zum Einsatz, weil die Kosten für die Herstellungstechnik bei Hanf höher liegen.

Bauen mit Hanfsteinen

Weiteres Potenzial ergibt sich für Hanf als klimaschonendes Baumaterial. Hanffasern und Schäben sind sehr leicht, haben eine enorme Zugfestigkeit und sehr gute Isoliereigenschaften. Zudem sind sie langlebig und recyclebar. Deshalb wird Hanf zum Beispiel zur Wärmedämmung sowie zum Schall- und Brandschutz eingesetzt. In Kombination mit Naturkalk lassen sich Hanfschäben auch zu umweltfreundlichen Ziegeln für den Hausbau verarbeiten. Die Herstellung ist allerdings zurzeit noch sehr teuer.

Dämmmatte aus Hanffasern
Hanffasern haben eine gute isolierende Wirkung und werden deshalb häufig als Dämmstoff eingesetzt.
Quelle: Olga Ionina via Getty Images

Durch ihre vielen positiven Eigenschaften werden Hanffasern häufig für die Herstellung von Verbundwerkstoffen genutzt. Im Gegensatz zu anderen Stoffen wie Glas- oder Carbonfasern sind sie deutlich günstiger und lassen sich rückstandsfrei verbrennen. Deshalb kommen sie zum Beispiel in der Automobilindustrie zum Einsatz, wo sie als Naturfaserverbundstoff für die Innenverkleidung bei Türen oder Instrumententafeln verbaut werden.

Comeback benötigt eine bessere Infrastruktur

Dass Hanf trotz seines großen Potenzials als vielfältiger Rohstoff noch eine Nischenkultur ist, liegt unter anderem an den fehlenden Strukturen für die Verarbeitung der Pflanze. So gibt es zurzeit bundesweit nur sehr wenige Anlagen, die Faserstroh aus Hanf aufarbeiten. Die Hanferzeugung ist für landwirtschaftliche Betriebe nur interessant, wenn eine Anlage in der näheren Umgebung liegt. Denn längere Transportwege machen den Anbau schnell unwirtschaftlich. Im Bereich der Hanfölgewinnung gibt es meist nur kleine, spezialisierte Mühlen, die überwiegend Bio-Hanf aus der Region verarbeiten.

Nach Meinung des BMEL hat auch die rechtliche Situation in Deutschland zum verhaltenen Anbau von Nutzhanf beigetragen. Insbesondere die als "Rauschklausel" bekannte Missbrauchsklausel sorge bei vielen Landwirtschaftsbetrieben für Unsicherheit. Denn obwohl ein Rausch aufgrund der sehr niedrigen THC-Gehalte im Nutzhanf ausgeschlossen ist, kann es zur Strafbarkeit und Betriebsschließungen kommen. Die Bundesregierung schafft diese Rauschklausel daher ab dem 1.1.2025 ab und erhofft sich dadurch eine weitere Zunahme der Hanfanbaufläche in Deutschland.

Aufgrund der geringen Anbaubedeutung wurde in Deutschland relativ wenig zu Hanf geforscht. Im Zuge des wachsenden Bedarfs an nachhaltigen, klimaneutralen Produkten wie Baustoffen, Papier und Textilien wird Hanf aber zukünftig weiter an Bedeutung gewinnen.

Letzte Aktualisierung: 10. Oktober 2024


Weitere Informationen

BLE: Nutzhanf auf fast 7.000 Hektar angebaut

Bundesvereinigung Nachhaltigkeit: Machbarkeitsstudie zur Implementierung einer Nutzhanfindustrie in der Lausitz

Bundeszentrum für Ernährung (BZfE): Hanf als Lebensmittel

BMEL: Bundesregierung beschließt die Liberalisierung von Nutzhanf


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