Was ändert sich durch das Insektenschutzpaket für die Landwirtschaft?
Das Insektenschutzpaket bringt für landwirtschaftliche Betriebe einige Einschränkungen mit sich, vor allem beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln.
Die Zahl der Insekten und deren Artenvielfalt ist in Deutschland seit vielen Jahren stark rückläufig. Neben der zunehmenden Lichtverschmutzung, der fortschreitenden Flächenversiegelung und anderen Faktoren gilt auch die intensive Landwirtschaft als mitverantwortlich für diesen Rückgang.
Fachleute sind sich einig, dass diese Entwicklung gestoppt werden muss. Dafür spricht nicht nur das grundsätzliche Ziel, die Artenvielfalt zu erhalten. Auch aus ökonomischer Sicht sind Insekten wertvoll, insbesondere für die Landwirtschaft. So wird zum Beispiel die Bestäubungsleistung der Tiere über alle wichtigen Kulturpflanzen hinweg in Deutschland auf etwa 1,1 Milliarden Euro geschätzt.
Eingeschränkter Einsatz von Pflanzenschutzmitteln
Die Bundesregierung hat deshalb Mitte 2021 ein sogenanntes Insektenschutzpaket beschlossen. Die neuen Regelungen sind Teil des Gesetzes zum Schutz der Insektenvielfalt. Wesentliche Teile des Pakets betreffen Änderungen des Pflanzenschutzgesetzes und der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung und haben damit Folgen für die Landwirtschaft. Denn insbesondere Pflanzenschutzmittel gelten als eine der Hauptursachen für das Insektensterben.
Mit Inkrafttreten der neuen Regelungen am 1. März 2022 gelten für landwirtschaftliche Betriebe starke Einschränkungen für den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. Davon sind Insektizide gegen tierische Schädlinge in Kulturen genauso betroffen wie sogenannte Herbizide gegen Unkräuter. Denn Unkräuter sind für viele Insekten häufig eine wichtige Nahrungsquelle und/oder Lebensraum.
Der Einsatz von Herbiziden und bestimmten Insektiziden ist nun in Naturschutzgebieten und Nationalparks grundsätzlich verboten. Dieses Verbot gilt auch für Flächen in geschützten Biotopen und Flora-Fauna-Habitaten (FFH). Das sind speziell ausgewiesene Schutzgebiete, die Teil eines europaweiten Netzwerks sind. In diesen Gebieten können landwirtschaftliche Flächen nur unter festgelegten gesetzlichen Vorgaben und Einschränkungen genutzt werden.
Ausnahmen für Sonderkulturen in FFH-Gebieten
Ausgenommen vom Verbot von Herbiziden und bestimmter Insektizide in den verschiedenen Schutzgebieten sind die Flächen von Garten-, Obst- und Weinbau-Betrieben und im Hopfenanbau. Auch für Flächen mit Saat- und Pflanzgutvermehrung sowie für Ackerflächen in FFH-Gebieten gilt diese Regelung nicht. Auf Ackerflächen in FFH-Gebieten soll der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln durch freiwillige Maßnahmen verringert werden. Anreize dazu bieten Ausgleichszahlungen im Zuge von Vertragsnaturschutz, Agrarumwelt- oder Klimamaßnahmen.
Kein Pflanzenschutzmittel-Einsatz am Gewässerrand
Bereits seit dem 8. September 2021 gelten strengere Vorgaben für den Pflanzenschutz in der Nähe von Gewässern. So müssen Betriebe bei der Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln hier grundsätzlich einen Mindestabstand von zehn Metern einhalten. Gibt es am Gewässer eine ganzjährig begrünte Pflanzendecke wie etwa Grünland, verringert sich der Mindestabstand auf fünf Meter.
Zulassung für Glyphosat läuft aus
Für den Einsatz des umstrittenen Totalherbizids Glyphosat, das im Verdacht steht, krebserregend zu sein, gibt es weitere Einschränkungen. So ist die Anwendung gegen Spätverunkrautung im reifen Getreide (Sikkation) generell verboten. Für den Ackerbau gilt die Regelung, dass Glyphosat nur bei Auftreten schwer kontrollierbarer Unkräuter wie Ampfer oder bei Gräsern wie Quecke eingesetzt werden darf sowie auf erosionsgefährdeten Flächen.
Ende 2023 läuft die EU-Genehmigung für den Wirkstoff aus. Ob es zu einer Verlängerung der Zulassung kommt, wird derzeit diskutiert.
Höhere Kosten für die Erzeugung
Für landwirtschaftliche Betriebe entstehen durch die eingeschränkte Nutzung von Pflanzenschutzmitteln zum Teil deutlich höhere Produktionskosten. Laut dem Deutschen Bauernverband (DBV) sind rund 2,5 Millionen Hektar landwirtschaftlicher Fläche von den neuen Vorgaben betroffen. Davon gebe es auf etwa 1,3 Millionen Hektar "gravierende Beschränkungen bei der Bewirtschaftung".
Die höheren Kosten entstehen zum Beispiel durch das Totalverbot von Pflanzenschutzmitteln in Gewässernähe. Durch den vorgeschriebenen Mindestabstand von zehn Metern muss das Unkraut in diesem Teil der Ackerfläche mechanisch bekämpft werden. Sollte es zu einem Verbot von Glyphosat kommen, wird auch dadurch die Erzeugung teurer. Denn der Wirkstoff ist sehr günstig und wirkt gegen alle Unkräuter. Zukünftig müssten Betriebe dann auf andere Mittel zurückgreifen, die häufig deutlich teurer sind und nur ein eingeschränktes Wirkspektrum haben.
Finanzieller Ausgleich ist vorgesehen
Der Bund und die Bundesländer stellen deshalb 250 Millionen Euro zur Verfügung, die zumindest zum Teil dafür genutzt werden sollen, die Mehrkosten für den Insektenschutz auszugleichen. Das geschieht auf Ebene der einzelnen Bundesländer, die gemeinsam mit Landwirtschafts- und Naturschutzverbänden Vereinbarungen über die Maßnahmen und Fördermöglichkeiten treffen. Solche Kooperationen zum Vertrags-Naturschutz mit der Landwirtschaft sind in allen Bundesländern seit vielen Jahren üblich und haben sich bewährt.
Letzte Aktualisierung: 25. September 2023
Weitere Informationen
Pressemeldung der Bundesregierung zum Inkrafttreten des Insektenschutzpakets
Pressemeldung des Umweltbundesamtes zum Insektenschutzpaket
BMEL: F.R.A.N.Z. – Neue Wege für mehr Biodiversität in der Agrarlandschaft