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Artenvielfalt in Obstplantagen

Obstanlagen sind artenreicher als Äcker – warum ist das so und wie kann die Biodiversität noch gesteigert werden?

Anbau von Früchten mit Hagelschutznetz zum Schutz der Ernte
Obstanlagen gehören zu den artenreichsten landwirtschaftlichen Flächen.
Quelle: Ralf Geithe via Getty Images

Der gewerbliche Obstanbau findet in Deutschland heute nahezu vollständig in Plantagen statt. Viele kleine Bäume stehen hier eng beieinander. Das erhöht den Ertrag und vereinfacht Ernte- und Pflegemaßnahmen. Auf rund 50.000 Hektar wuchsen 2024 hierzulande Äpfel, Kirschen, Birnen und Co. Das mit Abstand wichtigste Baumobst ist der Apfel, der auf etwa zwei Dritteln der Fläche steht.

Obstplantagen bieten gute Voraussetzungen für die Artenvielfalt

Obstplantagen sind Dauerkulturen: Einmal gepflanzt, bleiben die Bäume in der Regel mindestens zehn, oft jedoch bis zu 20 Jahre lang in einer Anlage stehen, bevor sie ersetzt werden. Dadurch bieten Dauerkulturen stabile Lebensräume und grundsätzlich gute Voraussetzungen für eine hohe Vielfalt an Tieren und Pflanzen.

Zudem sind Obstplantagen strukturreicher als die meisten anderen landwirtschaftlichen Flächen. Sie bestehen aus Baumreihen mit offenem Boden und einem kurzgemähten Wiesenstreifen zwischen den Reihen. Unterschiedliche Strukturen bedeuten auch unterschiedliche Lebensräume und damit eine höhere Artenvielfalt. Viele Lebewesen wie Kräuter, Pilze, Insekten und Vögel halten sich auf den Flächen auf, darunter auch seltene Arten. Es gibt beispielsweise im Obstbau etwa doppelt so viele Wildpflanzenarten  wie auf Ackerland. Häufig sind auch Teiche für die Frostschutzberegnung oder Windschutzhecken vorhanden, die zusätzlichen Lebensraum bieten. Viele Obstbäuerinnen und Obstbauern führen auch freiwillig zusätzliche Naturschutz-Maßnahmen durch. Sie legen zum Beispiel Blühstreifen an oder hängen Nistkästen auf.   

Effizienz gegen Vielfalt

Gleichzeitig sind die Betriebe aber auch auf größtmögliche Erträge angewiesen. So werden die Plantagen oft sehr sauber gepflegt und etwa die Fahrgasse zwischen den Baumreihen gemäht, bevor die meisten Pflanzen blühen können. Obstbäuerinnen und Obstbauern möchten mit diesen Pflegemaßnahmen ihre Arbeitsabläufe vereinfachen und einen hohen Ertrag und eine gute Qualität der Früchte gewährleisten. Diese wirtschaftlich notwendige "Aufgeräumtheit" vermindert etwa Fraßschäden von Insekten. Tiere und Pflanzen können sich in so einer Umgebung aber weniger gut entwickeln – sie brauchen immer eine gewisse Unordnung.

Bis zur Mitte der 1950er wurden die meisten Obstbäume auf Streuobstwiesen angebaut. Auf einer Streuobstwiese stehen hochstämmige Apfel-, Kirsch- und Zwetschgenbäume bunt gemischt auf Grünland, das entweder als Weide oder für die Heugewinnung genutzt wird. Bei dieser extensiven Landnutzung ist die Artenvielfalt besonders hoch, mehr als 5000 Tier- und Pflanzenarten wurden hier nachgewiesen.

Streuobstwiesen bedeuten einen deutlich höheren Arbeitsaufwand und niedrigere Erträge als moderne Plantagen und sind deshalb zu unwirtschaftlich für den kommerziellen Obstbau geworden. Ihr Wert für den Umweltschutz wurde aber inzwischen erkannt, deshalb werden sie auch staatlich gefördert. Viele Umweltverbände sowie Naturliebhaberinnen und Naturliebhaber sorgen sich um ihren Erhalt und schätzen den guten Geschmack der alten Obstsorten.

Übrigens: Sollten Sie Streuobstbäume finden, die mit einem gelben Band um den Stamm markiert wurden, dürfen Sie sich für den Eigenbedarf kostenlos bedienen.

Pflanzenschutzmittel – Ein notwendiges Übel?

Außerdem  werden mehrmals im Jahr Pflanzenschutzmittel eingesetzt. Der Apfel etwa wird häufiger behandelt als jede andere Kultur in Deutschland. 2020 waren es im Schnitt etwa 28 Mal .

Aber warum wird so häufig gespritzt? Landwirtinnen und Landwirte sind darauf angewiesen, eine ausreichende Menge Obst in guter Qualität zu ernten – und Handelsunternehmen, wie auch Verbraucherinnen und Verbraucher erwarten makellose, einheitliche und kostengünstige Früchte.

Fungizide, Herbizide und Insektizide helfen dabei, Fraßschäden und Befall zu minimieren. Sie töten jedoch nicht nur Schädlinge, sondern auch Nützlinge und führen dazu, dass die Vielfalt der Arten abnimmt. Die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln ist in Deutschland zwar streng reguliert. Bienengefährdende Mittel dürfen etwa nicht eingesetzt werden, wenn die Obstbäume oder Blumen in der Plantage blühen. Dennoch können negative Auswirkungen so nur minimiert, nicht aber völlig verhindert werden.

Eine Gefahr für die menschliche Gesundheit durch Pflanzenschutzmittel besteht allerdings nicht. Bei Obst und Gemüse aus Europa haben die Bundesländer in den vergangenen Jahren lediglich bei ein bis zwei Prozent der Proben Überschreitungen der Höchstgehalte festgestellt.

Apfelbäume mit Früchten in einer Obstplantage mit Blühstreifen.
Blühende Pflanzen auf der Plantage versorgen zahlreiche Insekten mit Nahrung.
Quelle: BLE/Thomas Stephan

Was können Obstbetriebe für die Artenvielfalt tun?

Viele Maßnahmen erhöhen die Artenvielfalt auf Obstplantagen. Blühstreifen aus heimischen Wildblumen, Hecken aus bunt gemischten Wildsträuchern oder Totholzhaufen bieten Nahrung und Lebensraum. Je vielfältiger solche Strukturen in einer Obstplantage sind und je länger sie Bestand haben, desto mehr Tiere und Pflanzen können sich dort ansiedeln und vermehren. Ebenfalls hilfreich sind Sitzwarten sowie Nisthilfen für Vögel, Insekten und Fledermäuse. Wichtig ist schließlich auch, wie die nähere Umgebung der Plantagen gestaltet ist – ob es dort zum Beispiel große Bäume oder Gewässer gibt.

Bei einem Biodiversitätsprojekt in der Bodenseeregion, einem der großen Obstanbaugebiete Deutschlands, konnte die Zahl der Wildbienenarten durch Naturschutzmaßnahmen auf den Plantagen verdoppelt werden. Die teilnehmenden Betriebe legten unter anderem Wildblumenwiesen und Gehölzstreifen an und stellten Nisthilfen auf. "Eindrücklich zeigen die Monitoringergebnisse, dass auch intensiv bewirtschaftete Erwerbsobstanlagen durch die Umsetzung von entsprechenden Maßnahmen einen wertvollen Beitrag zur Stärkung der Biodiversität leisten können", so Sabine Sommer von der Bodensee-Stiftung.

Hohe Artenvielfalt – Ein Win-Win?

Eine große Artenvielfalt nützt auch den Obstbäuerinnen und Obstbauern: Insekten stellen die Bestäubung der Obstbäume sicher und die Nützlinge fressen Schädlinge. Dennoch liefert ein solches System meist niedrigere Erträge, da eine gewisse Schädlingspopulation nötig ist, um die Nützlinge ausreichend zu ernähren. Landwirtinnen und Landwirte, die ihre Flächen für den Artenschutz aufwerten, werden dafür mit Fördergeldern der Europäischen Union unterstützt.

Da auf Öko-Betrieben keine chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden dürfen, werden dort oft gezielt Maßnahmen durchgeführt, um Nützlingspopulationen zu stärken. Dort leben also deutlich mehr Arten als auf Plantagen mit konventionellem oder integriertem Anbau, jedoch weniger als auf Streuobstwiesen.

Letzte Aktualisierung: 06. Februar 2025


Weitere Informationen

Universität Hohenheim, Institut für Landschafts- und Pflanzenoekologie: Potenziale und Praxisprogramm zur Erhöhung der ökologischen Vielfalt in Erwerbsobstanlagen und Streuobstwiesen

Bundesamt für Naturschutz (BfN): Ökologische Vielfalt in Obstanlagen


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