Artenvielfalt in Obstplantagen
Obstplantagen sind oft eher artenarm – mit geeigneten Maßnahmen können sie aber in artenreiche Ökosysteme umgestaltet werden.
Der gewerbliche Obstanbau findet in Deutschland heute nahezu vollständig in Plantagen statt. Viele kleine Bäume stehen eng beieinander, das erhöht den Ertrag und vereinfacht Ernte- und Pflegemaßnahmen. Auf rund 50.000 Hektar wuchsen 2024 hierzulande Äpfel, Kirschen, Birnen und Co. Das mit Abstand wichtigste Baumobst ist der Apfel, der auf etwa zwei Dritteln der Fläche steht.
Obstplantagen sind Dauerkulturen: Einmal gepflanzt, bleiben die Bäume in der Regel mindestens zehn, oft jedoch bis zu 20 Jahre lang in einer Anlage stehen, bevor sie ersetzt werden. So bieten Dauerkulturen stabile Lebensräume und sind grundsätzlich eine gute Voraussetzung für eine hohe Vielfalt an Tieren und Pflanzen.
Warum ist die Artenvielfalt in Obstplantagen oft eher gering?
Im Alltag sieht das oft anders aus. Obstplantagen werden meist sehr sauber gepflegt. Hecken und blühende Randstreifen sucht man oft vergeblich und die Fahrgasse zwischen den Baumreihen wird häufig gemäht, bevor die meisten Pflanzen blühen können.
Ziel der Pflegemaßnahmen ist es, Arbeitsabläufe zu vereinfachen und einen hohen Ertrag und eine gute Qualität der Früchte zu gewährleisten. Die wirtschaftlich notwendige "Aufgeräumtheit" vermindert etwa Fraßschäden von Insekten. Wilde Tiere und Pflanzen können sich in so einer Umgebung aber weniger gut entwickeln – sie brauchen immer eine gewisse Unordnung.
Außerdem werden mehrmals im Jahr Pflanzenschutzmittel eingesetzt. Der Apfel etwa wird häufiger behandelt als jede andere Kultur in Deutschland. 2020 waren es im Schnitt etwa 28 Mal. Vor diesem Hintergrund bringt das Mähen der Fahrgassen auch Vorteile mit sich, denn es verhindert, dass Bienen durch Blüten angelockt und anschließend durch Pflanzenschutzmittel getötet werden.
Aber warum wird so häufig gespritzt? Landwirtinnen und Landwirte sind darauf angewiesen, ihr Obst möglichst gut vermarkten zu können - und Handelsunternehmen wie auch Verbraucherinnen und Verbraucher erwarten makellose einheitliche Früchte. Fungizide, Herbizide und Insektizide helfen dabei, Fraßschäden und Befall zu minimieren. Sie töten jedoch nicht nur Schädlinge, sondern auch Nützlinge sterben und führen dazu, dass die Vielfalt der Arten abnimmt. Die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln ist in Deutschland zwar streng reguliert. Bienengefährdende Mittel dürfen etwa nicht eingesetzt werden, wenn die Obstbäume oder Blumen in der Plantage blühen. Dennoch können negative Auswirkungen so nur minimiert, nicht aber völlig verhindert werden.
Bis zur Mitte der 1950er wurden die meisten Obstbäume auf Streuobstwiesen angebaut. Auf einer Streuobstwiese stehen hochstämmige Apfel-, Kirsch- und Zwetschgenbäume bunt gemischt auf Grünland, das entweder als Weide oder für die Heugewinnung genutzt wird. Bei dieser extensiven Landnutzung ist die Artenvielfalt besonders hoch, mehr als 5000 Tier- und Pflanzenarten wurden hier nachgewiesen.
Streuobstwiesen bedeuten einen deutlich höheren Arbeitsaufwand und niedrigere Erträge als moderne Plantagen und sind deshalb zu unwirtschaftlich für den kommerziellen Obstbau geworden. Ihr Wert für den Umweltschutz wurde aber inzwischen erkannt, deshalb werden sie auch staatlich gefördert. Viele Umweltverbände sowie Naturliebhaberinnen und Naturliebhaber sorgen sich um ihren Erhalt und schätzen den guten Geschmack der alten Obstsorten.
Übrigens: Sollten Sie Streuobstbäume finden, die mit einem gelben Band um den Stamm markiert wurden, dürfen Sie sich für den Eigenbedarf kostenlos bedienen.
Welche Maßnahmen erhöhen die Artenvielfalt in Obstplantagen?
Etwa 70 Prozent der bedrohten Arten in Deutschland sind auf die landwirtschaftliche Nutzung angewiesen. Viele von ihnen wie Insekten, Vögel oder Wildpflanzen können auf aufgewerteten Obstplantagen Nahrung und Lebensraum finden.
Blühstreifen aus heimischen Wildblumen, Hecken aus bunt gemischten Wildsträuchern oder Totholzhaufen bieten Nahrung und Lebensraum. Je vielfältiger solche Strukturen in einer Obstplantage sind und je länger sie Bestand haben, desto mehr Tiere und Pflanzen können sich dort ansiedeln und vermehren. Ebenfalls hilfreich sind Sitzwarten sowie Nisthilfen für Vögel, Insekten und Fledermäuse. Wichtig ist schließlich auch, wie die nähere Umgebung der Plantagen gestaltet ist– ob es dort zum Beispiel große Bäume oder Gewässer gibt. Bei einem Biodiversitätsprojekt in der Bodenseeregion, einem der großen Obstanbaugebiete Deutschlands, konnte die Zahl der Wildbienenarten durch solche Naturschutzmaßnahmen auf den Plantagen verdoppelt werden.
In stabilen vielfältigen Lebensräumen kann sich eine bunt gemischte Lebensgemeinschaft etablieren. Eine große Artenvielfalt nützt auch den Obstbäuerinnen und Obstbauern: Insekten stellen die Bestäubung der Obstbäume sicher und die Nützlinge fressen schädliche Insekten. Dennoch liefert ein solches System meist niedrigere Erträge, da eine gewisse Schädlingspopulation nötig ist, um die Nützlinge ausreichend zu ernähren. Landwirtinnen und Landwirte, die ihre Flächen für den Artenschutz aufwerten, werden dafür mit Fördergeldern der Europäischen Union unterstützt.
Da auf biologisch bewirtschafteten Plantagen keine chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden dürfen, werden dort oft gezielt Maßnahmen durchgeführt, um Nützlingspopulationen zu stärken. Dort leben also deutlich mehr Arten als auf Plantagen mit konventionellem oder integriertem Anbau, jedoch weniger als auf Streuobstwiesen.
Letzte Aktualisierung: 04. November 2024
Weitere Informationen
Bundesamt für Naturschutz (BfN): Ökologische Vielfalt in Obstanlagen