Warum und wie wird der Eichenprozessionsspinner bekämpft?
Im Wald werden Spritzmittel gegen den Eichenprozessionsspinner versprüht, am Spielplatz warnt ein Schild vor ihm – aber weshalb eigentlich?
Der Schmetterling selbst ist so unauffällig wie ungefährlich, doch sein Nachwuchs ist geradezu gefürchtet. Die Rede ist vom Eichenprozessionsspinner (Thaumatopoea processionea). Der ursprünglich vor allem in Südosteuropa beheimatete Nachtfalter verdankt seinen Namen dem auffälligen Verhalten seiner Larven. Die bis vier Zentimeter langen und stark behaarten Raupen mögen es gesellig: Sie sammeln sich in teils voluminösen Gespinstnestern an Eichenstämmen und -astgabeln, und ziehen von dort in auffälligen Prozessionen auf Nahrungssuche.
Vereinzelt war der Eichenprozessionsspinner auch früher schon in unseren Breiten anzutreffen. Seit rund 20 Jahren jedoch dehnt sich sein Verbreitungsgebiet immer weiter aus und umfasst inzwischen große Teile Deutschlands. Den Faltern und ihren Raupen kommt dabei der Klimawandel wie gerufen. Mittlerweile sind sie auf diese Weise zu einem doppelten Problem geworden – für die Eichen und für die menschliche Gesundheit.
Ernstzunehmender Forstschädling
Die Raupen des Eichenprozessionsspinners verfügen über einen veritablen Appetit auf Eichenknospen und -blätter, der im Kahlfraß ganzer Bestände münden kann – nicht schön, aber für vitale Gehölze verkraftbar. Anders sieht es aus, wenn mehrere Jahre in Folge derartige Fressgelage stattfinden, oder wenn weitere Stressfaktoren hinzukommen, beispielsweise anhaltende Trockenheit und/oder Schädlinge wie Eichenwickler, Eichenprachtkäfer oder Eichenmehltau. In diesem Fall können die betroffenen Bäume absterben.
Gesundheitsgefährdung durch Brennhaare
Pflanzenschutzmittel oder Biozid – wo ist der Unterschied?
Sowohl Pflanzenschutzmittel als auch Biozide wenden sich gegen unerwünschte Organismen. Pflanzenschutzmittel dürfen jedoch ausschließlich zum Schutz von Pflanzen eingesetzt werden. Biozide decken grob gesagt alle übrigen Bereiche ab. Zu den Bioziden zählen beispielsweise Mittel gegen Vorratsschädlinge, Pilzbefall vorbeugende Holzschutzmittel, Rattengift, Mückenspray und Desinfektionsmittel.
Mitunter basieren Pflanzenschutzmittel und Biozide sogar auf den gleichen Wirkstoffen, sie unterliegen aber unterschiedlichen Zulassungsverfahren und Anwendungsauflagen.
Beispiel Eichenprozessionsspinner: Als Pflanzenschutzmittel zugelassen dürfen die entsprechenden Produkte flächig per Hubschrauber über gefährdeten Waldbereichen ausgebracht werden. Im Siedlungsbereich dient eine Bekämpfung hingegen dem Schutz der menschlichen Gesundheit, hier gelten daher die rechtlichen Bedingungen für Biozide. Die zugelassenen Mittel dürfen hier daher nur vom Boden aus ausgebracht werden, um den behandelten Bereich so klein wie möglich zu halten.
Im Ei überwintert, schlüpfen die Raupen meist Anfang April und durchlaufen sechs Larvenstadien und Häutungen, bis sie sich etwa Mitte Juni verpuppen. Um sich während dieser Entwicklungszeit gegen Fressfeinde zu schützen, hat sich der Spinnernachwuchs ein hocheffektives Abwehrsystem zugelegt: Ab dem dritten Larvenstadium schützen sich die Raupen mit feinen, mit Widerhaken besetzten Brennhaaren, die leicht abbrechen und dann das Nesselgift Thaumetopoein freisetzen.
Dieses Toxin kann bei Menschen (aber auch bei Nutz- und Haustieren) zu teils nur unangenehmen, teils aber auch schweren Haut-, Augen- und Atemwegsreizungen führen, in seltenen Fällen sogar zu allergischen Schockreaktionen. Verstärkt wird das Problem dadurch, dass die Brennhaare leicht mit dem Wind verwehen, und die mit den alten Larvenhäuten gefüllten Gespinste mehrere Jahre lang an und in den Bäumen hängen können.
In der Stadt besonders problematisch
Eichenprozessionsspinner sind auf Eichen an Spielplätzen oder in Parks ebenso anzutreffen wie in Privatgärten, in Alleen und im Wald. Bekämpft werden sie immer dann, wenn Eichenbestände massiv gefährdet sind, sowie in Siedlungsgebieten, um die Bürgerinnen und Bürger zu schützen. In Wäldern können zu diesem Zweck per Hubschrauber einige wenige ausgewählte Insektizide versprüht werden – das ist normalerweise verboten, für die Bekämpfung des Eichenprozessionsspinners kann aber eine Ausnahmegenehmigung erteilt werden. In Siedlungsgebieten können vom Boden aus Biozide eingesetzt werden.
Vorbeugende Maßnahmen
Im Siedlungsbereich wie auch in Wäldern werden bevorzugt biologische Mittel auf Basis des Bakteriums Bacillus thuringiensis eingesetzt. Dieses Bakterium wirkt ausschließlich auf "freifressende Schmetterlingsraupen" wie den Eichenprozessionsspinner, ist also beispielsweise für Menschen, Haus- und Nutztiere ebenso ungefährlich wie für Bienen und die meisten anderen Schmetterlingsarten.
Um das Gesundheitsrisiko durch die Brennhaare zu minimieren, werden die Mittel meist Anfang Mai ausgebracht – spät genug, um möglichst noch alle Raupen schlüpfen zu lassen, aber früh genug, damit sie noch keine Brennhaare ausgebildet haben.
Raupen nicht selbst beseitigen!
Wer ein Gespinstnest oder eine Raupenprozession entdeckt, sollte seine Beobachtung dem zuständigen Ordnungsamt oder Grünflächenamt melden. Im öffentlichen Grün wird die Kommune die Beseitigung veranlassen, im Privatgarten müssen die Gartenbesitzer dafür aufkommen.
Wichtig: Vom eigenhändigen Abkehren, Abspritzen oder gar Abflammen ist absolut abzuraten, da dabei beträchtliche Mengen Brennhaare aufgewirbelt und verteilt werden!
Überlassen Sie es in jedem Fall Fachleuten aus der Baumpflege oder Schädlingsbekämpfung, die Nester und Raupen zu entfernen. Diese rücken dem Problem mit Schutzanzügen und Atemmasken ausgestattet zu Leibe – meist entweder mithilfe spezieller Industriestaubsauger, oder indem sie die Nester mit einem Bindemittel einsprühen und dann einsammeln. Sie übernehmen auch die fachgerechte Entsorgung über die Müllverbrennungsanlage.
Letzte Aktualisierung: 10. Juli 2024
Weitere Informationen
Umweltbundesamt: Eichen-Prozessionsspinner FAQ
Julius Kühn-Institut: Flyer zum Eichen-Prozessionsspinner (PDF)