Was passiert mit den Kälbern von Milchkühen?
Kälber werden in der Regel wenige Stunden nach der Geburt von der Mutter getrennt. Ein Großteil der Tiere verlässt den Betrieb bereits nach wenigen Wochen.
Wenn eine Kuh auf einem Milchviehbetrieb ein Kalb zur Welt gebracht hat, bleibt es meist nur wenige Stunden bei der Mutter. In der Regel wird die Kuh nach der Geburt wieder in die Herde eingegliedert, während das Kalb getrennt von Mutter und Herde in einem speziellen Aufzuchtbereich mit anderen Kälbern untergebracht wird.
In den ersten Tagen nach der Geburt, erhält das Kalb noch die Milch der Mutter, die sogenannte Biestmilch. Sie enthält wichtige Stoffe, die das Immunsystem des Kalbs stärken. Die Biestmilch nimmt das Kalb nicht durch Saugen am Euter auf, sondern sie wird über ein Kälberfläschchen oder einen Tränkeeimer verabreicht. Anschließend erhält das Kalb entweder Vollmilch des Betriebs oder zugekauften Milchaustauscher – ein Milchpulver, das in warmes Wasser eingerührt wird.
Kälber werden zur Mast abgegeben
Für die männlichen Kälber und einen Teil der weiblichen Tiere haben Milchviehbetriebe in der Regel keine Verwendung. Sie bleiben deshalb meist nur wenige Wochen auf dem Betrieb und werden dann an spezialisierte Mastbetriebe abgegeben. Das gilt auch für die Bio-Milchviehhaltung. Die Bio-Bullenkälber werden in der Regel sogar ebenfalls an konventionelle Mäster abgegeben, weil es im Bio-Bereich zu wenig Mastbetriebe gibt.
Kälber aus der Milchviehhaltung wirtschaftlich zu mästen, ist jedoch schwierig. Denn die eingesetzten Rinderrassen sind auf hohe Milchleistung gezüchtet, nicht auf guten Fleischansatz. Zudem gibt es ein Überangebot an Kälbern aus der Milchviehhaltung, das zu einem Preisverfall geführt hat. Milchviehbetriebe erhalten für ein Kalb so wenig Geld, dass sich damit nicht einmal die Kosten für die wenige Wochen dauernde Aufzucht decken lassen. Deshalb verkaufen Milchviehbetriebe nicht benötigte Kälber so früh wie möglich.
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Oder lesen Sie hier die Antworten auf Fragen, die zum Umgang mit Kälbern aus der Milchviehhaltung bereits gestellt wurden:
Hoher Krankheitsdruck bei der Mast
Für die Mast werden die Kälber zum Teil über lange Strecken transportiert, zum Teil auch ins Ausland. Wichtigster Abnehmer sind die Niederlande, wo sich viele Betriebe auf die Kälbermast spezialisiert haben. Weil die Kälber auf den Mastbetrieben in Gruppen mit Tieren aus anderen Herden aufgestallt werden, ist die Gefahr einer Übertragung von Krankheiten groß. Deshalb werden in der Kälbermast vergleichsweise häufig Antibiotika eingesetzt.
Das Fleisch der Kälber, die im Alter von sieben bis acht Monaten geschlachtet werden, wird als Kalbfleisch vermarktet. Die überwiegende Anzahl der Kälber wird jedoch im Rahmen der Bullen- beziehungsweise Färsenmast weitere Monate gemästet und ist meist im Alter zwischen ein und zwei Jahren schlachtreif.
Tierschutzgesetz verbietet vorzeitige Tötung
Rein wirtschaftlich betrachtet, sind Bullenkälber aus der Milchviehhaltung zwar unerwünscht, sie frühzeitig zu töten, ist aber keine Lösung: nicht nur aus ethischen, sondern auch aus rechtlichen Gründen. Denn in Deutschland verbietet das Tierschutzgesetz ausdrücklich das Töten von Tieren ohne vernünftigen Grund.
Mit Blick auf das Tierwohl und die Tiergesundheit ist diese Praxis nicht optimal. Deshalb suchen Praxis und Forschung schon seit längerem nach einer Lösung für die im Grunde unerwünschten Kälber aus der Milchviehhaltung. Dabei wurden einige Erfolg versprechende Ansätze entwickelt, eine wirklich praktikable, wirtschaftliche und tiergerechte Lösung für den Umgang mit männlichen Kälbern gibt es aber derzeit noch nicht.
Ein Ansatz zielt darauf ab, möglichst wenig Bullenkälber zu erzeugen, da männliche Tiere nicht für die Milcherzeugung und nur sehr eingeschränkt für die Mast geeignet sind.
Mit sogenanntem gesextem Sperma lässt sich das Geschlecht der Kälber beeinflussen. Bei gesextem Sperma werden männliche und weibliche Spermien vorab getrennt. Auf diese Weise lässt sich der Anteil weiblicher Nachkommen in der Praxis auf etwa 90 Prozent steigern. Nachteil der Methode: Gesextes Sperma ist sehr teuer. Zudem erhöht sich durch die verringerte Spermienzahl das Risiko, dass die Kühe nach der Besamung nicht trächtig werden.
Außerdem ist zu bedenken, dass jeder Milchviehbetrieb immer nur eine bestimmte Anzahl an weiblichen Tieren für die Erneuerung des Bestandes verwenden kann: für jedes nachrückende weibliche Tier muss letztlich immer eine ältere Kuh weichen – das heißt geschlachtet werden. Der Ansatz, über die Spermiensortierung mehr weibliche Kälber zu erzeugen, wäre also nur bedingt von Nutzen, denn er würde ein anderes Problem forcieren: Durch das erhöhte Angebot an weiblichen Kälbern würden ältere Kühe, deren Nutzungsdauer heute ohnehin schon sehr kurz ist, noch früher ersetzt.
Bruderkalb-Initiative ermöglicht das Aufwachsen mit der Mutter
Einen anderen Weg geht man im Öko-Landbau. Hier gibt es inzwischen sogenannte Bruderkalb-Initiativen. Dahinter stehen Betriebe, die sich aktiv für eine tiergerechte Aufzucht der Kälber und die wirtschaftliche Vermarktung des Kalbfleischs einsetzen. Die Kälber bleiben nach der Geburt bei der Mutter oder werden von anderen Kühen gesäugt. Bis zur Schlachtung im Alter von fünf bis sechs Monaten sind sie Teil der Kuhherde und erhalten regelmäßig Weidegang. Das so erzeugte Bio-Kalbfleisch ist jedoch deutlich teurer als konventionelle Ware. Deshalb bleibt dieser Weg vorerst eine Nische.
Um die Wirtschaftlichkeit der Kälbermast zu verbessern, könnten die Betriebe auch ihre Besamungsstrategie anpassen. Würde man die Kühe mit Bullen besamen, die neben einer guten Milchleistung auch einen höheren Fleischansatz vererben, ließe sich auch die Mastleistung der Kälber verbessern. Das würde die Vermarktung vereinfachen und höhere Preise ermöglichen. Gleichzeitig hätte das aber eine geringere Milchleistung zur Folge und würde das Besamungsmanagement aufwändiger machen.
Alternativ könnten Milchvieh-Betriebe auch komplett auf sogenannte Zweinutzungsrassen setzen, die einen guten Fleischansatz haben und eine relativ hohe Milchleistung. Gut geeignet ist zum Beispiel Fleckvieh, das vor allem in Süddeutschland auf vielen Betrieben gehalten wird. Allerdings ist die komplette Umstellung der Herde auf eine andere Rasse sehr aufwändig und mit hohen Kosten verbunden, insbesondere für spezialisierte Großbetriebe.
Langfristig könnte das Problem gelöst werden, indem man das Aufkommen an Kälbern in der Milchviehhaltung insgesamt verringert. Einen Lösungsansatz sehen Forschende darin, die Melkperiode der Kühe auf züchterischem Wege zu verlängern. Denn dann muss die Kuh für die erneute Kalbung und Melkperiode erst später wieder besamt werden. Die Zahl der Kälber würde sich dadurch also langfristig verringern.
Letzte Aktualisierung: 28. August 2024
Weitere Informationen
Oekolandbau.de: Mutter- und Kuhgebundene Kälberaufzucht
Oekolandbau.de: Betriebsporträt – Bruderkalb-Initiative Hohenlohe
Thünen-Institut: Die Kälber wieder bei den Müttern lassen
Bundesinformationszentrum Landwirtschaft (BZL): Was tun mit Bullenkälbern aus der Milchviehhaltung?