Ruft die Kuh nach der Trennung von ihrem Kalb nach dem Kälbchen?
Frage von Thomas Johann:
In unserem Ort befinden sich zwei Landwirte mit jeweils circa 200 Milchkühen. Wenn eine Kuh gekalbt hat, kommt sie auf eine extra Weide. Dort schreit die Kuh circa 2 Tage bis sie keinen Ton mehr herausbekommt.
Ruft die Kuh nach ihrem Kälbchen? Ist diese Vorgehensweise normal?
Antwort von Kirsten Wosnitza:
Vielen Dank für Ihre Frage. Diese Situation kennen wir. Wahrscheinlich wird die Kuh nach ihrem Kalb suchen. Der Mutterinstinkt ist auch bei Milchkühen vorhanden, wenn auch nicht so stark wie bei einigen Rinderrassen, die für die Fleischerzeugung gezüchtet sind.
Auf Milchviehbetrieben kalben die Kühe meist ohne fremde Hilfe in einer separaten Strohbox. Während die Kuh beim ersten Melken im Melkstand ist, wird das Kalb vom Abkalbebereich in den Kälberstall gebracht. Kommt die Kuh dann nach dem Melken in ihre Box zurück und findet das Kalb nicht mehr vor, beruhigt sie sich in der Regel relativ schnell. Je länger Kalb und Kuh zusammenbleiben, desto stärker entwickelt sich allerdings die Kuh-Kalb-Bindung, was dazu führen kann, dass die Kuh nach der Trennung nach ihrem Kalb sucht und nach ihm ruft. Man ist also immer wieder in dem Zwiespalt, Kuh und Kalb etwas mehr Zeit miteinander zu geben und dadurch aber auch einen größeren Trennungsschmerz zu erzeugen.
Auch auf unserem Hof ziehen wir unsere Kälber nicht mit den Kühen auf, obwohl wir das nicht ideal finden. Was sind unsere Gründe? Die meisten Höfe leben vom Verkauf der Milch. Bleibt das Kalb bei der Kuh, ist der fehlende Erlös der Milch deutlich größer als die Verwertung der Milch durch das Kalb. Die gemeinsame Haltung von Kühen und Kälbern erfordert deutlich mehr Arbeitszeit und erhebliche bauliche Veränderungen der vorhandenen Stallungen. Diese Mehraufwendungen und Investitionen müssen durch deutlich höhere Milchpreise entgolten werden, leider ist dies bisher nur in einem kleinen Premiumsegment am Milchmarkt der Fall.
Trotzdem gibt es einige Pionierbetriebe, die eine muttergebundene Kälberaufzucht umsetzen. Teilweise betreiben sie Direktvermarktung ihrer Milch oder sie haben sich einem speziellen Programm einer Molkerei angeschlossen und können dadurch den notwendigen höheren Preis für ihre Milch erzielen.
Wenn diese besonders tiergerechte Art der Haltung von Milchkühen und Kälbern Zukunft haben soll, müssen neue Voraussetzungen geschaffen werden:
- Verbraucher und Handel, die bereit sind, die notwendigen Milchpreise zu zahlen,
- Milchviehhalter, die bereit sind, neue Wege zu gehen,
- Förderprogramme, die helfen die Mehrkosten besonders tiergerechter Haltungssysteme auszugleichen,
- Wissenschaft und Beratung, die praxistaugliche Lösungen entwickeln und bei der Umsetzung unterstützen.
Es gibt schon Forschungsprojekte, wie eine muttergebundene Aufzucht in der Praxis umgesetzt werden kann, zum Beispiel:
Die Antworten werden vom Bundesinformationszentrum Landwirtschaft (BZL) inhaltlich nicht verändert. Sie spiegeln die Meinung der befragten Landwirtinnen und Landwirte wider und nicht zwangsläufig die des BZL.