Tierwohl und Umweltschutz – widerspricht sich das?
Die Gesellschaft fordert, dem Wohlergehen der Nutztiere mehr Bedeutung beizumessen. Dieses stellt die Tierhaltung vor besondere Herausforderungen - auch in puncto Umweltschutz.
Von den in Deutschland gehaltenen 21 Millionen Schweinen leben 95 Prozent in geschlossenen Stallanlagen, wo Temperatur und Licht steuerbar sind. Dort stehen jedem Schwein im Rahmen der Gruppenhaltung im Schnitt 0,75 bis 0,83 Quadratmeter zur Verfügung.
Mehr Tierwohl in der Schweinehaltung würde bedeuten, dass die Tiere im Stall mehr Platz bekommen. Zudem wäre aus Tierschutzsicht ein Auslauf wünschenswert, wo die Tiere dem Außenklima ausgesetzt sind und Luft und Sonne genießen können.
Das Problem mit solchen tierwohlfördernden Veränderungen ist jedoch, dass sie in Sachen Umwelt und Klima auch negative Effekte haben. In der Praxis haben vor allem die Umweltwirkungen von Gerüchen und Ammoniak hohe Relevanz.
Emissionen belasten die Umwelt
In der landwirtschaftlichen Tierhaltung versteht man unter Emission die Freisetzung von Gasen, Gerüchen und Staub. Diese Stoffe gelangen aus geschlossenen Ställen über die Abluftschächte nach draußen und belasten dort die Umwelt.
Bei offenen Ställen erfolgt die Emission über die offenen Seitenwände oder den Auslauf des Stalls. Für Um- und Neubauten von Schweineställen wird deshalb vor der Genehmigung die voraussichtliche Geruch- und Ammoniakverbreitung ermittelt.
Ammoniak schadet Umwelt und Gesundheit
Ammoniak ist ein stechend riechendes Gas, das negative Auswirkungen auf die Umwelt und die menschliche Gesundheit haben kann. Es schädigt Gewässer und Böden durch Versauerung und Nährstoffüberversorgung, einhergehend mit einer Veränderung und Abnahme der Artenvielfalt. Die Freisetzung von Ammoniak verursacht außerdem Feinstaubbildung und gefährdet damit die menschliche Gesundheit.
Ammoniak gilt als indirektes Treibhausgas, denn es kann zu Lachgas umgewandelt werden. Lachgas ist rund 300-mal so klimaschädlich wie Kohlendioxid.
Laut Umweltbundesamt stammen über 70 Prozent der Ammoniakemissionen in Deutschland aus der landwirtschaftlichen Tierhaltung. 43 Prozent entfallen dabei auf die Rinderhaltung, 19 Prozent auf die Schweinehaltung und acht Prozent auf die Geflügelhaltung.
Bei Schweinen entsteht Ammoniak überwiegend im Stall
Ammoniak entsteht, wenn Kot und Harn zusammentreffen. Dann zersetzen Bakterien aus dem Kot den im Harn enthaltenen Harnstoff zu Ammoniak und Kohlendioxid. Ein Teil entsteht bei der Lagerung und Ausbringung von Gülle und Mist, ein Teil aber auch schon im Stall. Letzteres ist vor allem in der Schweinehaltung der Fall.
Im Stall und im Auslauf findet der Prozess der Ammoniakfreisetzung überwiegend über den Lauf- und Liegeflächen statt. Wie viel Ammoniak freigesetzt wird, hängt dabei ganz wesentlich davon ab, wie groß die mit Kot und Harn verschmutzte Fläche ist. Daneben spielen Faktoren wie Temperatur, Luftfeuchte und der über die Fläche streichende Luftstrom eine Rolle.
In geschlossenen Ställen ist das weniger problematisch, da viele dieser Gebäude – vor allem Großbetriebe – über eine Abluftreinigung verfügen. Dabei handelt es sich um eine Anlage, die Ammoniak sowie unerwünschte Gerüche zu großen Teilen abfiltern kann. Zusammen mit hohen Schornsteinen, die die Emissionen in höhere Luftschichten verlagern, ist bei solchen Ställen weitestgehend gewährleistet, dass die Umwelt und angrenzende Anwohnerinnen und Anwohner so wenig wie möglich belastet werden.
Bei Haltungen mit Ausläufen ist das jedoch anders. In den Ausläufen kann die Abluft nicht über Filteranlagen gereinigt und entsprechend auch nicht über hohe Schornsteine abgeleitet werden. Ammoniak und Gerüche von den Lauf- und Liegeflächen gelangen somit meist direkt ins Freie. Gleiches gilt für sogenannte Offen- oder Außenklimaställe (mit und ohne Auslauf).
Außenklimaställe werden "frei" über die offenen Seitenwände gelüftet. Gerüche und Ammoniak gelangen somit über die Außenwände direkt nach draußen. Der Vorteil von Außenklimaställen ist jedoch, dass in ihnen – gleiche Stallfläche vorausgesetzt – aufgrund der niedrigeren Temperaturen insgesamt weniger Ammoniak emittiert wird als in geschlossenen, wärmegedämmten Ställen.
Stallumbauten und -neubauten benötigen Baugenehmigungen
Wenngleich es noch keine genauen Messdaten zur Umweltwirkung von Außenklimaställen und Ausläufen gibt, sind sich die Expertinnen und Experten darüber einig, dass Ammoniak sowie unerwünschte Gerüche bei tierfreundlichen Haltungen meist unmittelbarer an die nahe Umgebung abgeben werden. Das Ausmaß der Emissionen ist dabei unter anderem abhängig von der Tieranzahl, der Fütterung sowie dem Stallmanagement.
Diese Faktoren sind für die Genehmigung neuer Stallanlagen beziehungsweise für den Umbau bestehender Ställe sehr ausschlaggebend. Denn nach dem Gesetz ist der Schutz der Umwelt und der Nachbarschaft vor schädlichen Einwirkungen in jedem Fall sicherzustellen. Das führt dazu, dass in der Genehmigungspraxis die Umwelt dem Tierwohl vorgezogen wird, solange die Anforderungen der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung erfüllt sind.
Letztlich kann das dazu führen, dass tierfreundliche Stallneubauvorhaben nicht genehmigt werden. Das ist vor allem dort der Fall, wo in ortsnaher Lage gebaut werden soll oder wo es schon durch andere Tierhaltungsanlagen Vorbelastungen gibt.
Tierwohl und Umweltschutz sind vereinbar
Die gleichzeitige Forderung nach mehr Tierwohl und höheren Umweltstandards stellt die Gesellschaft sowie Tierhalterinnen und Tierhalter somit aktuell vor große Herausforderungen. Die gute Nachricht ist jedoch: es gibt Möglichkeiten.
Ein Weg, den Bau tierfreundlicher Ställe genehmigt zu bekommen, wäre, die Zahl der im Betrieb gehaltenen Tiere zu verringern. Nehmen die Betriebe gleichzeitig an einem Tierwohlprogramm teil, können sie für das Fleisch aus tierfreundlicherer Haltung bei der Vermarktung höhere Preise erzielen. Das würde einen Ausgleich für die geringere Menge an verkauften Schweinen bedeuten.
Darüber hinaus gibt es aber noch andere Ansatzpunkte, wie man die Ammoniakemissionen in tierfreundlichen Ställen minimieren kann – auch ohne, dass die Tierzahl reduziert werden muss. So können Schweinehalterinnen und Schweinehalter zum Beispiel über die Fütterung die Ammoniakemissionen senken – um bis zu 20 Prozent. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, das Platzangebot und die Einteilung der Stallabteile zu optimieren. Haben die Schweine genug Platz, so trennen sie ihre Lebensbereiche und schaffen sich feste Kot-, Fress- und Liegeplätze. Auf diese Weise kann die Fläche, auf der es tatsächlich zu einer Verschmutzung mit Kot und Harn kommt, auf ein Minimum reduziert werden. Auch ein häufigeres Entmisten oder die Überdachung der Ausläufe kann die Emissionen senken. Durch die Überdachung bleiben die Flächen trockener und erwärmen sich bei Sonneneinstrahlung nicht so stark, was die Ammoniakbildung insgesamt verringert.
Wissenschaft und Technik sind derzeit außerdem bestrebt, weitere Lösungen zu finden, wie man die Ammoniak-Emissionen auf technische Weise senken kann. Im Vordergrund stehen hier Ansätze, den Harn möglichst schnell vom Kot zu trennen, um die Bildung von Ammoniak zu minimieren. Auf diese Weise sollte in naher Zukunft eine tierfreundliche und zugleich umweltschonende Tierhaltung möglich sein.
Letzte Aktualiserung: 12. März 2024
Weitere Informationen
Umweltbundesamt 2021: Ammoniakemissionen in der Landwirtschaft mindern, Gute Fachliche Praxis
Praxis-Agrar.de: So lassen sich Ammoniakemissionen im Stall reduzieren
Praxis-Agrar.de: Milchviehställe für mehr Tierwohl und weniger Emissionen
KTBL: Tierschutz und Immissionsschutz – Ein Widerspruch? (PDF)
BLE: Gesamtbetriebliches Haltungskonzept Schwein – Mastschweine