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Mit dem Fischer auf See

Fischerei ist viel mehr als nur Fische fangen – ein Fischer gibt Einblick in seinen vielfältigen Berufsalltag.

Drei Fischer holen Heringe aus dem Netz
Das "Puken" der Heringe aus den Netzen ist mühsame Handarbeit.
Quelle: Manfred Klinkhardt

Der Fischer, präziser gesagt der Fischwirt "Küstenfischerei und Kleine Hochseefischerei", ist im Bereich der maritimen Berufe wie der Zehnkämpfer in der Leichtathletik. Die Tätigkeit in diesem Traditionsberuf beschränkt sich nämlich nicht allein auf den Fang von Fischen, Fischerinnen und Fischer müssen sehr vielen Ansprüche genügen - und die sind selbst in Zeiten zunehmender Mechanisierung immer noch hart.

Überstunden bei Wind und Wetter

Fischer arbeiten bei nahezu jedem Wetter, bei Wind und Wellen, Hitze und Kälte, auf einem schwankenden Schiff in der Natur. Die Planken an Bord sind rutschig, das Wasser häufig eiskalt und die vollen Netze schwer. Ein geregelter Acht-Stunden-Tag ist in der Fischerei praktisch unmöglich.

"Ich bin in der Hauptfangsaison sieben Tage die Woche auf See und arbeite dann täglich 13 bis 14 Stunden. Im Frühjahr geht’s auf Hering, im Sommer und Herbst sind hauptsächlich Plattfische dran", sagt Uwe Dunkelmann, ein Kutterfischer aus dem Ostseebad Boltenhagen, der den Beruf bereits seit 40 Jahren ausübt.

Wer auf einem Fischkutter arbeitet, muss eine breite Palette an Kenntnissen mitbringen. Besonders wichtig sind der Betrieb und die Sicherheit des Schiffes. Fischerinnen und Fischer müssen mit allen Maschinen, Geräten und Anlagen an Bord vertraut sein, von denen nicht nur ihre Fangausbeute und damit ihr wirtschaftlicher Erfolg, sondern in vielen Situationen auch ihre Gesundheit, nicht selten sogar ihr Leben abhängt. Uwe Dunkelmanns 10-Meter-Holzkutter „Uschi" stammt aus dem Jahr 1988: "Den hege und pflege ich, damit er mir immer treu und verlässlich dient".

Obwohl Fischerinnen und Fischern heute auf See viele Hilfsmittel wie Satelliten- und Radarnavigation oder Funksprechanlagen zur Verfügung stehen, sollten sie sich auch in der Nautik auskennen, um den Kutter sicher zum Fangplatz und wieder in den Heimathafen zurück steuern zu können. Vor dem Ablegen müssen sie die Wetterbedingungen prüfen, die Wetterkarte "lesen" und auch auf See immer die aktuellen meteorologischen Entwicklungen im Auge behalten.  

Die Bedienung, Instandsetzung und Pflege der Fanggeräte ist Voraussetzung für eine lohnende Fischerei. Das erfordert handwerkliche Fähigkeiten und eine gewisse Fingerfertigkeit, denn oft müssen Netze und sonstige Fanggeräte gleich vor Ort mit kältestarren Händen geflickt werden.

Als erfahrener Fischer weiß Uwe Dunkelmann, wann und wo es sich lohnt, die Netze auszubringen. Sein Fanggebiet ist die Mecklenburger Bucht, die Ostseegewässer von der Landesgrenze Schleswig-Holsteins bis nach Kühlungsborn. 

Stellnetze, Schleppnetze, Langleinen – Wie werden die Fische gefangen?

"Ich fische hauptsächlich mit Stellnetzen Dorsche und Heringe, das sind unsere "Brotfische". Im Sommer kommen noch Plattfische hinzu, also Scholle, Flunder und Steinbutt". Auch der Aal, der mit sogenannten Aalketten, einem Verbundsystem aus Korbreusen gefangen wird, ist wirtschaftlich wichtig.

Dunkelmann bringt immer mehrere Fanggeräte an verschiedenen Orten aus. "Im Prinzip weiß man nach vielen Jahren in diesem Geschäft, wann und wo die Fische sich zu welcher Jahreszeit und bei welchem Wetter besonders gerne aufhalten. Aber ganz sicher kann man nie sein, wir leben mit den Unwägbarkeiten der Natur und wer seine Fanggeräte klug verteilt, verbessert natürlich seine Chancen". 

Stellnetze und Aalkörbe zählen zu den "passiven" Fanggeräten, weil sie nicht – wie etwa die Schleppnetze – aktiv durch das Wasser gezogen werden. Passive Geräte stehen unbewegt im Wasser und die Fische schwimmen selber hinein. Stellnetze sind durch ihre definierten Maschenweiten sehr selektiv, das heißt sie fangen nur Fische bestimmter Größen, die in den Maschen stecken bleiben.

Ein entscheidender Vorteil solch passiver Fanggeräte ist die Einsparung von Treibstoff, weil die Fischerinnen und Fischer den Fischen nicht nachjagen, sondern nur zum Aussetzen der Netze und Körbe direkt zu den Fangplätzen hinausfahren, um sie nach ein oder zwei Tagen auf der gleichen Route wieder einzuholen oder zu "besehen", wie der Fischer sagt. Auch der Meeresboden wird mit diesen Fangmethoden geschont.

Darüber hinaus werden in der Hochsee- und Küstenfischerei noch weitere Fanggeräte eingesetzt. Hier wären vor allem Schleppnetze zu nennen. Aber auch beköderte Angelschnüre (Langleinen), an denen an einer Hauptleine Hunderte Haken in gleichem Abstand hängen, und fallenartige Systeme wie Hummerkörbe gehören zu den gängigen Fanggeräten.

Fangen allein reicht nicht – Verarbeitung und Vermarktung gehören auch dazu

Mehrere Krabbenkutter beim Auslaufen aus dem Hafen
Auf kleinen Kuttern ist Handarbeit gefragt.
Quelle: Manfred Klinkhardt

Mit dem Navigieren des Schiffes und dem Fang der Fische ist es aber selten getan, denn vor allem auf kleinen Kuttern wie der "Uschi" werden die Fische an Bord auch sofort be- oder verarbeitet. Das heißt, sie werden entweder nach Arten und Größen sortiert und eisgekühlt in Plastikkisten gelagert oder geschlachtet, ausgenommen und oft auch schon filetiert.

Das macht den Fischer nicht nur zum Fänger, sondern auch zum Verarbeiter des Fanges. Häufig kommt noch eine dritte Aufgabe hinzu, denn immer mehr Fischerinnen und Fischer versuchen, möglichst viele Fische ihres Fanges nach der Anlandung im Hafen direkt zu verkaufen. Teils gleich vom Kutter, teils an eigens errichten Verkaufsständen oder in speziellen Läden. Sie sind also auch noch Verkäufer ihrer Ware.

Kundinnen und Kunden nehmen dieses Angebot meist dankend an, weil sie so absolut sicher sein können, frischen Fisch zu erhalten. Den zünftigen Schnack mit Küchentipps für die Zubereitung und vielleicht etwas Seemannsgarn gibt`s oft gratis dazu. Das althergebrachte Bild vom wortkargen, mürrischen Fischer gehört längst der Vergangenheit an.

Auch Uwe Dunkelmann, dessen Großvater 1917 die Fischertradition der Familie begründete, nutzt die Vorteile der Direktvermarktung. "Der Fischerberuf hat sich stark verändert. Es reicht heute nicht, seinen Fang einfach nur auf die Pier zu stellen. Man muss die Vermarktung in die eigenen Hände nehmen. Auch Fischer müssen näher an die Konsumenten heranrücken." Fang, Verarbeitung und Verkauf – natürlich unter Einhaltung aller Hygienestandards – sind Grundvoraussetzungen eines erfolgreichen Geschäfts.

Vom Fischer zum Unternehmer

Deshalb hat Uwe Dunkelmann seinen einst reinen Fischereibetrieb zu einem ansehnlichen Kleinunternehmen entwickelt. Sein 2008 eröffneter Fischereihof in Tarnewitz ist mit Restaurant, Hofladen und Räucherei zu einem Anziehungspunkt für Einheimische und Touristen geworden, die hier eine breite Palette an Räucherfisch, Fischbrötchen sowie warmen Fischgerichten finden.

Die Kombination von Fischerei und Vermarktung verändert auch die Fischerei, weiß Uwe Dunkelmann: "Ich fische heute viel gezielter für den eigenen Verkauf, den Hofladen und das Restaurant. Mich interessieren deshalb keine Massenfänge, etwa zehn Kisten mit Schollen, sondern vor allem das, was die Gäste wünschen und die Küche sinnvoll nutzen kann."

Ohne Zukauf von Fischen kommt aber auch er nicht aus, denn manche Fischarten, die von Gästen und Kunden verlangt werden, zum Beispiel Heilbutt oder Rotbarsch, kommen in der Ostsee, seinem Fanggebiet, gar nicht vor.

Generell bietet die Fischerei viele Spezialisierungsmöglichkeiten – nicht nur die die Fischarten betreffend, sondern auch in Bezug auf die eingesetzten Fanggeräte, die Schiffstypen sowie die Hauptfanggebiete und –zeiten.

Muschelkutter besitzen spezielle Ausrüstungen zur Pflege der Bodenkulturen.
Quelle: Manfred Klinkhardt

Heringsfischer fischen oft zu anderen Zeiten, in anderen Gebieten und setzen andere Fanggeräte ein, als Fischerinnen und Fischer, die hauptsächlich Kabeljauen und Seelachsen nachstellen. Manche Betriebe haben sich auf Krabbenfischerei spezialisiert, andere auf den Fang von Muscheln oder Plattfischen.

Auch gefragt: Kenntnisse in Ökologie, Biologie und Bürokratie

In jedem Fall ist in diesem Beruf ein grundlegendes Verständnis der Meeresökologie und der fischereibiologischen Zusammenhänge erforderlich, um die Ressourcen nicht zu übernutzen und dadurch die Nachhaltigkeit der Fischerei zu gefährden. Uwe Dunkelmann fischt gemeinsam mit weiteren Fischerkollegen im Rahmen offiziell genehmigter Fangquoten, die der Fischereigenossenschaft Wismar jedes Jahr zugewiesen und von ihr verwaltet werden.

Wer angesichts der Vielzahl an Gesetzen, Vorschriften und Auflagen den Überblick behalten und alles korrekt umsetzen will, muss sich auch hier gründlich einarbeiten und regelmäßig fortbilden. Solcher "Bürokram" gehört ebenso zum Berufsbild wie ganz handfeste Aufgaben an Bord.

Denn zum Arbeitsalltag auf einem Fischkutter gehört es auch, sich um die gemeinsame Verpflegung zu kümmern, Mannschaftsräume und Toiletten zu reinigen oder das Schiff "aufzuklaren". So nennt es der Seemann, wenn er Ordnung an Bord macht, zum Beispiel Leinen so ordnet, dass sie sich beim Ankern oder Anlegen im Hafen nicht verheddern oder Fässer und Kisten festzurrt, damit sie bei Seegang nicht herumrutschen und vielleicht Menschen oder das Schiff gefährden.

Obendrein muss es auf einem Fischkutter zwischenmenschlich stimmen, denn wer viele Stunden, manchmal Tage oder Wochen zusammen auf engstem Raum zusammenlebt, muss sich verstehen und blind aufeinander verlassen können, etwa im Fall einer Havarie. Wissen und Kenntnisse kann man sich aneignen, soziales Verhalten und "menschliche Qualitäten" sollte man aber möglichst schon mitbringen.

Der Lohn für die harte Arbeit

Trotz der vielen Arbeit und den Härten und Entbehrungen, die diese Tätigkeit mit sich bringt, fällt es Fischern wie Uwe Dunkelmann schwer, sich einen anderen Beruf vorzustellen: "Was könnte schöner sein, als früh morgens die Maschine anzuschmeißen und mit dem Kutter aufs Meer raus zu fahren. Man arbeitet an der frischen Luft, erlebt die Naturgewalten und spürt intensiv, dass man lebt. Wenn dann noch ein malerischer Sonnenaufgang dazukommt und ein paar Fische im Netz zappeln, ist das Glück des Fischers vollkommen".

Dabei wollte er ursprünglich gar kein Fischer werden. Doch nach dem Abschluss der Lehre zum Facharbeiter für Elektronik zog es ihn zurück an die Küste und er begann im väterlichen Fischereibetrieb. Er setzte sich noch einmal auf die Schulbank, absolvierte eine weitere Lehre zum Facharbeiter der kleinen Küsten- und Hochseefischerei und erwarb die seemännischen Patente für die selbstständige Fischerei.

Seit Uwe Dunkelmann die Meisterprüfung zum Fischwirtschaftsmeister erfolgreich abgeschlossen hat, darf er auch Azubis ausbilden. "Momentan habe ich einen Azubi mit an Bord, ansonsten einen Angestellten." Er hofft natürlich, dass die Fischertradition der Familie erhalten bleibt: "Es wäre schön, wenn es klappen würde."


Weitere Informationen

Nutztierhaltung.de: Fischerei und Aquakultur in Deutschland

Bildungsserveragrar.de: Grüne Berufe - Fischwirt (w/m/d)

Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL): Fischerei in Deutschland - Verantwortliche Nutzung natürlicher Ressourcen (Video)


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