Wie arbeitet ein Teichwirt?
Fische füttern und Wasserwerte messen allein reicht nicht. Die Anforderungen an Teichwirtinnen und Teichwirte sind wesentlich umfangreicher.
Der Fisch, der auf deutschen Tellern landet stammt meist aus dem Ausland. Die Versorgung des deutschen Marktes wird zu rund 83 Prozent durch Importe gedeckt. Doch auch die einheimischen Fischwirte und Fischwirtinnen leisten mit jährlich rund 195.000 Tonnen Fanggewicht einen gewichtigen Beitrag.
Während "Fischwirtinnen und Fischwirte für die Küstenfischerei und Kleine Hochseefischerei" auf den Meeren unterwegs sind, werfen "Fischwirtinnen und Fischwirte für Aquakultur und Binnenfischerei" ihre Netze in Binnengewässern aus. Oder sie beschäftigen sich in Teichwirtschaften mit der Aufzucht und Haltung von Fischen, hauptsächlich Karpfen und Forellen, sowie Krebstieren oder Muscheln.
Teichwirtinnen und Teichwirte arbeiten bei jedem Wetter in der freien Natur. Sie sorgen dafür, dass die Fische sich ausreichend vermehren und ziehen den Nachwuchs groß – bis er entweder als Speisefisch vermarktet werden oder zum Besatz natürlicher Gewässer verwendet werden kann, um aquatische Ökosysteme zu stabilisieren und zu bereichern.
Teichwirtschaft hat Tradition
Zu den traditionellen Teichwirtschaften Deutschlands, deren Geschichte oft Jahrhunderte zurückreicht, gehören die Aschauteiche, nördlich von Eschede. Das 86 Hektar große Teichgebiet wurde zwischen 1903 und 1906 geschaffen. Es umfasst mehr als 50 Teiche, deren Flächen von 30 Quadratmetern bis zu neun Hektar reichen.
Durch die extensive Bewirtschaftung der Teiche ist eine einzigartige Kulturlandschaft entstanden. Unter diesen naturnahen Bedingungen wachsen hier besonders robuste und vitale Fische auf. Neben den Hauptprodukten Karpfen, Schleie, Hecht und Goldorfe gehören dazu auch Biotopfische wie Gründlinge, Rotaugen und Stichlinge. In einigen Teichen wachsen zudem Bitterlinge, Teichmuscheln und Edelkrebse auf.
Auch mehr als einhundert Jahre nach ihrer Gründung sind die Aschauteiche ein klassisches Familienunternehmen. Torben Heese, der Urenkel des Gründers, leitet den Betrieb seit 2006 in vierter Generation.
Er hat in Göttingen sein Studium als Master of Science Agriculture mit der Spezialisierung auf Fisch abgeschlossen und findet die Arbeit als Teichwirt auch nach so vielen Jahren immer noch reizvoll und interessant:
"Die Arbeit mit lebenden Tieren, das Managen eines Fischbestandes, ist ja grundsätzlich spannend, doch als Teichwirt ist man tagtäglich mit neuen Herausforderungen konfrontiert. In der Wachstumsperiode füttert man die Fische ein halbes Jahr lang und sieht sie dabei zwar manchmal, erfährt das konkrete Ergebnis, also wie gut sie abgewachsen sind, jedoch eigentlich erst beim Abfischen".
Dann erst hat Heese Gewissheit, ob er das angepeilte Ziel – Fischerträge von 500 Kilogramm pro Hektar bei maximal 30 Prozent Getreidezufütterung – erreicht hat.
Die Karpfenaufzucht folgt einem dreijährigen Rhythmus
Die Karpfenaufzucht in traditionellen Teichwirtschaften erfolgt im sogenannten dreijährigen Umtrieb. "Es braucht drei Jahre vom Ei bis zum marktreifen Speisefisch. In den warmen Monaten von Frühjahr bis Herbst bleiben die Tiere in den Abwachsteichen, wo sie sich zu mehr als zwei Dritteln von natürlichem Futter ernähren und heranwachsen. Im Herbst wird abgefischt und sortiert. Die großen Tiere verkaufen wir als Speisefische, die kleinen kommen in die Überwinterungsteiche", so Heese.
Winterteiche sind selten größer als einen halben Hektar und mit 1,5 bis 2,5 Metern vergleichsweise tief, weshalb sie im Winter nicht durchfrieren. Die Winterung der Fische in diesen Teichen ermöglicht es, die Produktionsteiche trocken zu legen und zu pflegen und zum Beispiel den Schlamm zu entfernen. Während der Winterung wird zwar nur sparsam gefüttert, doch Fische mit guter Kondition und einem Fettgehalt über sieben Prozent überstehen diese Zeit meist problemlos.
Auch in dieser Phase gibt es für den Teichwirt reichlich zu tun. Die Teiche und Teichdämme müssen gepflegt, die Fische gefüttert und die Wasserwerte regelmäßig kontrolliert werden. Verständnis für biologische Prozesse und wasserchemische Kenntnisse sind im Berufsalltag einer Teichwirtin oder eines Teichwirtes unverzichtbar.
Ohnehin ist die Tätigkeit äußerst vielseitig und abwechslungsreich. Neben der Arbeit am lebenden Fischbestand müssen zum Beispiel Fanggeräte gewartet, Netze geflickt, Fahrzeuge, Geräte und Maschinen bewegt und repariert werden.
Besonders wichtig sei körperliche Fitness und Freude an manueller Arbeit, erklärt Torben Heese: "Auch im Zeitalter von Automatisierung erfordert der Beruf Fischwirt immer noch reichlich körperliche Arbeit. Viele Tätigkeiten in der Karpfenteichwirtschaft lassen sich nicht oder nur schwer mechanisieren. Das Fitnessstudio am Abend kann man sich häufig sparen".
Die Aschauteiche sind auch ein Ausbildungsbetrieb. Drei Azubis bildet der Betrieb derzeit aus, wobei sich vorwiegend männliche Bewerber für diesen Beruf interessieren.
Viel Arbeit im Frühjahr
Die Arbeit in einer Teichwirtschaft wird vom Rhythmus der Jahreszeiten bestimmt, ihr Erfolg hängt stark von den Unwägbarkeiten der Natur ab. Im Frühjahr gibt es besonders viel zu tun, berichtet Torben Heese:
"Nach der Winterpause füllen wir die Produktionsteiche wieder und besetzen sie mit den Fischen aus der Überwinterung. Als Vollbetrieb produzieren wir unsere Karpfen- und Schleienbrut selbst. Dazu wählen wir geeignete Elterntiere aus und setzen sie zum Ablaichen in kleine Dubischteiche, die sich in der Frühjahrssonne schneller erwärmen".
Der produzierte Nachwuchs deckt nicht nur den Bedarf des eigenen Betriebes, sondern wird teilweise auch an andere Abnehmer verkauft.
Vollbetriebe wie die Aschauteiche brauchen gewöhnlich mehrere Standbeine, denn von der Fischproduktion allein könnten sie wirtschaftlich kaum bestehen. Erst die Kombination mit der Verarbeitung und Direktvermarktung der erzeugten Fische ermöglicht den Fortbestand des Traditionsbetriebes, erklärt der Teichwirt:
"Wir versuchen, so viel Fisch wie möglich über den eigenen Hofladen direkt zu vermarkten und beliefern zudem Gastronomiebetriebe im Umkreis. Dieses Konzept erfordert die Verarbeitung und Veredlung der Fische im Betrieb", erklärt Hesse.
Besonders beliebt sind deftige Räuchererzeugnisse von Karpfen und Schleien, die jeden Tag im Erlenholzrauch hängen. Auch Aale und Forellen, die Heese von Stammlieferanten bezieht, werden auf diese Weise veredelt.
Dem Teichwirt erwachsen aus diesem Konzept aber natürlich auch weitere Aufgabenfelder. Umfangreiche Kenntnisse zu Schlachtung und Verarbeitung in Einklang mit den geltenden Hygienestandards sind ebenso gefragt wie Knowhow in Sachen Verkauf und Belieferung der Kunden.
"Die größte Herausforderung besteht für mich darin, die Gesamtwirtschaftlichkeit des Betriebes aufrecht zu erhalten", sagt Heese. "Mit der Aufzucht von Karpfen allein ist das nicht zu leisten. Obwohl die Nachfrage in den letzten Jahren wieder steigt, weil die Empfehlungen der Einkaufsführer von Umweltverbänden Wirkung zeigen und neue Verarbeitungsformen wie grätengeschnittene Karpfenfilets mehr Zuspruch finden, ist die Produktion seit Jahrzehnten defizitär. Wir leben sozusagen von der Substanz."
Drei Jahre bis zur Marktreife sind eine lange Zeit, in der erhebliche Kosten anfallen. Das macht Karpfen gegenüber anderen Fischarten relativ teuer und schmälert seine Chancen im Wettbewerb mit anderen Produkten in der Fischtheke.
Teichwirtschaften sind Teil der Kulturlandschaft
Zumindest einen Teil der Kosten kann Torben Heese durch finanzielle Zuschüsse aus Landes- und EU-Töpfen ausgleichen, die er für seine Arbeitsleistungen beim Natur- und Artenschutz erhält.
Traditionelle Teichwirtschaften gehören zu unserer Kulturlandschaft und sind ein wichtiger Lebens- und Rückzugsraum für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten. Der Betrieb im Naturpark Südheide ist Teil eines Wasserschutzgebietes und seit 1987 Vogelschutzgebiet; seit 2003 sogar von EU-weiter Bedeutung.
Mit ihren Teichen und kleinen Mooren ist die Landschaft als Natura 2000-Region dem Fauna-Flora-Habitat-Gebiet 86 "Lachte-Lutter-Aschau" zugeordnet und steht damit unter besonderem Schutz. Torben Heeses Betrieb sorgt durch die Bewirtschaftung für den Erhalt der Gewässer und Uferzonen, wovon vor allem die Vogelwelt und andere Tierarten profitieren, die in Feuchtgebieten leben.
Ungebetene Gäste: Fischotter und Kormoran
Allerdings verursachen manche dieser "Gäste" auch Kosten, denn die Teichwirtschaft leidet unter den Fraß- und Wachstumsverlusten durch Räuber. Sie sind kaum zu verhindern und schwer kalkulierbar. "Der Fischotter kommt nachts und die Kormorane am Tag. Dadurch stehen die Fische ständig unter Stress, sie fressen und wachsen schlecht".
Fische, die beim Angriff verletzt werden, lassen sich mit ihren Wunden und Narben nicht vermarkten. Darum sei ein fairer finanzieller Ausgleich für die alljährlichen Fischverluste gerechtfertigt, um die Umwelt- und Naturschutzmaßnahmen langfristig durchhalten zu können, sagt Heese.
"Ohne diese Beihilfen müssten wir die genutzte Teichfläche verkleinern und intensiv nur so viel produzieren, wie sich direkt vermarkten lässt, um die Kosten zu reduzieren. Das entspricht aber nicht meinem Bild von traditioneller Teichwirtschaft und läuft unseren Bemühungen um eine umweltverträgliche Karpfenproduktion zuwider".
Die notwendigen Anträge, Berichte, Dokumentationen und Audits zwingen den Teichwirt oft an den Schreibtisch. "Die Verwaltungsarbeit im Büro nimmt stetig zu. Die zuständigen Behörden verlangen für alles Mögliche schriftliche Nachweise und aktuelle Meldungen. Ich werde langsam zum Bürotiger", schildert Heese den weniger geliebten Teil seiner Arbeit.
Auch hier ist Vielseitigkeit gefragt, denn Teichwirtinnen oder Teichwirte sollten sich auch mit arbeitsrechtlichen Belangen, betrieblichen Vorschriften, Gewässerschutz-Verordnungen und vielen anderen gesetzlichen Auflagen auskennen.
Letzte Aktualisierung: 24. März 2024
Weitere Informationen
Nutztierhaltung.de: Fischerei und Aquakultur in Deutschland
Nutztierhaltung.de: Ökologische Aquakultur
Bildungsserveragrar.de: Grüne Berufe - Fischwirt/Fischwirtin