Wo steht die deutsche Landwirtschaft heute?
Die Zahlen aus der letzten großen Landwirtschaftszählung zeigen: Der Wandel in der deutschen Landwirtschaft hält an.
Alle zehn Jahre sammelt und verarbeitet das Statistische Bundesamt in einer umfassenden statistischen Maßnahme – kurz "Landwirtschaftszählung" genannt – Daten zur deutschen Landwirtschaft.
Erfasst werden zum Beispiel Informationen darüber, wie sich die Zahl und die Größenstruktur der landwirtschaftlichen Betriebe entwickelt hat, welche Kulturen auf den Feldern angebaut werden, wie das Vieh gehalten wird, wie viele Menschen in der Landwirtschaft arbeiten oder wie die sozialen Bedingungen sind.
Die Ergebnisse der Landwirtschaftszählung werden von der Öffentlichkeit, der Forschung und politischen Entscheidungsträgern genutzt, um die Situation der Agrarwirtschaft besser verstehen und beschreiben zu können.
Strukturwandel in der Landwirtschaft setzt sich fort
Die Zahlen der Landwirtschaftszählung 2020 zeigen ganz deutlich: Der Strukturwandel, der in der Landwirtschaft schon seit einigen Jahrzehnten zu beobachten ist, hält weiterhin an. Ein guter Indikator dafür ist die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe.
Sie ist zwischen 2010 und 2020 um weitere 12 Prozent gesunken, auf 263.500. Im Vergleich zu 2001 bedeutet das sogar einen Rückgang um 40 Prozent. Die Betriebsgrößen nehmen dafür immer mehr zu. War ein Betrieb 2010 im Schnitt noch 56 Hektar groß, erhöhte sich diese Fläche 2020 auf etwa 63 Hektar.
Betriebsgrößen regional sehr unterschiedlich
Die Größenstruktur der Betriebe in Deutschland ist regional sehr unterschiedlich, was historische Gründe hat. In Bayern und Baden-Württemberg sind wegen der früher angewendeten Erbteilung auf alle Nachfahren eher kleine Betriebe zu finden. Die landwirtschaftlich genutzte Fläche pro Betrieb liegt dort im Durchschnitt bei 36 Hektar.
Im Norden Deutschlands gibt es wegen des dort vorherrschenden Anerbenrechts mit durchschnittlich 81 Hektar in Schleswig-Holstein und 73 Hektar in Niedersachen deutlich größere Betriebe.
Die größten Landwirtschaftsbetriebe findet man jedoch in Ostdeutschland. Das liegt daran, dass dort nach der Wende die alten Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPGs) in entsprechend große Nachfolgebetriebe überführt wurden. Spitzenreiter sind Mecklenburg-Vorpommern mit durchschnittlich 282 Hektar und Sachsen-Anhalt mit 267 Hektar pro Betrieb.
Wer leistet die Arbeit auf Deutschlands Höfen?
2020 arbeiteten rund 937.000 Arbeitskräfte in der deutschen Landwirtschaft und damit 13 Prozent weniger als noch 2010. Die Gründe für den Rückgang liegen vor allem in der Tierhaltung: Zum einen gibt es immer weniger Tierhaltungen. Zum anderen werden die verbliebenen Betriebe immer größer und sind stärker technisiert.
Ein gutes Drittel aller Arbeitskräfte in der deutschen Landwirtschaft ist weiblich. Allerdings sind Betriebsleiterinnen stark unterrepräsentiert: Bundesweit wird nur jeder neunte Betrieb von einer Frau geführt.
Knapp die Hälfte aller Arbeitskräfte in der Landwirtschaft sind Familienarbeitskräfte: ein Viertel davon dauerhaft angestellt, knapp ein Drittel sind Saisonarbeitskräfte. Ein immer größer werdender Teil der zu erledigenden Arbeiten wird heute durch externe Dienstleister wie Lohnunternehmer oder Maschinenringe erbracht.
Starker Wandel in der Nutztierhaltung
Der Strukturwandel der Landwirtschaft wird besonders deutlich in der Nutztierhaltung. So ist die Zahl der tierhaltenden Betriebe zwischen 2010 und 2020 um mehr als ein Fünftel zurückgegangen. Am deutlichsten zeigt sich der Rückgang bei den schweinehaltenden Betrieben: Deren Zahl hat sich seit 2010 fast halbiert. Die Zahl der Milchviehbetriebe ging aber mit 40 Prozent ebenfalls stark zurück.
Die aufgegebenen Nutztierbestände wurden von den verbleibenden Betrieben größtenteils übernommen, mit der Folge, dass seit 2010 die Tierzahlen pro Betrieb stark angewachsen sind. Sehr deutlich zeigt sich das vor allem in der Schweinehaltung: Während 2010 im Schnitt noch 459 Schweine pro Betrieb gehalten wurden, waren es 2020 schon 827.
Intensive Tierhaltung vor allem im Nordwesten Deutschlands
Was sind Großvieheinheiten?
Die Viehdichte wird in Großvieheinheiten (GV) pro Hektar landwirtschaftlich genutzter Fläche angegeben. Eine GV entspricht 500 Kilogramm. Das ist in etwa so viel wie das Gewicht von einer Milchkuh oder fünf schlachtreifen Mastschweinen.
Die Intensität der Tierhaltung ist in Deutschland nach wie vor regional sehr unterschiedlich ausgeprägt. Besonders hoch ist die Viehdichte, das heißt die Anzahl Nutztiere je Hektar landwirtschaftlich genutzter Fläche, in Niedersachen und Nordrhein-Westfalen.
Während in Deutschland im Durchschnitt 1,1 Großvieheinheiten (GV, siehe Infokasten) pro Hektar gehalten werden, kommt man in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen im Schnitt auf 1,6 GV. In manchen viehintensiven Regionen Nordwestdeutschlands werden sogar mehr als drei GV pro Hektar gehalten.
Die Tierhaltung in den einzelnen Bundesländern wird auch von unterschiedlichen Tierarten bestimmt. In Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen findet man mehr als die Hälfte alle deutschen Schweine, beinahe die Hälfte allen Geflügels wird allein in Niedersachen gehalten. Die meisten Rinder stehen dagegen in Bayern (26 Prozent).
Rinderställe werden immer komfortabler
Bei den Rindern fällt auf: Die Haltung in Laufställen, in denen sich die Tiere frei bewegen können und mehr Komfort genießen, hat im betrachteten Zeitraum zugenommen: von 73 Prozent (2010) auf 83 Prozent (2020). Die wenig tiergerechte Anbindehaltung, bei der die Tiere einen Großteil des Tages an einem Platz im Stall angebunden sind, ist zwischen 2010 und 2020 um 62 Prozent zurückgegangen: 2020 befanden sich nur noch 10 Prozent aller Haltungsplätze für Rinder in solchen Anbindeställen.
Schweine überwiegend auf Spaltenböden
Der Tierkomfort in den deutschen Schweineställen hat sich dagegen in den vergangenen zehn Jahren eher verschlechtert: Rund 80 Prozent aller Schweine wurden 2020 auf Vollspaltenböden gehalten. 2010 waren es noch 12 Prozent weniger. In der Regel bestehen Vollspaltenböden aus Beton und haben Schlitze, durch die die Tiere ihre Exkremente in die darunterliegenden Gülleschächte treten.
Legehennen: Freilandhaltung hat stark zugenommen
In der Legehennenhaltung ist die Bodenhaltung nach wie vor die dominierende Haltungsform. Stark an Bedeutung gewonnen hat in den vergangenen Jahren die Freilandhaltung. Die Zahl an Freilandhaltungsplätzen erhöhte sich zwischen 2010 und 2020 von 7,1 auf 18,9 Millionen. Auf die Käfighaltung, die ab 2025 komplett verboten sein wird, entfallen nur noch vier Prozent aller Plätze.
Mehr Silomais, Leguminosen und Zwischenfrüchte, weniger Raps
Die landwirtschaftlich genutzte Fläche in Deutschland lag 2020 bei 16,6 Millionen Hektar und hat damit im Vergleich zu 2010 nur um ein Prozent abgenommen. Von diesen Flächen sind unverändert 70 Prozent Ackerland und 28 Prozent Wiesen und Weiden. Auf dem Rest werden Obst, Wein und andere Dauerkulturen angebaut.
Beträchtlich zurückgegangen ist die Anbaufläche von Winterraps, der hierzulande anbaustärksten Ölfrucht – und zwar um 34 Prozent im Vergleich zu 2010. Gründe dafür sind unter anderem die zunehmende Trockenheit und längere Hitzeperioden, gesunkene Preise sowie das Verbot einiger für den Rapsanbau wichtiger Schädlingsbekämpfungsmittel.
Dagegen hat der Anbau von Silomais zwischen 2010 und 2020 um 26 Prozent zugenommen. Dem Silomais kommt sowohl als Grundfutter in der Rinderhaltung als auch bei der Erzeugung von Biogas eine bedeutende Rolle zu.
Dass auch agrarpolitische Rahmenbedingungen und Fördermaßnahmen Auswirkungen auf die Anbaustruktur haben, zeigt zum Beispiel der zunehmende Anbau von Leguminosen. Zu den in Deutschland verbreiteten Leguminosen zählen Klee und Luzerne, sowie Erbsen, Ackerbohnen, Lupinen und Soja.
Der Anbau von Leguminosen zur Ganzpflanzenernte (Klee und Luzerne) hat zwischen 2010 und 2020 um 36 Prozent zugenommen. Die Anbaufläche für Ackerbohnen hat sich verdreieinhalbfacht, die für Soja seit 2016 mehr als verdoppelt. Gemessen am enormen Verbrauch fällt das jedoch nach wie vor kaum ins Gewicht: die in Deutschland geernteten Sojabohnen decken gerade einmal zwei Prozent des hiesigen Bedarfs.
Auch der Anbau von Zwischenfrüchten ist förderfähig und hat damit eine deutliche Steigerung erfahren. Die Anbaufläche ist zwischen 2010 und 2020 um zwei Drittel angestiegen. Als Zwischenfruchtanbau bezeichnet man den Anbau von Ackerkulturen zwischen zwei aufeinander folgenden Hauptfrüchten.
Typische Zwischenfrüchte sind Senf, Grünroggen, Rübsen oder Mischungen aus verschiedenen Pflanzenarten. Der Anbau von Zwischenfrüchten dient in der Regel als Futter und Gründüngung und verhindert, in der feucht-kalten Jahreszeit, dass Nährstoffe ins Grundwasser ausgewaschen werden.
Immer mehr Öko-Landbau
Die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe, die nach den Regeln des ökologischen Landbaus wirtschaften, hat zwischen 2010 und 2020 um 60 Prozent zugenommen. Damit waren 2020 rund 10 Prozent aller landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland Öko-Betriebe. Die ökologisch bewirtschaftete Fläche ist sogar um 69 Prozent gestiegen, auf rund 1,6 Millionen Hektar (9,6 Prozent der gesamten landwirtschaftlich genutzten Fläche).
Bei den Nutztieren haben die Öko-Ziegen mit 34 Prozent und die Öko-Schafe mit 14 Prozent die größte Bedeutung am jeweiligen Gesamttierbestand in Deutschland. Dahinter kommen die Öko-Rinder mit acht Prozent. Ebenfalls bedeutend ist das Öko-Geflügel mit fünf Prozent. Ökologisch gehaltenen Schweine haben dagegen nur einen Anteil von einem Prozent am gesamten Schweinebestand in Deutschland.
Letzte Aktualisierung: 11. August 2023