Was ist nachhaltige Landwirtschaft?
Die moderne Landwirtschaft muss nachhaltiger werden, wird immer wieder gefordert. Aber was macht eine nachhaltige Landwirtschaft überhaupt aus?
Mit Rücksicht auf die Natur genügend Nahrungsmittel produzieren, um selbst davon leben und später den Betrieb in die Hände der nächsten Generation übergeben zu können – dieses Prinzip der Nachhaltigkeit war seit jeher eine wichtige Richtschnur für Landwirtinnen und Landwirte.
Und doch hat die Landwirtschaft seit einigen Jahrzehnten auf vielen Gebieten den Pfad der Nachhaltigkeit verlassen und die Stimmen der Kritikerinnen und Kritiker, die eine Abkehr vom heutigen Modell der Landwirtschaft fordern, werden immer lauter und zahlreicher.
Auch wenn manche Themen stark polarisieren, sind es nicht nur Umwelt- und Naturschutzverbände, sondern auch viele Landwirtinnen und Landwirte, die sich für ein Umsteuern auf nachhaltigere Wirtschaftsweisen aussprechen.
Aber wo ist die Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft auf der Strecke geblieben, wie könnte eine zukunftsfähige Landwirtschaft aussehen und was versteht man überhaupt konkret unter nachhaltiger Landwirtschaft?
Nachhaltigkeit - eine Begriffserklärung
Der Begriff "Nachhaltigkeit" ist schon über 300 Jahre alt und stammt aus der Forstwirtschaft. Dem Grundsatz der nachhaltigen Waldnutzung zufolge sollte nicht mehr Holz gefällt werden, als auch nachwachsen kann. Auf diese Weise sollte der Wald erhalten und über Generationen hinweg nutzbar gemacht werden.
Seinen Durchbruch als allumfassendes Handlungsprinzip und weltweit anerkanntes Leitbild feierte das Konzept der Nachhaltigkeit aber erst 1992 auf der UN-Umweltkonferenz von Rio. Das Leitbild basiert im Wesentlichen auf drei Säulen, die für eine nachhaltige Entwicklung in Einklang gebracht werden müssen: ökologische Verträglichkeit, soziale Gerechtigkeit und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit.
Zudem erfordert nachhaltige Entwicklung auch generationenübergreifende Gerechtigkeit dahingehend, dass die Menschheit nicht auf Kosten nachfolgender Generationen leben darf – ein Aspekt, der im Zusammenhang mit der Klimaerwärmung viel diskutiert wird.
Die Intensivierung der Landwirtschaft
Etwa seit Mitte des vergangenen Jahrhunderts konnte die landwirtschaftliche Produktion in Deutschland durch Intensivierung um ein Vielfaches erhöht werden. Der Einsatz von Maschinen, moderne Züchtung sowie Pflanzenschutz und Düngung führten über die Jahrzehnte dazu, dass ein Landwirt nicht mehr bloß 17 Menschen ernähren konnte – wie im Jahr 1960 – sondern 139 (Stand 2021). Heute gibt es in Deutschland genügend Lebensmittel zu angemessenen Preisen für alle. Ähnlich sieht es in anderen Ländern Europas und der Welt aus.
Probleme der Intensivierung
Die Intensivierung der Landwirtschaft hat aber auch zu Problemen geführt. So sind viele Böden heute – vor allem infolge einseitiger Bewirtschaftung – geschädigt und Gewässer durch Dünger und Pestizide belastet. Pflanzennährstoffe, allen voran Phosphor, werden zunehmend knapper und die Zahl und Vielfalt an Insekten und Wildpflanzen hat in den letzten Jahrzehnten stark abgenommen. Immer mehr Bakterien werden gegen Antibiotika resistent – mitunter eine Folge des übermäßigen Einsatzes von Antibiotika in der Tierhaltung.
Und auch der Klimawandel – zum Teil mitverursacht durch die Landwirtschaft –führt in Form von Dürre und Starkregen zu immer mehr Problemen für die landwirtschaftliche Erzeugung.
An alledem ist nicht die Landwirtschaft allein schuld. So tragen zum Beispiel Autoverkehr und Industrie sehr viel mehr zum Klimawandel bei, fruchtbare Böden gehen auch durch den zunehmenden Siedlungs- und Verkehrsbau verloren und auch für das Insektensterben gibt es weitere Ursachen, wie zum Beispiel Lichtverschmutzung und den zunehmend beschleunigten Verkehr.
Die Landwirtschaft trägt jedoch einen nicht unerheblichen Teil dazu bei und schadet sich letztendlich damit selbst, indem sie die begrenzten natürlichen Ressourcen gefährdet, von denen sie abhängig ist – allen voran Boden, Wasser, Nährstoffe und Biodiversität.
Nachhaltige Landwirtschaft als Lösung
Es stellt sich also die Frage, wie die landwirtschaftliche Produktion der Zukunft gestaltet sein muss, um die Ernährung der Bevölkerung zu sichern, ohne ihre eigenen Produktionsgrundlagen zu zerstören. Angesichts der global stark wachsenden Bevölkerung ist dies eine nicht zu unterschätzende Aufgabe: Berechnungen der Vereinten Nationen zufolge wird die Weltbevölkerung allein in den nächsten 30 Jahren um rund 25 Prozent anwachsen, auf über zehn Milliarden Menschen.
Die Antwort: Wir brauchen eine produktive und gleichzeitig ressourcen- und umweltschonende Landwirtschaft, die darüber hinaus auch noch sozial verträglich ist – sprich eine nachhaltige Landwirtschaft. Doch wie sieht die aus?
Eine nachhaltige Landwirtschaft
- arbeitet so, dass die schädlichen Auswirkungen auf Klima, Boden, Wasser, Luft und Artenvielfalt sowie das Wohl der Tiere und die Gesundheit der Menschen abnehmen,
- stellt sicher, dass die grundlegenden Bedürfnisse an Nahrung und landwirtschaftlichen Rohstoffen von heutigen und zukünftigen Generationen in Qualität und Menge befriedigt werden,
- setzt so wenig wie möglich fossile, nicht regenerierbare Betriebsmittel (beispielsweise auf Basis von Erdöl) ein,
- wirtschaftet überwiegend regional,
- sorgt für langfristige Beschäftigungsverhältnisse, zufriedenstellendes Einkommen sowie würdige und gleichberechtigte Arbeitsbedingungen für alle in der Landwirtschaft arbeitenden Menschen,
- ist wenig anfällig gegenüber ungünstigen Einflüssen wie zum Beispiel Klimaveränderungen oder hohe Preisschwankungen.
Öko-Landbau = nachhaltige Landwirtschaft?
Der Öko-Landbau ist die Wirtschaftsweise, die dem Prinzip der nachhaltigen Landwirtschaft grundsätzlich am nächsten kommt. Wie eine umfassende Studie des Thünen-Instituts belegt, ist die ökologische Bewirtschaftung gegenüber der konventionellen umwelt‐ und ressourcenschonender: Öko-Landbau schützt nachweislich die Gewässer und fördert die Artenvielfalt – vor allem schon dadurch, weil man auf chemisch-synthetische Pflanzenschutz- und Düngemittel verzichtet. Aber auch die stärkere Vielfalt an Kulturarten und der vermehrte Anbau von Zwischenfrüchten tragen dazu bei.
Öko-Böden haben meist einen höheren Humusgehalt als konventionelle – dadurch sind sie nicht nur fruchtbarer, sondern schützen zusätzlich auch das Klima, indem sie überschüssiges CO2 binden. Und nicht zuletzt hat die ökologische Landwirtschaft auch in Sachen Tierwohl die Nase vorn: So haben Öko-Tiere zum Beispiel mehr Platz im Stall und Auslauf im Freien.
Allerdings sind Öko-Betriebe nicht per se nachhaltiger als konventionelle. In Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass es einige konventionelle Landwirtinnen und Landwirte gibt, die nachhaltiger wirtschaften als ihre ökologischen Kollegen. Die Öko-Zertifizierung allein garantiert also noch nicht, dass die Entwicklung in allen Bereichen der Nachhaltigkeit optimal verläuft. Es kommt vor allem auch auf das Engagement und das Können der Betriebsleiterinnen und Betriebsleiter an, wie nachhaltig ein Betrieb agiert.
Kritikerinnen und Kritiker halten zudem dagegen, dass der Öko-Landbau wegen seiner im Vergleich zum konventionellen Anbau geringeren Erträge mehr Ackerfläche verbraucht. Daher käme die ökologische Landwirtschaft – in ihrer derzeitigen Form – nicht infrage, um die Ernährung von knapp zehn Milliarden Menschen im Jahr 2050 sicherzustellen.
Zu einem anderen Ergebnis kam das Schweizer Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL), das 2017 verschiedene Modellszenarien durchgerechnet hat: Demnach ließe sich die Welt theoretisch doch allein mit Nahrungsmitteln aus ökologischer Landwirtschaft ernähren. Allerdings nur dann, so die Einschränkung des FiBL, wenn sich gleichzeitig auch die Konsumgewohnheiten der Menschen drastisch änderten. Im Klartext hieße das: Weniger Lebensmittel wegwerfen und deutlich weniger Fleisch essen.
Wie genau also die nachhaltige Landwirtschaft aussehen soll, die zugleich Umwelt und Ressourcen schont und alle Menschen dieser Erde ernährt, ist noch nicht abschließend geklärt. Neuere Ansätze dazu gibt es inzwischen in einer Studie, die das FiBL zusammen mit dem Umweltbundesamt (UBA) erstellt hat. Demnach scheint eine Mischung aus intensiviertem Öko-Landbau und einer verbindlich umweltschonenderen konventionellen Landwirtschaft der Schlüssel zum Erfolg zu sein.
Woran erkennt man nachhaltig erzeugte Lebensmittel?
Doch was bedeutet das nun für uns Verbraucherinnen und Verbraucher? Worauf kann beziehungsweise soll man achten, wenn man nachhaltige Lebensmittel kaufen möchte?
Immer mehr Unternehmen wollen den Verbraucherinnen und Verbrauchern heute mit Siegeln signalisieren, dass ihre Lebensmittel nachhaltig erzeugt sind. Leider sind nur wenige davon verlässlich. Außerdem decken nur die allerwenigsten auch alle Dimensionen der Nachhaltigkeit ab.
Es gibt aber einige Kriterien, auf die man achten kann, um möglichst nachhaltige Lebensmittel einzukaufen:
Bio-Siegel
Wer Bio-Lebensmittel kauft, ist in Sachen Nachhaltigkeit in vielerlei Hinsicht schon auf der richtigen Spur. Die Worte "Bio" und "Öko" sind gesetzlich geschützt. Das heißt, alle Lebensmittel, die in der EU unter diesen Bezeichnungen auf den Markt kommen, unterliegen damit strengen Vorschriften und Kontrollen, die die gesamte Produktionskette umfassen.
Man erkennt Bio-Lebensmittel am EU-Bio-Logo oder am staatlichen Bio-Siegel. Außerdem gibt es noch neun weitere Bio-Label verschiedener Anbauverbände. Die Richtlinien dieser Verbände sind meist noch strenger als die EU-Öko-Verordnung.
Allerdings gibt es auch bei Bio Einschränkungen: So schreibt die EU-Öko-Verordnung keine Standards für das wirtschaftliche und soziale Handeln der Bio-Betriebe vor. Das heißt zum Beispiel, dass Bio-Bananen nicht zwangsläufig fair gehandelt werden müssen.
Weitere Regeln für den nachhaltigen Einkauf
Auch die Frage, wo ein Produkt erzeugt wird und wie weit es transportiert werden muss, hat Einfluss auf seine Nachhaltigkeit. So kann zum Beispiel die Kartoffel vom konventionellen Betrieb aus dem Nachbarort nachhaltiger sein als die Bio-Kartoffel aus Ägypten, weil sie nicht erst tausende von Kilometern hierher transportiert werden musste.
Grundsätzlich ist es daher gut, Lebensmittel aus der Region zu kaufen. Wer Umwelt und Klima schützen möchte, sollte zudem darauf achten, wann heimisches Gemüse und Obst Saison haben. Damit unterstützt man zusätzlich auch die lokale Wertschöpfung. Am besten ist es, wenn die in der Region erzeugten Lebensmittel Bio sind.
Was die Nachhaltigkeits-Dimension der sozialen Gerechtigkeit angeht, muss man ganz besonders bei Produkten aus den sogenannten "Entwicklungsländern" achtgeben. Denn viele Produkte wie zum Beispiel Kaffee, Bananen oder Kakao, die dorther kommen, werden nicht unter sozial gerechten Bedingungen hergestellt. Nur solche Produkte, die mit einem verlässlichen Siegel – wie zum Beispiel dem von Fairtrade oder Gepa – gekennzeichnet sind, geben Sicherheit, dass es sich um ein fair gehandeltes Produkt handelt.
Letzte Aktualisierung: 12. April 2024
Weitere Informationen
Umweltbundesamt (UBA): Entwicklungsperspektiven der ökologischen Landwirtschaft in Deutschland
"Der Nachhaltige Warenkorb" – Ein Ratgeber für nachhaltigen Konsum
Verbraucherzentrale: Lebensmittel: Zahlen, Zeichen, Codes und Siegel
FiBL: Bio kann einen wichtigen Beitrag zur Welternährung leisten