Was ist nachhaltige Seefischerei?
Auch die Fischerei bemüht sich um mehr Nachhaltigkeit. Das betrifft nicht nur den Fischfang selbst, sondern ebenso den Betrieb der Schiffe, die Kühlung und den Transport der Fänge.
Grundsätzlich hat die Fischerei im Bemühen um mehr Nachhaltigkeit die gleichen Probleme zu lösen wie Unternehmen in anderen Wirtschaftsbereichen. Sie muss ihren Beitrag zum Schutz der Umwelt und des Klimas verbessern.
Nachhaltige und umweltfreundliche Seefischerei heißt, sparsam mit Treibstoff, Energie und verwendeten Materialien umzugehen, den Einsatz von Chemikalien zu reduzieren, wenig Müll zu produzieren und den Abfall ordnungsgemäß an Land zu entsorgen.
CO2-Fußabdruck der Fischerei
Eine aussagestarke Kenngröße für die Nachhaltigkeit menschlicher Aktivitäten sind die mit ihnen verbundenen Treibhausgas-Emissionen, dargestellt als sogenannter CO2-Fußabdruck. Er sollte möglichst gering sein, um die globalen Ziele zum Schutz des Klimas zu unterstützen. Internationale Studien belegen, dass die Seefischerei diesbezüglich gut aufgestellt ist. Die Treibhausgas-Emissionen pro Kilogramm Kabeljaufilet variieren zwischen drei und sieben Kilogramm CO2-Äquivalenten, beim Hering ist es sogar nur ein Kilogramm CO2-Äquivalent. Rund die Hälfte des CO2-Ausstoßes entfällt auf den Schiffsdiesel, den zweitgrößten Posten beansprucht die Kühlung des Fanges und auf Platz drei liegen Transporte und Logistik. Je mehr Fisch also direkt vor "unserer Haustür" gefangen werden kann und je weniger Fisch aus fernen Ländern importiert werden muss, desto günstiger für den Klimaschutz.
Selektivität der Fanggeräte wird verbessert
Nachhaltige Fischerei bedeutet vor allem, dass nur so viel Fisch gefangen wird, wie wieder nachwachsen kann. Das erfordert ein wirksames Fischereimanagement, das sich an wissenschaftlichen Fangempfehlungen orientiert, die geltenden Gesetze einhält und die Auswirkungen der Fischerei auf die marinen Ökosysteme berücksichtigt.
Auf Veränderungen der ökologischen Gegebenheiten, etwa abnehmende Fischbestände, muss schnell und angemessen reagiert werden. Die nachhaltige Befischung der Meere erfordert moderne und "intelligente" Fanggeräte, die nur die Zielarten in den gewünschten Größen fangen, ungewollte Beifänge vermeiden und die Umwelt nicht schädigen.
Als besonders nachhaltig und umweltschonend gelten Fangmethoden mit Angeln wie Hand- und Langleinen oder Schleppangeln. Allerdings benötigen diese Methoden viel Personal und die Fangmenge ist relativ gering. Darum werden sie meist zum Fang hochwertiger Fischarten wie Thun- und Schwertfische oder Wildlachs eingesetzt. In der deutschen Fischerei spielen diese Fanggeräte aber keine Rolle.
Auch Ringwadennetze und Schleppnetze im freien Wasser haben eine akzeptable Umweltbilanz, weil sie bevorzugt zum Fang "artreiner" Fischschwärme genutzt werden und wenige Beifänge haben. Während die Beifangrate aller Fischereimethoden nach Erhebungen der Welternährungsorganisation FAO weltweit um acht Prozent schwankt, liegt sie bei diesen Netzen gewöhnlich unter fünf Prozent.
Starke Kritik gibt es an Grundschleppnetzen, weil sie empfindliche Meeresboden-Ökosysteme beeinträchtigen können, angeblich den Meeresboden umpflügen und häufig hohe Beifanganteile aufweisen. Da Grundschleppnetze zum Fang einiger grundnah lebender Fischarten wie Schollen aber nahezu unverzichtbar sind, versucht man sie technisch weiter zu verbessern.
Die Öffnungsweiten der Netzmaschen werden auf die jeweiligen Fischarten und -größen abgestimmt, um die Fanggeschirre selektiver zu machen und den Beifanganteil zu senken. Rollen unter den Netzen verringern die Schäden am Boden, "Nichtzielarten" und Jungfische können durch Fluchtfenster und Sortiergitter aus den Netzen entkommen.
In der Stellnetzfischerei der westlichen Ostsee setzt man schon vereinzelt programmierbare Warngeräte ein, die Warnlaute von Schweinswalen imitieren, um die Meeressäuger von den Stellnetzen fernzuhalten.
Anlandegebot beugt Verschwendung wertvoller Ressourcen vor
Eine Kritik an der Seefischerei bezieht sich auf die Rückwürfe von Fischen, Discard genannt. Also jener Teil des Beifangs, für den die Fischerei keine Verwendung hat und den sie deshalb wieder ins Meer zurückwirft. Die Gründe für Discards können sehr vielfältig sein: zu kleine Tiere, die sich schwer verkaufen lassen, schlechte Qualität des Fanges, fehlende Lizenzen für den Fang dieser Arten oder bereits ausgeschöpfte Fangquoten. In der EU versucht man die Rückwürfe gesetzlich einzuschränken, es gibt Regelungen zu Fischarten, für die Fangbeschränkungen gelten.
Welches Ausmaß die Beifänge und Rückwürfe in der globalen Fischerei haben, lässt sich nur näherungsweise schätzen. Die FAO ging in einer Studie 2019 davon aus, dass jährlich 9,1 Millionen Tonnen Fische und Meeresfrüchte zurückgeworfen werden, was etwa zehn bis elf Prozent der weltweiten Gesamtfänge entsprechen würde. Um diese Vergeudung wertvoller Ressourcen zu reduzieren, wurde im Rahmen der Gemeinsamen Fischereipolitik (GFP) in der EU ab 2015 schrittweise eine Anlandeverpflichtung umgesetzt.
Seit dem Jahr 2019 müssen Fischerinnen und Fischer alle Fische, für die es Fangbeschränkungen gibt und die sie an Bord ihrer Schiffe holen, auch anlanden. Allein in begrenzten Ausnahmefällen dürfen die Fische wieder über Bord zurück ins Meer geworfen werden, Beispielsweise wenn wissenschaftlich nachgewiesen ist, dass diese Art eine hohe Überlebenswahrscheinlichkeit bei Rückwurf hat.
Bestrebungen nachhaltiger Fischerei werden hoheitlich kontrolliert
Nicht nur in Deutschland und in der EU, auch weltweit wächst das Bewusstsein, dass nur nachhaltiges Handeln die Zukunft der Seefischerei auf Dauer sichern kann. Um die Fischbestände, die Umwelt und auch die Ansprüche der gesetzestreuen Fischer zu schützen, kommt nachhaltige Fischerei darum nicht ohne eine wirksame Überwachung und Kontrolle aus.
Die Fischereiaufsicht ist eine hoheitliche Aufgabe, die Fischereinationen in eigener Verantwortung wahrnehmen. In der EU wurde darüber hinaus 2005 die zentrale Europäische Fischereiaufsichtsagentur eingerichtet, um die Einhaltung der GFP-Vorschriften zu verbessern und die einheitliche Durchsetzung der Vorschriften zur Überwachung der Fischereitätigkeiten zu koordinieren.
Fischereischiffe ab zwölf Meter Länge müssen elektronische Logbücher mit allen Fangdaten führen und mit automatischen Ortungssystemen ausgestattet sein, mit denen sich deren Schiffsbewegungen verfolgen lassen. Der größte Teil der europäischen Fischereiflotte besteht jedoch aus Schiffen, die kleiner sind als zwölf Meter. Sie werden unter anderem durch Inspektionen auf See kontrolliert.
In Deutschland ist in den Meeresbereichen außerhalb von zwölf Seemeilen die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) für diese Kontrollen zuständig. Jedes Jahr werden knapp zwei Prozent der Fahrten von deutschen Fangschiffen inspiziert. In den Küstengewässern erfolgen die Kontrollen durch das jeweilige Küstenbundesland. Lediglich in Mecklenburg-Vorpommern kontrolliert die BLE auch dessen Gewässer bis zu drei Seemeilen an die Küste.
Beim Einkauf nachhaltige Fischereiprodukte erkennen
Wer die Nachhaltigkeitsbemühungen der Fischerei unterstützen will, sollte beim Einkauf von Fischen und Meeresfrüchten zu zertifizierten Produkten greifen, die zum Beispiel das blaue MSC-Siegel tragen.
Ein fehlendes Siegel bedeutet zwar nicht, dass das betreffende Produkt nicht nachhaltig erzeugt wurde, doch bei zertifizierten Erzeugnisse kann man ziemlich sicher sein, dass die Nachhaltigkeit auch tatsächlich unabhängig kontrolliert wird.
Letzte Aktualisierung: 23. August 2024
Weitere Informationen
Bundeszentrum für Ernährung (BZFE): Fisch essen - gesund und nachhaltig