Der Selbstversorgungsgrad: Wie ist es um die Versorgung mit Lebensmitteln in Deutschland bestellt?
Globalisierte Märkte sind längst Alltag – auch bei Nahrungsmitteln. Erst in Krisenzeiten rückt die Abhängigkeit von Importen wieder in den Fokus.
Eine Landwirtin beziehungsweise ein Landwirt ernährt in Deutschland 139 Menschen – mehr als doppelt so viele wie noch 1990. Eine imposante Zahl und doch nicht genug, um die Bevölkerung allein mit Lebensmitteln aus heimischer Erzeugung ausreichend versorgen zu können. Denn der Selbstversorgungsgrad mit Lebensmitteln lag 2021/22 hierzulande bei lediglich 81 Prozent.
Dass sich manche Bedarfe nur durch Importe decken lassen, ist in Zeiten globaler Handelsströme längst Normalität geworden und wird kaum hinterfragt. Erst durch die Corona-Krise und den Ukraine-Krieg wurde das Augenmerk wieder vermehrt auf die Frage gelenkt, welche Abhängigkeiten von Zulieferern bestehen, wie krisenfest unsere Lieferketten sind und in welchem Ausmaß wir uns im Notfall auch selbst versorgen könnten. Die beruhigende Botschaft: Die Lebensmittelversorgung in Deutschland ist gesichert.
Trotzdem interessant, einmal genauer hinzusehen, in welchem Ausmaß Lebensmittel in Deutschland erzeugt, exportiert und importiert werden. Denn ein Selbstversorgungsgrad von 81 Prozent ist letztlich nur ein rechnerischer Durchschnittswert.
Betrachtet man einzelne Erzeugnisse, zeigt sich schnell eine enorme Bandbreite: manches produzieren wir im Überfluss, anderes müssen wir im großen Stil importieren, um den Bedarf zu decken.
Getreide
Bei Getreide etwa liegt der Selbstversorgungsgrad bei 107 Prozent, bei Weizen (Hart- und Weichweizen) sind es sogar 121 Prozent. Von den kriegsbedingten Lieferengpässen aus den "Kornkammern" Ukraine und Russland war und ist Deutschland also kaum betroffen – im Gegensatz zu Ländern wie Eritrea, Armenien, der Mongolei oder Aserbaidschan, die fast zu 100 Prozent auf Weizenimporte aus diesen Ländern angewiesen sind.
Sonnenblumenöl
Dafür blieben 2022 als Folge des russischen Überfalls auf die Ukraine beim Sonnenblumenöl viele Supermarkt-Regale leer. Hier liegt der deutsche Selbstversorgungsgrad bei lediglich zehn Prozent – 2021 waren es mit acht Prozent sogar noch weniger. Mit weitem Abstand wichtigster Exporteur ist hier die Ukraine, auf die rund 40 Prozent der weltweiten Exportmenge und immerhin 25 Prozent der deutschen Importe entfielen.
Schweinefleisch
Beim Schweinefleisch hingegen gehört Deutschland zu den wichtigsten Exporteuren. Hier zeigt sich aber auch exemplarisch wie komplex die globalen Handelsströme sind. Denn trotz eines Selbstversorgungsgrads von 142 Prozent importiert Deutschland große Mengen Schweinefleisch: 2022 über eine Million Tonnen. Demgegenüber stehen Exporte von 2,5 Millionen Tonnen. Was widersinnig anmutet, ist auf einem freien Markt üblich und wird vor allem von Preis und Nachfrage bestimmt.
Das Konsumverhalten spielt verglichen damit nur eine untergeordnete Rolle. Auch wenn hierzulande hauptsächlich Edelteile nachgefragt und Schweinefüße, -schnauzen und -schwänze sowie die Innereien als Delikatessen in asiatische Länder exportiert werden, entfällt der größte Teil der Ex- und Importe auf europäische Handelspartner.
Kartoffeln
Noch größer als bei Getreide und Schweinefleisch fällt der Überschuss aus heimischer Erzeugung bei Kartoffeln aus. Hier liegt der Selbstversorgungsgrad bei 147 Prozent. Deutschland ist nicht nur der flächen- und mengenmäßig größte Kartoffelerzeuger in der EU, sondern auch weltweit drittgrößter Exporteur von Kartoffeln.
Obst
Bei Obst und Gemüse sieht das ganz anders aus. Weniger als ein Viertel des Bedarfs an Obst kann aus heimischem Anbau gedeckt werden. Und das liegt keineswegs daran, dass Orangen, Bananen und Mangos hierzulande nicht wachsen. Auch bei den wichtigsten heimischen Obstarten können bestenfalls 57 Prozent des Bedarfs aus eigener Erzeugung gedeckt werden. So lag der Selbstversorgungsgrad im Wirtschaftsjahr 2022/23 für
- Äpfel bei 57 Prozent,
- Erdbeeren bei 45 Prozent,
- Kirschen bei 10 Prozent und
- Pflaumen bei 50 Prozent.
Gemüse
Auch Gemüse wird – angesichts eines Selbstversorgungsgrads von 38 Prozent – zum Großteil importiert. Lediglich bei Weißkohl und Rotkohl übertrifft die Erzeugung den Bedarf.
Bei Spargel, der flächenmäßig wichtigsten Gemüseanbau-Kultur in Deutschland, wird ein Selbstversorgungsgrad von 75 Prozent erreicht, ebenso für Möhren.
Das mit Abstand beliebteste Gemüse der Deutschen, die Tomate, stammt rechnerisch nur zu knapp vier Prozent aus heimischer Erzeugung.
Salopp gesagt: für Brot, Schnitzel und Pommes ist hierzulande gesorgt. Für fast alle Gemüsebeilagen sowie den Obstsalat zum Nachtisch sind wir hingegen auf Importe angewiesen.
Letzte Aktualisierung: 23. Februar 2024