Warum benötigt die Landwirtschaft so viele ausländische Saisonarbeitskräfte?
Die Obst- und Gemüseernte von Hand ist schwere körperliche Arbeit, die nur wenige Deutsche machen möchten.
Die Corona-Krise hat einmal mehr gezeigt, wie stark Teile der deutschen Landwirtschaft auf Saisonarbeitskräfte aus dem Ausland angewiesen sind. Bis zuletzt bangten 2020 viele Obst- und Gemüsebetriebe darum, ob Deutschland die Einreise-Beschränkungen für die dringend benötigten Erntehelferinnen und Erntehelfer lockert. Zur Erleichterung aller hat die Bundesregierung schließlich einer begrenzten Einreise zugestimmt.
Ohne die Hilfe der vielen Tausend Saisonarbeitskräfte aus dem Ausland wäre vieles an Obst und Gemüse ungeerntet auf den Feldern verblieben und verrottet. Doch warum ist die hochmoderne deutsche Landwirtschaft überhaupt so stark auf Saisonarbeiterinnen und Saisonarbeiter aus dem Ausland angewiesen?
Nicht alles lässt sich technisieren
Die Landwirtschaft hat sich in den letzten Jahrzehnten stark gewandelt. Fortschritte auf allen Ebenen haben dazu geführt, dass heute ein einziger Landwirt im Schnitt 140 Menschen ernähren kann – 1960 waren es gerade einmal 17. Vor allem der Einsatz moderner Erntetechnik hat zu dieser Entwicklung beigetragen: So erntet ein Mähdrescher einen Hektar (10.000 Quadratmeter) Getreide heute in weniger als zwei Stunden. 1950 waren dafür noch 30 Stunden und 1910 sogar 150 Stunden nötig.
Aber auch heute gibt es noch Kulturen, die viel Handarbeit erfordern. Dazu zählen zum Beispiel Erdbeeren, Äpfel, Tomaten oder Spargel. Zwar konnte auch hier ein Großteil der Arbeiten wie Pflanzung, Unkrautbeseitigung, Pflanzenschutz und Düngung mechanisiert werden. Geerntet werden müssen die Früchte aber noch per Hand, weil Maschinen bei den empfindlichen Früchten zu viel Schaden anrichten würden.
Nur wenige Deutsche wollen diese Arbeit machen
Solch eine Ernte per Hand ist meist schwere körperliche Arbeit. So arbeiten beispielsweise Erdbeerpflückerinnen und Erdbeerpflücker Tag für Tag mehrere Stunden in gebückter Haltung auf dem Feld – teils bei großer Hitze. Der Verdienst fällt bei solchen Tätigkeiten jedoch meist sehr gering aus – selten gibt es mehr als den gesetzlichen Mindestlohn.
In Deutschland gibt es nur sehr wenige Menschen, die solche Arbeit machen wollen. Viele Obst- und Gemüsebaubetriebe sind daher auf Erntehelferinnen und Erntehelfer aus dem Ausland angewiesen. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit kommt der weit überwiegende Teil davon aus Rumänien und Polen.
Den Daten der letzten Landwirtschaftszählung zufolge arbeiteten 2020 rund 275.000 Saisonarbeitskräfte in der Landwirtschaft – das sind etwa 30 Prozent aller Arbeitskräfte in der Landwirtschaft. Damit hat sich die Zahl der Saisonarbeitskräfte insgesamt seit 2016 um rund vier Prozent verringert.
Schon seit Jahren Engpässe
Bereits seit Jahren beklagen viele Betriebe in Deutschland einen Mangel an Erntehelferinnen und Erntehelfern. Laut dem Gesamtverband der Deutschen land- und forstwirtschaftlichen Arbeitgeberverbände (GLFA) gibt es dafür verschiedene Gründe. Zum einen haben die positiven wirtschaftlichen Entwicklungen in Polen und Rumänien dazu geführt, dass das Interesse an Saisontätigkeiten in der deutschen Landwirtschaft abgenommen hat.
Hinzu kommt: Die landwirtschaftlichen Betriebe stehen in direktem Wettbewerb um Saisonarbeitskräfte mit anderen Wirtschaftszweigen – zum Beispiel Baugewerbe, Tourismus oder Gastronomie –, die je nach Konjunkturlage besser bezahlen.
Sorgen machen die Mindestlöhne
Sehr viel Sorgen macht den deutschen Landwirtschafts- und Gartenbaubetrieben zudem der gestiegene Mindestlohn. Denn die Lohnkosten bilden bei vielen Betrieben einen großen Teil der anfallenden Kosten. Da die Löhne in südeuropäischen, nordafrikanischen Staaten sowie in Übersee deutlich niedriger sind, sind die heimischen Erzeuger nicht mehr konkurrenzfähig.
Letzte Aktualisierung: 21. Juni 2024
Weitere Informationen
Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL): Beschäftigung und Mindestlohn