Profitieren landwirtschaftliche Betriebe von steigenden Lebensmittelpreisen?
Lebensmittel sind im Jahr 2022 deutlich teurer geworden. Aber bedeuten höhere Preise an der Ladentheke auch höhere Gewinne für die Landwirtschaft?
Knapp 60 Prozent mehr für Weizenmehl, ein Drittel mehr für Frischmilch und rund ein Fünftel mehr für Fleisch und Gemüse– die Preise für Lebensmittel sind 2022 so stark gestiegen wie seit 60 Jahren nicht mehr. Im Schnitt mussten Verbraucherinnen und Verbraucher im Februar 2023 über 20 Prozent mehr für Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke bezahlen als im selben Monat des Vorjahres. Ein mehr als doppelt so hoher Anstieg wie bei den Verbraucherpreisen insgesamt. Hier war im selben Zeitraum ein Plus von 8,7 Prozent zu verzeichnen.
Grund dafür waren die Corona-Pandemie und vor allem der Ukraine-Krieg. Die beiden Krisen führten zur Unterbrechung von Lieferketten und massiv steigenden Energiepreisen. Dadurch wurde das Angebot an Lebensmittelrohstoffen knapper. Gleichzeitig stiegen die Kosten für die Erzeugung und Verarbeitung von Lebensmitteln deutlich an.
30 Prozent mehr für landwirtschaftliche Erzeugnisse
Auch viele landwirtschaftliche Betriebe in Deutschland konnten 2022 für einen Großteil ihrer Erzeugnisse wesentlich höhere Preise erzielen. So stiegen die Erzeugerpreise über alle Agrarerzeugnisse hinweg zwischen Januar 2022 und Januar 2023 im Schnitt um gut 25 Prozent. Tierische Produkte verteuerten sich stärker als pflanzliche Erzeugnisse. Besonders deutlich war der Anstieg bei konventionell erzeugter Milch, für die Betriebe 2022 durchschnittlich fast 47 Prozent mehr Geld pro Liter erhielten als 2021.
Gleichzeitig sind landwirtschaftliche Betriebe wie Industriebetriebe aber auch in besonderer Weise von den hohen Energiekosten betroffen. Allein die Preise für Stickstoffdünger haben sich 2022 gegenüber dem Vorjahr nahezu vervierfacht. Auch andere wichtige Betriebsmittel wie Futter, Diesel und Strom sind deutlich teurer geworden, im Schnitt um mehr als 25 Prozent. Je nach betrieblicher Ausrichtung standen den zusätzlichen Erlösen dadurch zum Teil deutlich höhere Kosten entgegen.
Höhere Gewinne bei den meisten Betrieben
Dennoch haben die meisten Betriebsformen unter dem Strich von der Marktentwicklung profitiert. Nach den aktuellen Buchführungsergebnissen stieg der Unternehmensgewinn von Haupterwerbsbetrieben im Wirtschaftsjahr 2021/22 über alle landwirtschaftlichen Betriebsformen hinweg um über 26.000 Euro pro Betrieb. Das entspricht einem Anstieg von 49 Prozent.
Größter Gewinner der Preisentwicklung waren laut Situationsbericht 2023 des Deutschen Bauernverbands (DBV) Milchviehbetriebe mit einem Zuwachs von 68 Prozent (38.800 Euro) gegenüber dem Vorjahr. Mit einem Gesamtgewinn von durchschnittlich 95.000 Euro pro Betrieb wurde in der Milcherzeugung am meisten verdient. Auch Ackerbaubetriebe (plus 42 Prozent) und Mastbetriebe (plus 41 Prozent) profitierten von der günstigen Preisentwicklung. Doch während Ackerbaubetriebe in absoluten Zahlen annähernd das Niveau von Milchviehbetrieben erreichten, machten Veredelungsbetriebe wie Schweinehalterinnen und -halter trotz deutlicher Zuwächse insgesamt ein Drittel weniger Gewinn.
Große Schwankungen bei Unternehmensgewinnen
Bei der Einschätzung der Buchführungsergebnisse ist zu beachten, dass Betriebsgewinne in der Landwirtschaft häufig großen Schwankungen unterliegen. Das gilt insbesondere für Veredelungsbetriebe, deren Überschuss im vorvergangenen Wirtschaftsjahr 2019/20 noch mehr als doppelt so hoch war wie 2021/2022.
Ihr Zuwachs von über 40 Prozent bezieht sich also auf ein extrem niedriges Vorjahresniveau. Deshalb konnten die gestiegenen Erzeugerpreise bisher auch nicht den massiven Strukturwandel in diesem Bereich bremsen. So gaben trotz gestiegener Preise im Jahr 2022 etwa 1.900 Schweinemastbetriebe auf – ein Anteil von mehr als zehn Prozent.
Zudem läuft das Wirtschaftsjahr in der Landwirtschaft vom 1. Juli bis zum 30. Juni des Folgejahres. Das heißt, die aktuellen Ergebnisse bilden nur die Hälfte der Preis- und Kostenentwicklungen im Jahr 2022 ab. Deshalb gehen etwa die stark gestiegenen Energiekosten seit Februar 2022 nur zum Teil in die Bilanz ein, während der Preisanstieg für bestimmte Erzeugnisse wie Milch oder Getreide bereits in der zweiten Jahreshälfte 2021 einsetzte.
Schwieriges Jahr für Obstbaubetriebe
Betriebe im Bereich Obstbau konnten nicht von den Marktentwicklungen profitieren. Die Erzeugerpreise für Obst lagen im Januar 2023 im Durchschnitt um 4,2 Prozent unter denen aus dem Januar 2022. In Kombination mit den hohen Kosten für Betriebsmittel mussten zahlreiche Erzeugerinnen und Erzeuger deutliche Rückgänge beim Gewinn hinnehmen.
Bei Bio-Betrieben fiel das Plus beim Unternehmensergebnis mit neun Prozent gegenüber dem Vorjahr deutlich geringer aus als im konventionellen Bereich. Hauptgrund war neben den gestiegenen Energie- und Futterkosten vor allem ein Umsatzrückgang bei Bio-Produkten im Jahr 2022, den es in dieser Form im Bio-Markt bisher noch nicht gab. Verbraucherinnen und Verbraucher griffen verstärkt zu günstigeren konventionellen Produkten, um in Zeiten stark steigender Preise beim Lebensmitteleinkauf Geld zu sparen.
Erzeugerpreise bleiben vorerst auf hohem Niveau
Die meisten Fachleute gehen davon aus, dass sich das hohe Erzeugerpreisniveau auch im Jahr 2023 zunächst fortsetzen wird. Das gilt jedoch auch für die hohen Betriebsmittelkosten. Deshalb bleibt abzuwarten, inwieweit sich die überdurchschnittlichen Erzeugerpreise auch in höheren Betriebsgewinnen niederschlagen.
Letzte Aktualisierung: 13. April 2023
Weitere Informationen
Statistisches Bundesamt: Erzeugerpreise landwirtschaftlicher Produkte
Deutscher Bauernverband (DBV): Situationsbericht 2022/23 – Trends und Fakten zur Landwirtschaft
Verbraucherzentrale (vzbv): Steigende Lebensmittelpreise: Fakten, Ursachen, Tipps