Wieso in Nord- und Ostsee weniger Fisch gefangen wird
Die deutsche Fischerei wird zunehmend nachhaltiger und steht doch unter großem Veränderungsdruck. Der weitere Abbau von Fangkapazitäten scheint unvermeidlich.
Fisch ist ein hochwertiges Lebensmittel. Eine vollständige Versorgung des heimischen Marktes mit eigenen Fängen aus der Nord- und Ostsee ist jedoch unmöglich, weil die Anlandungsmengen viel zu gering sind. 75.250 Tonnen Fisch wurden von der Deutschen Hochsee- und Küstenfischerei in 2023 in Nord- und Ostsee gefangen, mehr als 45 Prozent weniger als noch fünf Jahre zuvor. Die Rückgänge zeigten sich vor allem in der Ostseefischerei drastisch: Seit 2018 haben sich dort die Fangmengen deutscher Fischerinnen und Fischer mehr als halbiert.
Allerdings scheinen sich die Bemühungen im Rahmen der Gemeinsamen Fischereipolitik der EU für die nachhaltige Nutzung der Fischbestände langsam auszuzahlen. Die Fischbestände haben sich zum Teil erholt und die Fangquoten 2023 für wichtige Fischarten in der Nordsee konnten auf Grundlage wissenschaftlicher Empfehlungen sogar angehoben werden (Kabeljau +60 Prozent, Schellfisch +25 Prozent, Seelachs +17 Prozent).
Trotz dieser erfreulichen Entwicklung bleibt die Gesamtsituation aber schwierig. Insbesondere für die Fischerei in der Ostsee, weil dort auch 2023 die beiden wirtschaftlich wichtigsten Fischarten, Dorsch und Hering, nicht gezielt befischt werden durften.
Viele deutsche Fischereibetriebe sind mittlerweile sogar in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht. Der Verdacht, dafür wären allein die Betriebe verantwortlich, die die Fischbestände jahrelang überfischt haben, greift aber zu kurz. Gerade in der Ostsee sind nämlich neben der Fischerei auch noch andere Einflussfaktoren für den schlechten Zustand dieses Binnenmeeres und seiner sensiblen Ökosysteme verantwortlich. Über die Zuflüsse gelangen große Mengen Dünger aus der Landwirtschaft in das Gewässer und verursachen Algenblüten, die nach ihrem Absterben stark sauerstoffzehrend wirken.
Der Temperaturanstieg durch die Klimakrise vertreibt einige Fischarten aus ihren angestammten Verbreitungsgebieten, beeinflusst Naturkreisläufe und vermindert den Fortpflanzungserfolg von Fischarten wie dem Hering. Das alles beeinträchtigt die Fischbestände und schränkt die Fangmöglichkeiten der Fischerei so stark ein, dass zahlreiche Ostseefischer bereits den Beruf aufgegeben haben. Einigen Fischereigenossenschaften droht die Abwicklung, der Landesfischereiverband Mecklenburg-Vorpommern hat seine Auflösung beschlossen.
Wachsender Kostendruck lastet auf den Betrieben
Im Hinblick auf den Zustand der Fischbestände sieht es in der Nordsee zwar besser aus, doch auch hier ringen die Betriebe mit Problemen. Zu schaffen machen ihnen vor allem die eingeschränkten Fangmöglichkeiten infolge des Brexits, denn mit dem Ausscheiden aus der EU beanspruchen die Briten ihre 200-Seemeilen-Zone wieder ausschließlich für sich. Zuvor durften dort im Rahmen der Gemeinsamen Fischereipolitik alle EU-Mitgliedsländer fischen.
Außerdem sind die Kosten der Betriebe durch die hohen Energiepreise beträchtlich gestiegen. Beispielsweise entfielen in der Krabbenfischerei 2022 annähernd 60 bis 80 Prozent der Betriebsausgaben auf Treibstoffkosten. Unter diesen Bedingungen war für viele Betriebe keine wirtschaftliche Fischerei mehr möglich.
Auch die Anschaffungs- und Wartungskosten für Technik zur Satellitenüberwachung der Fischereifahrzeuge (VMS) und elektronischen Logbücher (ERS) haben die Fischereibetriebe selbst zu tragen.
Fangmöglichkeiten werden zunehmend eingeschränkt
Während die Betriebskosten der Betriebe steigen, werden ihre Fangmöglichkeiten und damit die wirtschaftlichen Erträge zunehmend eingeschränkt. Nicht nur der Klimawandel sorgt dafür, dass ertragreiche Fanggebiete verloren gehen. Auch Meeresschutz und wirtschaftliche Interessen lassen sich nicht immer in Einklang bringen. Die Biodiversitätsstrategie der EU und Natura 2000 fordern die Ausweitung der Schutzgebiete in Nord- und Ostsee. Statt zehn Prozent der Fläche sollen es zukünftig 30 Prozent sein, davon ein Drittel ohne die kommerzielle Nutzung der Ressourcen, was jegliche Fischerei in diesen Gebieten ausschließt.
Durch die Ausweitung von Offshore-Windparks gehen weitere Fanggebiete für die Fischerei verloren. Das gilt auch für Flächen, wo Fahrrinnen vertieft, Sand und Kies abgebaut oder Baggergut, etwa aus der Elbe, Weser und anderen Gebieten, verklappt wird. Auch Seekabeltrassen und Pipelines engen potenzielle Fanggebiete ein.
Ertragsmindernd können sich auch Naturschutzauflagen auswirken, die nur einseitig auf den Schutz bestimmter Tierarten ausgerichtet sind. Im Bereich der Lübecker Bucht an der Ostseeküste wurde durch Untersuchungen der Nahrungszusammensetzung von Kormoranen erst kürzlich festgestellt, dass die Vögel bereits mehr Dorsche fressen als die Berufsfischerei in diesem Gebiet entnimmt.
Die Größe der deutschen Fischereiflotte wird sich weiter verringern
Alternative Einkommensquellen stehen Fischereibetrieben nur eingeschränkt zur Verfügung. Einige versuchen, ihre wirtschaftliche Situation durch Direktvermarktung aufzubessern. Andere bieten Angeltouren sowie Fahrten zur Beobachtung von Seevögeln an oder verchartern ihre Kutter für marine Forschungsprojekte.
Wen es besonders hart trifft, kann aber gezwungen sein, die Fischerei befristet ruhen zu lassen oder den Beruf ganz aufzugeben und den Kutter stillzulegen. Für beide Fälle gibt es finanzielle Beihilfen, die solche Entscheidungen gewiss nicht leichter machen, aber wenigstens dazu beitragen, sie sozialverträglich ab zu puffern. Die Schrumpfungstendenzen in der deutschen Fischerei sind unübersehbar.
Anzahl der Fangschiffe |
2008 |
2013 |
2018 |
2023 |
Motorfischkutter davon < 12 Meter |
1.737 1.379 |
1.483 1.187 |
1.300 1.034 |
1.154 923 |
Tab. Fahrzeuge der kleinen Hochsee- und Küstenfischerei in Nord- und Ostsee. (Quelle: BLE)
Die Anzahl der Fischereibetriebe und Fangschiffe sinkt. Mittel- und langfristig trägt diese Reduzierung der Fangkapazitäten dazu bei, den verbleibenden Betrieben eine gesicherte berufliche Perspektive und ein angemessenes Einkommen zu ermöglichen. Kurzfristig steht die Fischerei jedoch vor der Herausforderung, junge Menschen zu finden, die sich trotz der augenblicklich schwierigen Situation weiterhin für die Berufsfischerei begeistern.
Letzte Aktualisierung: 24. Mai 2024
Weitere Informationen
UBA: Der Klimawandel ist ein zusätzlicher Stressfaktor für die Fischbestände in Nord- und Ostsee
BLE: Bestandserhaltungsmaßnahmen in den Natura-2000-Gebieten