Vegane Lebensmittel – Eine Chance für die Landwirtschaft?
Der Markt für Fleischersatzprodukte wächst. Als Rohstoff werden dafür auch Hülsenfrüchte aus Deutschland benötigt. Können die Betriebe davon profitieren?
Ob Schnitzel, Hack oder Salami, fast alle klassischen Fleischprodukte sind inzwischen auch als vegane Variante mit rein pflanzlichen Zutaten verfügbar. Im direkten Vergleich handelt es sich zwar immer noch um Nischenprodukte, der Markt für diese sogenannten Fleischersatzprodukte hat sich in den letzten Jahren aber rasant entwickelt. So verdoppelte sich der Umsatz für diese Produkte zwischen 2019 und 2022 auf 537 Millionen Euro im Jahr.
Für eine weiter steigende Nachfrage nach Fleischersatzprodukten spricht der hohe Anteil von Veganern und Vegetariern unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen zwischen 15 und 29 Jahren. Laut einer Forsa-Umfrage ernähren sich rund 15 Prozent dieser Altersgruppe ausschließlich oder überwiegend mit pflanzlichen Lebensmitteln. Gleichzeitig ist der Pro-Kopf-Verzehr von Fleisch in den vergangenen Jahren deutlich zurückgegangen. Während jeder Mensch in Deutschland 2018 im Schnitt noch 60,9 Kilogramm Fleisch verzehrte, waren es 2023 nur 51,6 Kilogramm.
Hülsenfrüchte als heimischer Rohstoff
Basis von Fleischersatzprodukten sind vor allem eiweißreiche Hülsenfrüchte wie Erbse, Ackerbohne, Sojabohne und Lupine. Bis auf die Sojabohne, die etwas wärmere Standorte benötigt, können diese Hülsenfrüchte fast überall in Deutschland angebaut werden. Besonders anspruchslos sind Lupinen, die auch auf schlechteren Böden gedeihen und mit wenig Niederschlag auskommen.
Für die Umwelt bietet der Anbau von Hülsenfrüchten Vorteile. So sind die Kulturen in der Lage, Stickstoff als wichtigsten Nährstoff aus der Luft zu binden. Deshalb benötigen sie keinen synthetischen Mineraldünger, der mit hohem Energieaufwand hergestellt werden muss.
Gute Klimabilanz für Fleischersatzprodukte
Laut einer Studie des Umweltbundesamtes (UBA) schneiden Fleischersatzprodukte auf Basis von Hülsenfrüchten zudem bei der Klimabilanz deutlich besser ab als Fleisch. Während zum Beispiel bei der Erzeugung von einem Kilogramm Fleischersatz auf Sojabasis etwa 2,8 Kilogramm CO2-Äquivalente entstehen, werden bei der gleichen Menge Geflügelfleisch 4,3 Kilogramm frei, bei Rindfleisch sind es sogar über 30 Kilogramm CO2-Äquivalente.
Wie lukrativ ist der Anbau von Hülsenfrüchten für landwirtschaftliche Betriebe?
Wie aber fällt die wirtschaftliche Bilanz aus Sicht der Betriebe aus? Grundsätzlich kann der Anbau von Eiweißpflanzen für Betriebe durchaus lohnend sein. Erhebungen des Netzwerks DemoNet Erbse/Bohne zeigen, dass mit Erbsen und Ackerbohnen zum Teil höhere Gewinne erzielt werden können als mit den Standardkulturen Winterweizen und Raps. Das gilt insbesondere für Bio-Ware. Allerdings hängt die Höhe des Gewinns stark von den erzielten Erträgen und den Auszahlungspreisen ab. Zudem kommt es bei Eiweißpflanzen immer wieder zu größeren Ertragsschwankungen, weil die Kulturen sehr empfindlich auf stärkeren Schädlingsbefall oder eine ungünstige Witterung reagieren. Das macht den Anbau für Betriebe riskant.
Lebensmittelverarbeiter stellen hohe Qualitätsansprüche
Hinzu kommt, dass Lebensmittelverarbeiter hohe Anforderungen an die Qualität der angelieferten Ware stellen. So dürfen die Körner zum Beispiel keine Flecken oder Risse haben und müssen einen Mindestproteingehalt aufweisen. Das erfordert einen größeren Aufwand beim Anbau und bei der Aufbereitung der Ernte. Dafür erhalten Betriebe für Speiseware in der Regel auch deutlich höhere Preise als bei einer Verwertung als Futtermittel.
Entwicklung der Anbauflächen für Hülsenfrüchte
Die Anbaufläche von Hülsenfrüchten lag im Jahr 2023 bei rund 276.000 Hektar und hat damit im Vergleich zu 2016 um knapp 50 Prozent zugenommen.
Diese Entwicklung beruht jedoch vor allem auf einer stärkeren politischen Förderung dieser Kulturen und der intensivierten Forschung zur Optimierung des Anbaus im Zuge der sogenannten Eiweißpflanzenstrategie des Bundeslandwirtschaftsministeriums.
Geänderte Ernährungsgewohnheiten spielen hier eine untergeordnete Rolle, denn zurzeit werden nur rund 25 Prozent der geernteten Erbsen und gerade mal elf Prozent der Sojabohnen für die Herstellung von Nahrungsmitteln genutzt. Das heißt auch: Eine weiter steigende Nachfrage nach heimischen Rohstoffen für Fleischersatzprodukte ließe sich auch ohne zusätzliche Anbauflächen bereits durch eine Steigerung dieses Anteils bedienen.
Fleisch bleibt wichtige Einkommensquelle für Betriebe
Doch ist die Erzeugung von Fleisch für viele Betriebe nach wie vor die attraktivere Einkommensquelle. Daher nutzen sie den weitaus größten Teil der heimischen Hülsenfrüchte als wertvolle Futterkomponente für Schweine, Geflügel und Rinder.
Die Fleischwirtschaft hat im Jahr 2022 in Deutschland Fleisch- und Fleischerzeugnisse im Wert von 42,4 Milliarden Euro umgesetzt. Das ist etwa das 80-fache dessen, was im gleichen Jahr mit Fleischersatzprodukten erzielt wurde.
Fazit
Durch die wachsende Nachfrage nach Fleischersatzprodukten wird der Bedarf an Ackerbohnen, Erbsen und anderen Hülsenfrüchten steigen. Das kommt auch der Landwirtschaft zugute. Denn grundsätzlich ist der Anbau von Hülsenfrüchten bei guten Erträgen und entsprechenden Qualitäten lukrativ. Allerdings wird die Fleischerzeugung auf absehbare Zeit für viele Betriebe eine zentrale Einkommensquelle bleiben. Denn die Erlöse für Fleischersatzprodukte sind trotz des starken Wachstums noch sehr klein im Vergleich zum Volumen bei Fleischprodukten. Zudem ist der Anbau von Hülsenfrüchten für den Lebensmittelbereich anspruchsvoll und häufig mit Risiken verbunden. Deshalb wird wahrscheinlich vorerst nur eine überschaubare Zahl an Betrieben verstärkt auf den Anbau setzen und vom Boom der Fleischersatzprodukte profitieren.
Letzte Aktualisierung: 9. April 2024