Wie wirkt sich der Ukraine-Krieg auf die Nahrungsmittelsicherheit aus?
Der Krieg in der Ukraine sorgt für erhebliche Turbulenzen auf den weltweiten Agrarmärkten und gefährdet damit die Nahrungssicherheit.
Seit Ende Februar 2022 dauert der russische Angriffskrieg in der Ukraine nun an und ein Ende ist nicht in Sicht. Neben dem unermesslichen physischen und psychischen Leid, das der Krieg für die Menschen in der Ukraine vor Ort und jene auf der Flucht mit sich bringt, hat er auch erhebliche wirtschaftliche Folgen. Nicht nur für die Ukraine und Russland, sondern auch für andere Teile der Welt.
Die Auswirkungen des Kriegs betreffen neben dem Energie- und Industriesektor insbesondere auch die internationalen Agrarmärkte. Denn Russland und die Ukraine sind weltweit bedeutende Produzenten und Exporteure wichtiger Agrargüter – allen voran Sonnenblumenöl, Gerste und Weizen. Laut der FAO, der Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen, exportierten bis 2021 allein diese beiden Länder zusammen knapp 64 Prozent des weltweit gehandelten Sonnenblumenöls. Bei Weizen waren es knapp 30 Prozent, bei Gerste rund 25 Prozent. Weitere wichtige Exportgüter sind Mais und Raps.
Nahrungsmittelproduktion und -exporte stark eingeschränkt
Durch den Krieg kommt es in der Ukraine und in Russland derzeit zu starken Einschränkungen bei der Produktion und beim Export von Agrargütern. 2022 sind in der Ukraine die Ernteerträge sehr viel geringer ausgefallen als üblich. Das hatte verschiedene Gründe: Viele Menschen, die in der Landwirtschaft arbeiten, sind geflohen oder wurden zum Militärdienst herangezogen. Dringend notwendige Betriebsstoffe wie Diesel für die Traktoren, Dünger und Saatgut waren kriegsbedingt kaum noch verfügbar.
Wichtige landwirtschaftliche Arbeiten wie die Aussaat und die Pflege der Äcker und Kulturen konnten somit kaum noch erledigt werden. Hinzu kam, dass viele Ackerflächen in den von Russland besetzten Gebieten nicht mehr für den Anbau zur Verfügung standen oder zerstört waren. Wie das Wold Food Programme WFP Ende Februar 2023 in einer Pressemeldung mitteilte, seien durch den Krieg bereits 26 Prozent der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche verloren gegangen und von der verbleibenden Fläche könnten nur noch drei Viertel bestellt werden, weil dort Lebensgefahr durch Minen und nicht explodierter Munition bestehe.
Als weiteres Problem kam hinzu, dass auch ukrainische Agrargüter aus Lagerbeständen nicht mehr mit dem Schiff ausgeführt werden konnten, weil die Häfen stark umkämpft waren und Russland später über Monate die ukrainischen Schwarzmeerhäfen blockierte und damit die Ausfuhr von Getreide verhinderte. Erst im Sommer 2022 wurde ein Abkommen ausgehandelt, wonach ukrainisches Getreide wieder exportiert werden konnte.
Auswirkungen vor allem auf arme Länder
Die Entwicklungen rund um das Kriegsgeschehen in der Ukraine haben in den ersten Kriegsmonaten dazu geführt, dass die ohnehin schon hohen Weltmarktpreise für Agrargüter, weiter explodiert sind. Laut einem Bericht des World Food Programmes (WFP) der Vereinten Nationen stieg der Preis für Weizen nach Kriegsbeginn innerhalb von nur zwei Wochen um 28 Prozent.
Die Preissteigerungen sowie die Verknappung von Lebensmitteln treffen besonders jene Länder, die stark von Importen abhängig sind. Laut WFP-Bericht gibt es weltweit fast 50 Nationen, die mehr als ein Drittel ihres Bedarfs an Weizenimporten über die Ukraine, Russland oder beide beziehen.
Länder wie Eritrea, Kasachstan, Mongolei und Armenien sind sogar zu fast 100 Prozent von Weizenimporten aus diesen beiden Ländern abhängig. Bei den betroffenen Ländern handelt es sich oft um sehr arme Staaten. In vielen dieser Länder sei die Situation aufgrund extremer Wetterereignisse und Missernten in den letzten Jahren ohnehin schon extrem angespannt.
Laut WFP waren zu Beginn des Jahres 2023 weltweit 345 Millionen Menschen akut von Hunger betroffen, ein Jahr zuvor waren es noch 283 Millionen Menschen. Dieser Anstieg sei eine Folge des Kriegs gegen die Ukraine, der negative wirtschaftliche Trends, vor allem ausgelöst durch die Corona-Pandemie, verstärkt habe. "Zwar konnten durch das Schwarzmeer-Getreideabkommen bisher knapp 22 Millionen Tonnen Nahrungsmittel exportiert und so die globalen Märkte stabilisiert werden, dennoch ist der Preisindex für Nahrungsmittel immer noch auf einem Zehnjahreshoch", so das WFP.
Nur geringe Auswirkungen auf Europa und Deutschland
Für Deutschland und die meisten anderen Länder der EU sehen Agrarexperten und -expertinnen die Versorgungssicherheit mit Lebensmitteln derzeit nicht in Gefahr. Bei Weizen haben die EU und Deutschland einen Selbstversorgungsgrad von mehr als 100 Prozent – das heißt, sie produzieren mehr, als für die eigene Versorgung benötigt wird. Deutschland ist in der EU nach Frankreich der zweitgrößte Getreideproduzent.
Letzte Aktualisierung: 17. April 2023
Weitere Informationen
WFP: Food security implications of the Ukraine conflict (englisch)
WFP: Krieg gegen die Ukraine befeuert weiter globale Ernährungskrise