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Werden Algen auch bei uns erzeugt?

Die Kultivierung von Algen ist in Asien schon lange ein etabliertes Geschäft. In Deutschland steht dieser Produktionsbereich noch ganz am Anfang.

Getrocknete, grün-blaue Mikroalgen-Biomasse.
Die Erzeugung von Mikroalgen, im Bild als getrocknete Biomasse, ist in Deutschland ein recht neuer Betriebszweig einiger landwirtschaftlicher Betriebe.
Quelle: Ralf Lüttmann, Landwirtschaftskammer Niedersachsen

Die Nachfrage nach Algenprodukten, ob als Nahrungsergänzungsmittel oder Grundstoff für die Kosmetik- und Arzneimittelindustrie, hat in den letzten Jahren stetig zugenommen. Einige landwirtschaftliche Erzeugerinnen und Erzeuger haben diesen Trend erkannt und sich ein neues Geschäftsfeld aufgebaut: die Erzeugung von Algen.

Doch was sind Algen überhaupt und wofür verwendet man sie? Wie werden sie kultiviert und warum interessieren sich gerade Landwirtinnen und Landwirte für deren Erzeugung?

Was sind Algen?

"Algen" sind eine sehr vielfältige Gruppe von Lebewesen mit tausenden von Arten, die überwiegend im Wasser – Süß- und Salzwasser – leben und wie Pflanzen Photosynthese betreiben. Im Gegensatz zu Landpflanzen nutzen Algen das Sonnenlicht jedoch effektiver und wachsen daher schneller.

Algen gehören zu den ältesten Organismen der Erde. Sie bieten nicht bloß Lebensräume und Nahrung für unzählige Tierarten, sondern sind auch der wichtigste Sauerstofflieferant der Erde: Jedes zweite Sauerstoffmolekül in der Luft stammt aus der Photosynthese von Algen.

Mikroalgen unter dem Mikroskop
Mikroalgen sind mikroskopisch klein und meist Einzeller.
Quelle: Sinhyu via Getty Images

Anhand ihrer Größe teilt man Algen in zwei Gruppen: Als Mikroalgen bezeichnet man mikroskopisch kleine Arten, die meist nur aus einer Zelle bestehen. Sie machen mit 80 Prozent den größten Teil aller Algenarten aus. Bekannte kultivierte Vertreter sind zum Beispiel Spirulina und Chlorella. Die restlichen 20 Prozent der Algenarten gehören zu den Makroalgen. Sie sind mit bloßem Auge zu erkennen und können bis zu 60 Meter lang werden.

Wofür werden Algen verwendet?

Makroalgen finden weltweit vor allem Verwendung als Lebensmittel. Bekannte Vertreter sind zum Beispiel die Rotalge Nori, die für die Sushi-Zubereitung genutzt wird, und die Braunalge Wakame als Zutat für die japanische Misosuppe.

Mikroalgen werden vor allem als Nahrungsergänzungsmittel verwendet. Aber auch in der Lebensmittelindustrie kommen sie zum Einsatz, zum Beispiel als Binde- oder Verdickungsmittel. Darüber hinaus gibt es noch eine Reihe anderer Anwendungsbereiche wie Kosmetik, Arzneimittel oder Tierernährung. Auch für die Biokraftstoff- oder Kunststoffherstellung bieten Mikroalgen großes Potenzial. In diesen Bereichen wird noch intensiv geforscht.

Grüne Tabletten liegen ausgekippt neben einer weißen Keramikschüssel.
Mikroalgen finden häufig Anwendung in Nahrungsergänzungsmitteln.
Quelle: Aleksandr Raptoviy via Getty Images

Algen gelten als sehr gesund. Sie enthalten viele Kohlenhydrate, vor allem Ballaststoffe, und nur wenig Fett. Einige Algen liefern essenzielle Fettsäuren, Mineralstoffe (vor allem Jod) und verschiedene für uns Menschen wichtige Vitamine, unter anderem Vitamin C und B12.

In der Diskussion um eine Reduzierung des Fleischkonsums werden Algen zudem häufig als Proteinquelle der Zukunft gehandelt. Manche Algen, zum Beispiel Spirulina und Chlorella, haben Proteingehalte von bis zu 60 Prozent und damit dreimal so viel wie Rindfleisch. Aber auch aus klimapolitischer Sicht findet das Thema Algenerzeugung ein immer größeres Interesse. Denn die schnellwachsenden Algen binden in gleicher Zeit, mehr CO2 als Landpflanzen.

Erzeugung von Algen weltweit, Europa und Deutschland

Zwischen 1950 und 2019 ist die Produktion von Algen weltweit von rund einer halben Millionen Tonnen auf knapp 36 Millionen Tonnen angestiegen. Dabei handelt es sich fast ausschließlich um Makroalgen. Der Anteil der Mikroalgen liegt weltweit bei gerade mal 0,16 Prozent.

Nur drei Prozent der weltweit gehandelten Algen werden wild gesammelt, 97 Prozent stammen aus Aquakulturen. Über 85 Prozent davon werden in China (20 Millionen Tonnen) und Indonesien (10 Millionen Tonnen) erzeugt, geringere Anteile auch in Süd-Korea (1,8 Millionen Tonnen) und auf den Philippinen (1,5 Millionen Tonnen).

Europa hat mit gerade mal 290.000 Tonnen einen Anteil von weniger als einem Prozent an der weltweit erzeugten Algenmenge. Die mengenmäßig größten Erzeuger sind Norwegen, Frankreich und Irland, wo zusammen etwa zwei Drittel der europäischen Algen produziert werden. In diesen Ländern werden überwiegend Makroalgen erzeugt. Entgegen dem weltweiten Trend werden in Europa etwa zwei Drittel der Makroalgen aus Wildbeständen geerntet und nur ein Drittel aus Aquakultur.

Hierzulande spielt die Erzeugung von Makroalgen keine Rolle. In Deutschland gibt es aber inzwischen eine Reihe von Unternehmen, die sich auf die Produktion von Mikroalgen spezialisiert haben. Mit 14 Unternehmen liegt Deutschland in Europa nach Spanien auf Platz zwei.

Wie werden Algen kultiviert?

Makroalgen werden weltweit zu 97 Prozent in Aquakultursystem auf See oder in künstlichen Tanks an Land erzeugt. Die Erzeugung auf See dominiert, weil sie in der Regel die günstigste Form der Erzeugung ist. Sie findet meist in Küstennähe statt, seltener auch off-shore. Die Kultivierung in künstlichen Tanks ist aufwändiger und teurer, kann dafür aber besser kontrolliert und standardisiert werden. In solchen Anlagen werden daher höherpreisige Algen kultiviert.

Mikroalgen werden in künstlichen Anlagen – in sogenannten Photobioreaktoren – kultiviert. Sie vermehren sich durch Zellteilung und brauchen dafür – wie Pflanzen – Kohlendioxid aus der Luft, Sonnenlicht, Nährstoffe und Wasser. Die Kultivierung läuft dabei immer nach einem ähnlichen Schema ab: Eine Starterkultur der Alge wird in eine wässrige Nährlösung gegeben, die durch Pumpen ständig im Fluss gehalten und durchmischt wird. Dies sorgt dafür, dass alle Algen genügend Licht bekommen und nicht an den Wandungen des Reaktors ansetzen.

Ein mit einem speziellen Gewebe überdachtes Becken, in dem Mikroalgen kultiviert werden.
Einige Mikroalgen, wie Spirulina, können in solchen Open-Pond-Systemen kultiviert werden.
Quelle: Ralf Lüttmann, Landwirtschaftskammer Niedersachsen

Bei den Reaktoren unterscheidet man zwischen geschlossenen und offenen Systemen. In offenen Systemen – auch Open-Pond-Systeme genannt – wird die Nährlösung durch künstliche Becken geleitet, die sich unter freiem Himmel befinden oder durch ein Gewächshaus oder Ähnliches überdacht sind.

Die offenen Becken stellen die günstigste Lösung dar, bergen aber die Gefahr, dass fremde Algen, Fressfeinde oder Schmutz in das System eindringen und das Wachstum der Algen behindern beziehungsweise das Ernteprodukt verunreinigen. Weniger empfindliche Algenarten wie Spirulina lassen sich in solchen Becken jedoch gut kultivieren.

Chlorella-Algen zum Beispiel sind sehr viel empfindlicher gegenüber Verunreinigungen und Abweichungen bei der Nährlösung, sodass diese meist in geschlossenen Systemen kultiviert werden. Geschlossen bedeutet: Die Nährlösung wird durch rundherum geschlossene Röhren oder anders geformte Behälter aus Kunststoff oder Glas geleitet. Darin kann das Nährmedium sehr genau kontrolliert und eingestellt werden.

Anlage mit mehreren übereinander gelagerten Glasrohren, in denen Algen kultiviert werden.
Sehr empfindliche Mikroalgen werden in geschlossenen Reaktoren, wie zum Beispiel in einer solche Glasrohr-Anlage, kultiviert.
Quelle: onurdongel via Getty Images

Je nach Algenart, Lichtverhältnissen, Temperatur sowie anderen Faktoren durchlaufen die Algen die Systeme unterschiedlich lang, bis die gewünschte Biomassekonzentration erreicht ist. Am Ende des Prozesses wir die Algenbiomasse dann mit speziellen Erntemaschinen dem Wasser entnommen und getrocknet, sodass die Masse später zu Pulver oder anderen Erzeugnissen verarbeitet werden kann.

Warum eignet sich die Zucht von Mikroalgen gut für landwirtschaftliche Betriebe?

Der seit Jahren anhaltende Strukturwandel in der Landwirtschaft hat dazu geführt, dass zahlreiche landwirtschaftliche Betriebe nach Alternativen zur herkömmlichen Erzeugung suchen. Die Algenkultivierung ist eine solche Alternative mit einer derzeit steigenden Nachfrage. Einige Betriebe, die meisten davon in Norddeutschland, haben diesen Trend erkannt und sind auf den Zug aufgesprungen. Sie haben sich – teilweise neben der bestehenden Landwirtschaft – einen Betriebszweig "Mikroalgenkultivierung" aufgebaut, um den deutschen Markt mit heimischer Ware zu beliefern. Die hierzulande erzeugten Mikroalgen werden hauptsächlich für Nahrungsergänzungsmittel verwendet.

Grüne Algenbiomasse auf einem Förderband am Ende des Kultivierungsprozesses.
Die Algenbiomasse wird mit einer speziellen "Erntemaschine" vom Wasser getrennt, anschließend getrocknet und verarbeitet.
Quelle: Ralf Lüttmann, Landwirtschaftskammer Niedersachsen

Dass die Mikroalgenkultur in erster Linie Landwirtinnen und Landwirte anspricht, hat unter anderem rechtliche Gründe. 2016 hat die EU per Verordnung festgelegt, dass es sich bei kultivierten Algen um ein landwirtschaftliches Erzeugnis handelt. Somit ist die Produktion von Algen primär der Landwirtschaft zugehörig. Dies hat zahlreiche Vorteile für Landwirtinnen und Landwirte, zum Beispiel in Sachen Versteuerung von Einkünften, Versicherung und Baurecht. Dass sich Landwirtinnen und Landwirte zur Algenkultur berufen fühlen, hat aber auch fachliche Gründe: denn schließlich handelt es sich ja auch bei Mikroalgen um photosynthetisch aktive Organismen, die mit Nährstoffen versorgt werden müssen.

Erfolgreiche Algenkultur ist kein Selbstläufer

"Der Weg zum erfolgreichen Algenproduzenten ist nicht einfach", weiß Ralf Lüttmann von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen, der in den letzten Jahren einige Betriebe bei der Umstellung baurechtlich begleitet hat. "Für eine Algenkultivierungsanlage müssen Landwirtinnen und Landwirte auf der einen Seite viel Geld in die Hand nehmen. Auf der anderen Seite gibt es aber bislang noch keine verlässlichen betriebswirtschaftlichen Daten für diesen Produktionsbereich", so Lüttmann. Entscheidend für die Wirtschaftlichkeit sei am Ende die Menge an produzierter Biomasse und der Preis pro Kilogramm Trockenmasse. Günstige Ware aus Asien setze die hiesigen Produzenten erheblich unter Druck.

Wo in Deutschland werden Algen erzeugt?

Mit der Deutschen Algen Genossenschaft (DAG) gibt es in Norddeutschland den europaweit größten Zusammenschluss von Mikroalgenerzeugern. Elf Betriebe kultivieren Algen für die DAG, vor allem Spirulina, aber auch Chlorella – zum Teil bio-zertifiziert. Neben den in der Genossenschaft organisierten Betrieben gibt es noch ein paar andere. In Klötze in Sachsen-Anhalt steht der derzeit größte geschlossene Photobioreaktor Deutschlands. In einem mehr als 500 Kilometer langen Glasröhrensystem werden dort in erster Linie Chlorella-Algen erzeugt – auch hier bio-zertifiziert.

Letzte Aktualisierung: 11. März 2024


Weitere Informationen

Oekolandbau.de: Algen in Bio-Qualität: Grün-blaue Zukunft auch in Europa?

Oekloandbau.de: Makro- und Mikroalgen à la Bio

BZfE: Algen - Vielfalt aus dem Meer


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