Haltungsformen für Milchkühe
Rund 3,7 Millionen Milchkühe werden in Deutschland gehalten. Aber wie? Die am weitesten verbreiteten Haltungsformen im Überblick.
Das Rind ist eines unserer ältesten Nutztiere und hat unser Landschaftsbild entscheidend mitgeprägt. Viele Kulturlandschaften wie die Marschen in der Nordwestdeutschen Tiefebene, die offenen Weiden in den deutschen Mittelgebirgen oder die Almen in den Alpen sind durch Kühe und Jungrinder entstanden.
Milch ist aber auch ein großer Wirtschaftsfaktor. Deutschland gehört zu den größten Milcherzeugern der Europäischen Union (EU). Gehalten werden Milchkühe hierzulande vor allem dort, wo es einen hohen Anteil an Grünland, also Wiesen und Weiden gibt. Der Hauptgrund dafür ist, dass Kühe mit ihren vier Mägen – im Gegensatz zu beispielsweise Schweinen oder Geflügel – das Raufutter aus Gras besser verwerten können. Die Milchproduktion auf Grünlandstandorten ist also zum einen aus biologischen Gründen sinnvoll und zum anderen auch wirtschaftlicher als in reinen Ackerbauregionen ohne Grundfutter.
Milchviehhaltung an Grünlandstandorten
Bayern mit seinem Voralpenland und Niedersachsen mit seinem Grünlandgürtel entlang der Nordsee sind deshalb die beiden Bundesländer in Deutschland, in denen zusammen fast die Hälfte aller Kühe steht. In keinem anderen Bundesland gibt es so viele Milchviehbetriebe wie in Bayern, gleichzeitig sind die Milchkuhherden nirgendwo sonst so klein wie dort. Im Schnitt halten bayerische Milchviehbetriebe 45 Tiere. Im extremen Gegensatz dazu der Osten Deutschlands: hier stehen die größten Milchkuhherden. Spitzenreiter ist Mecklenburg-Vorpommern: Hier halten die Betriebe im Durchschnitt 242 Tiere.
Haltungsformen im Überblick
Etwa 87 Prozent aller Milchkühe in Deutschland werden in offenen Laufställen gehalten. Das geht aus der letzten Landwirtschaftszählung des Statistischen Bundesamtes aus dem Jahr 2020 hervor. Aber auch die Anbindehaltung, die in früheren Zeiten die Regel war, gibt es heute noch in rund 11,5 Prozent der Betriebe. Sie ist meist in sehr kleinen Milchbetrieben zu finden, vorwiegend im Süden Deutschlands.
Knapp 31 Prozent der deutschen Milchkühe haben im Schnitt etwa sechs Monate pro Jahr Weidegang.
Anbindeställe
Der Anbindestall war lange Zeit die vorherrschende Haltungsform für Kühe. Die Kühe kamen früher tagsüber auf die Weide und wurden nachts angebunden. Im Winter standen sie die ganze Zeit auf demselben Platz. Der Vorteil des Anbindestalls lag vor allem in seinem geringen Platzbedarf und den geringen Kosten pro Tierplatz.
Anbindeställe gibt es auch heute noch in allen Bundesländern – vor allem aber in Bayern und Baden-Württemberg. Das liegt daran, dass hier die Betriebe und Bestände traditionell kleiner sind. In der ökologischen Tierhaltung sind Anbindeställe nur in Ausnahmefällen für Kleinbetriebe zugelassen.
Kritikerinnen und Kritiker bemängeln, ein Anbindestall sei kein tiergerechtes Haltungssystem für Milchkühe. Durch das Angebundensein fehle den Tieren Bewegungsfreiheit und die Sozialkontakte seien insbesondere bei fehlendem Weidegang sehr eingeschränkt. Problematisch ist zudem, dass die zumeist sehr alten Anbindeställe nicht mit den Kühen mitgewachsen sind.
Moderne Hochleistungskühe sind vom Wuchs her deutlich größer und finden in den alten Ställen häufig nicht genug Platz. Durch diese Enge können sie zum Beispiel nicht alle gleichzeitig liegen. Die Kuh kann auch nicht zwischen verschiedenen "Funktionsbereichen" wählen – das bedeutet Fressen, Liegen und Ausscheidung finden an einem Platz statt.
Um diesen Missstand zu beheben, hat die Bundesregierung beschlossen, die ganzjährige Anbindehaltung grundsätzlich zu verbieten. Für kleine Betriebe mit bis zu 50 Tieren (über sechs Monate alt) soll jedoch eine sogenannte "Kombihaltung" erlaubt bleiben. Das bedeutet: Die Kühe dürfen zwar im Stall angebunden werden, müssen während der Weidezeit jedoch Zugang zur Weide und außerhalb der Weidezeit mindestens zweimal wöchentlich Zugang zu einem Freigelände haben. Mit der Kombihaltung will die Bundesregierung den Bergbauern und Almen gerecht werden, die ihre Rinder zwar häufig noch angebunden halten, die gleichzeitig jedoch für den Erhalt von artenreichen Wiesen- und Weidelandschaften sehr wichtig sind.
Bestehenden Betriebe mit Anbindehaltung wird eine Übergangszeit von zehn Jahren eingeräumt, um sich auf die neue Regelung einzustellen. Nach aktuellem Zeitplan des BMEL soll die Gesetzesänderung noch im Sommer 2024 durch den Bundesrat gehen und dann Mitte 2025 in Kraft treten.
Tiefstreu-, Tretmist- und Kompostställe
Tiefstreu-, Tretmist- und Kompostställe sind Sonderhaltungsformen mit Bewegung und Einstreu. Diese Haltungsformen sind eher selten anzutreffen. Eine Option sind sie vor allem für Landwirtinnen und Landwirte, die bestehende ältere Stallanlagen mit kleineren Kuhbeständen modernisieren wollen, anstatt einen neuen Boxen-Laufstall zu errichten.
Vor allem für Tiefstreuställe können alte Stallgebäude gut genutzt werden. Die Einstreu bietet den Tieren eine freie und komfortable Liegefläche. Sie können ungehindert abliegen und aufstehen und haben viel Bewegungsfreiheit. Die erforderliche kontinuierliche Zufuhr von frischer Einstreu bedeutet für Landwirtinnen und Landwirte jedoch einen höheren Einstreubedarf und mehr Arbeitsaufwand.
Beim Tretmiststall treten die Kühe den Mist durch eine minimale Neigung der dick eingestreuten Liegefläche sozusagen selbständig auf den Laufgang, wo er dann regelmäßig entfernt wird. Beim Kompoststall wird statt mit Stroh mit Sägespänen eingestreut und die Einstreu der Liegefläche regelmäßig gewendet, um dadurch eine mikrobielle Aktivität zu erzeugen, die die Einstreu schon im Stall zu wertvollem Dünger umwandelt.
Boxenlaufställe
Die heute vorherrschende Haltungsform sind Boxenlaufställe. In ihnen sind die Funktionsbereiche Fressen, Liegen und Bewegen klar voneinander getrennt. Einige Betriebe haben auch einen Laufhof im Freien, zu dem die Kühe den ganzen Tag Zugang haben.
Die Kühe können sich frei bewegen, am Futtertisch Futter aufnehmen, zum Kraftfutterstand oder zur Tränke gehen oder in ihren Liegeboxen liegen. Diese gibt es als Hochboxen, bei denen die Tiere die mit einer Gummimatte ausgelegte Fläche über eine Schwelle erreichen und als Tiefboxen, eine mit Strohhäcksel, Sand oder Sägemehl eingestreute Mulde. Kühe liegen nicht gerne auf hartem Untergrund, sondern bevorzugen elastische und verformbare Liegeflächen. Die Boxenmaße sind so bemessen, dass sich die Tiere dort ungehindert hinlegen und wieder aufstehen und die Box verlassen können.
Die Laufflächen sind entweder planbefestigt, also betoniert, und werden dann mit einem automatischen Schieber gereinigt oder mit Spaltenboden versehen. Bei Spaltenböden wird der Kot durch die Schlitze in den Betonelementen in einen darunter gelegenen Güllekeller getreten wird. In vielen Laufgängen sind rotierende Kuhbürsten angebracht, die die Kühe gern zur Körperpflege annehmen. Bei ausreichendem Raumangebot haben die Tiere in einem Boxenlaufstall die Möglichkeiten zu Interaktion und zu Sozialkontakten.
An Tränkewannen können die Kühe aus einer stehenden Wasseroberfläche trinken. Bei großer Hitze werden zusätzliche Ventilatoren und Sprühkühlungen eingesetzt, um Hitzestress zu vermeiden.
Meist wird zweimal am Tag, in großen Betrieben auch dreimal am Tag, im Melkstand oder Melkkarussell gemolken, zu dem sich die Tiere hinbewegen. Seit einigen Jahren gibt es auch Melkroboter, die dies vollautomatisch erledigen. Mit Herdenmanagementprogrammen und täglich mehrmaliger Tierbeobachtung überwachen Landwirtinnen und Landwirte das Wohl ihrer Tiere.
Boxenlaufställe bringen nicht nur für die Tiere Vorteile mit sich. Auch Milchviehhalterinnen und Milchviehhalter können viele zeitraubende Arbeiten wie Entmisten oder Melken vereinfachen oder automatisieren. Das große Luftvolumen mit hoher Luftzirkulation in den hohen Ställen bietet Tier und Mensch ein gutes Raumklima, im Gegensatz zu den niedrigen meist in Massivbauweise gebauten Anbindeställen in Altgebäuden.
Weidegang
Ob und wie viel Zeit Milchkühe auf der Weide verbringen ist regional sehr unterschiedlich und hängt auch von der Betriebsgröße ab. Vor allem in Niedersachsen und Schleswig-Holstein erhalten Kühe regelmäßig Weidegang. Dort haben noch viele Betriebe arrondierte, also den Hof umgebende Marschwiesen, die sie nutzen können, ohne verkehrsreiche Straßen überwinden zu müssen.
Kleine und mittelgroße Betriebe bieten im Durchschnitt mehr Weidegang als große Betriebe. In großen Milchviehherden mit über 200 Kühen ist die benötigte Grünlandfläche im betriebsnahen Bereich meist der begrenzende Faktor. In solch großen Betrieben ist der Weidegang daher häufig wenig praktikabel. Hier hatte 2019 nur jede achte Kuh Weidezugang. Bei mittelgroßen Betrieben mit 50 bis 199 Tieren traf dies auf 38 Prozent der Kühe zu, bei kleineren Betrieben mit weniger als 50 Kühen auf 41 Prozent.
Milch, die von den Molkereien als "Weidemilch" vermarktet wird, stammt übrigens von Kühen, die im Laufe des Jahres an mindestens 120 Tagen mindestens sechs Stunden auf der Weide waren.
Die Weide kommt dem Bedürfnis der Tiere nach uneingeschränkter Bewegung, Licht und Luft nach. Für eine hohe Milchleistung ist das Futter auf der Weide jedoch nicht ausreichend, weil es die dafür notwendige Energieversorgung nicht liefern kann. Dafür benötigen die Tiere weitere wichtige Nährstoffe als Ergänzung, die sie meist bei der Hauptfütterung im Stall erhalten.
Bei hohen Temperaturen bleiben die Kühe ganz von sich aus lieber im Stall. Denn Kühe lieben es kühl – ihre Wohlfühltemperatur liegt zwischen -7 und +17 Grad Celsius. Viele Landwirtinnen und Landwirte setzen daher auf Mischformen und kombinieren die Stallhaltung mit einem Laufhof oder einer Auslaufweide am Stall, um die Vorzüge beider Haltungsformen zu vereinen.
Letzte Aktualisierung: 19. Juni 2024
Weitere Informationen
Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL): Nutztierhaltung – Rinder
BMEL: Fragen und Antworten zur Änderung des Tierschutzgesetzes: Anbindehaltung