Piwis: Wein der Zukunft
Pilzresistente Rebsorten, sogenannte Piwis, unterstützen einen nachhaltigen Weinbau und liefern qualitativ hochwertige Weine.
Schon mal einen 'Helios' probiert? Einen 'Donauriesling'? Vielleicht einen 'Pinot Nova'? Nein? Das dürfte derzeit noch auf die Mehrzahl der Weinfans zutreffen, könnte sich aber bald schon ändern. Denn die Weine mit den klangvollen Namen gehören zu einer neuen Generation von Rebsorten, den sogenannten Piwis.
Piwi steht für pilzwiderstandsfähige Weinreben, und die werden mittelfristig immer mehr an Bedeutung gewinnen. Denn 'Solaris', 'Muscaris', 'Johanniter' und eine Reihe weiterer Neuzüchtungen halten nicht nur geschmacklich locker mit gängigen Rebsorten mit, sie haben ihnen zudem einige zukunftsträchtige Eigenschaften voraus.
Was bedeutet pilzwiderstandsfähig in der Praxis?
Piwis besitzen eine hervorragende Widerstandsfähigkeit gegenüber bedeutenden Pilzkrankheiten - allen voran Echten und Falschen Mehltaupilzen (Erysiphe necator, Plasmopara viticola). Auch gegen Grauschimmel (Botrytis cinerea) sind sie oft deutlich weniger anfällig. Pilzliche Schaderreger machten bislang den regelmäßigen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln im Weinbau nahezu unverzichtbar – selbst im Bio-Anbau, wo Winzerinnen und Winzer oft notgedrungen auf die für diesen Zweck ganz offiziell zugelassenen Kupferspritzmittel zurückgreifen mussten.
Werden diese Schadpilze dank robuster Sorten ausgebremst, kann der Spritzmitteleinsatz deutlich verringert werden – laut Deutschem Weininstitut um bis zu 80 Prozent.
Auch "die Neuen" besitzen zwar keine vollständigen Resistenzen gegenüber den Schaderregern; sie sorgen aber dafür, dass sich der Befall in engen Grenzen hält und weder den Ertrag noch die Traubenqualität gefährdet.
Dabei bedienen sich die Reben eines cleveren Mechanismus: Wo es Mehltausporen gelungen ist, auf den Blättern auszukeimen, lassen die Pflanzen die befallenen Zellen gezielt absterben. Dabei gehen auch die auskeimenden Pilzsporen zugrunde.
Gegen Grauschimmel sind die Weinneulinge aufgrund ihrer physikalischen Eigenschaften ebenfalls gut gewappnet: Die meisten Piwis bilden locker aufgebaute Trauben mit kleineren Einzelfrüchten, die nach Niederschlägen rasch abtrocknen. Das erschwert es den feuchtigkeitsliebenden Pilzsporen, sich anzusiedeln. Zudem besitzen viele Piwis eine besonders feste Beerenhaut – eine wirkungsvolle mechanische Barriere.
Wie funktioniert die Züchtung?
Schon beim Kampf gegen die Reblaus zu Beginn des 20. Jahrhunderts erwiesen sich wilde, aus Amerika und Asien stammende Rebarten als Retter in der Not. So auch diesmal, beim Kampf gegen die Schadpilze.
Bis zur Marktreife einer neuen Sorte ist es allerdings ein langer Weg:
- Blüten einer Edelsorte werden zunächst gezielt mit dem Pollen einer Wildart befruchtet und anschließend mit Säckchen umschlossen, um einen Kontakt mit unerwünschtem Pollen zu verhindern.
- Aus den Kernen der sich bildenden Trauben werden Pflanzen herangezogen, die nach einigen Jahren wiederum die ersten Früchte tragen.
- Leider erben die Neuzüchtungen von den Wildarten neben den Resistenzgenen auch unerwünschte Eigenschaften, etwa geringere Erträge oder einen unangenehmen Geschmack. Daher wird nun mehrere Male in Folge eine Rückkreuzung mit der Edelsorte vorgenommen – die Blüten der Neuzüchtung werden also jeweils mit Pollen der Edelsorte bestäubt.
- Nach den Rückkreuzungen sind etwa 15 bis 20 Jahre vergangen und die unangenehmen Geschmacksanteile im Idealfall weitgehend verschwunden. Auch die Ertragsleistung stimmt mittlerweile. Nun braucht es aber nochmals etwa 25 Jahre Züchtungsarbeit, um aus den Nachkommen die besten auszuwählen, die das Potenzial für eine neue Sorte haben.
Seit wann gibt es Piwis?
Flächenmäßig am weitesten verbreitet ist die älteste Piwi-Sorte: ’Regent‘. Sie entstand 1967 am Institut für Rebenzüchtung des Julius Kühn-Instituts (JKI) und erhielt 1994 Sortenschutz. Recht bekannt sind mittlerweile auch die Sorten 'Cabernet blanc' (gekreuzt 1991, Sortenschutz 2008) und 'Souvignier gris' (gekreuzt 1983, Sortenschutz 2012).
Aufgrund des langen Züchtungszeitraums wird längst schon an der dritten Generation Piwis gefeilt. Zu den Züchtungszielen gehört neben einer hervorragenden Pflanzengesundheit nun auch eine späte Blütezeit als Anpassung an den Klimawandel. Denn milde Winter und hohe Frühjahrstemperaturen führen vielerorts dazu, dass die Rebstöcke früher austreiben und blühen. Entsprechend werden sie dann umso stärker geschädigt, wenn Spätfröste auftreten, denn die wiederum haben sich zeitlich nicht verschoben.
Wer baut Piwis an?
Piwis sind für konventionell wirtschaftende Betriebe grundsätzlich genauso interessant wie für Bio-Betriebe: Wer seltener und weniger Pflanzenschutzmittel ausbringen muss, spart Zeit und Geld.
Bislang kommen Piwis allerdings nur auf rund drei Prozent der Anbaufläche in Deutschland zum Einsatz. Der Grund liegt in der Vermarktungssituation: Die Piwi-Sorten sind schlicht noch zu unbekannt und die meisten Verbraucherinnen und Verbraucher greifen automatisch zu den bekannten Sorten. Das bedeutet für die anbauenden Betriebe ein Risiko, das viele noch scheuen.
Besonders groß ist das Interesse an Piwis bei den Bio-Winzerinnen und Winzern. Sie können in der Regel einen anderen Kundenstamm bedienen und mit einem gesteigerten Interesse an den Anbau- und Produktionsprozessen rechnen. Doch auch konventionelle Weinbau-Betriebe zeigen sich zunehmend interessiert.
Verbraucherinnen und Verbraucher können aktiv dazu beitragen, den ökologisch sinnvollen Anbau von Piwis voranzubringen, indem sie bei den Weingütern und Weinhandlungen ihres Vertrauens gezielt nach entsprechenden Weinen fragen.
Letzte Aktualisierung: 15. März 2024
Weitere Informationen
Piwi International - Nachhaltiger Weinbau mit pilzwiderstandsfähigen Rebsorten