Das Jahr des Winzers
Hoch im Weinberg und tief im Keller – so abwechslungsreich ist der Arbeitsalltag von Winzerinnen und Winzern.
Winter: Reben in Form bringen
Während viele Landwirtinnen und Landwirte im Winter ihre Büroarbeit erledigen, stiefelt Andreas Stutz bereits im Januar durch seine Weinberge. In den ersten drei Monaten des Jahres bringt der Heilbronner Bio-Winzer seine Rebstöcke in Form. Normalerweise würden die Weinreben kreuz und quer über den Boden wuchern oder sich an Bäumen oder Pfählen hochranken. Doch die Winzerinnen und Winzer ersticken diesen Wildwuchs bereits im Keim. Sie schneiden die Fruchtruten an und integrieren diese durch Biegen und Anbinden in das Drahtgerüst. Fast alles in Handarbeit.
Frühjahr: Boden düngen und begrünen
Im Frühjahr wird der Boden sorgfältig gelockert und gedüngt. Damit der Boden bedeckt ist und immer schön locker bleibt, sät Bio-Winzer Stutz ein Gemisch aus Kräutern zwischen die Rebenreihen. Darunter Wildkräuter wie Schafgarbe und Wilde Möhre und Leguminosen wie Klee und Wicke. Letztere können Stickstoff aus der Luft binden und diesen wichtigen Nährstoff für die Reben verfügbar machen. Außerdem locken Klee und Co. Bienen, Schlupfwespen und Vögel an. Diese Nützlinge halten dann Schädlinge wie den Traubenwickler oder Blattläuse im Zaum.
Auch die Pflege der Reben ist noch längst nicht abgeschlossen. Im März und April brechen die Winzerinnen und Winzer unerwünschte Triebe aus. Zu viele Triebe würden sich gegenseitig behindern und zu viele Trauben bringen. Ist der Fruchtertrag zu hoch, geht das zu Lasten der Qualität. Im Weinbau geht es nicht allein um hohe Erntemengen, sondern um die optimale Qualität. Ein Gradmesser dafür ist der Zuckergehalt der Früchte, gemessen in Grad Öchsle. Damit die Trauben süß werden, brauchen sie viel Sonne, Luft und Licht.
Sommer: Pflanzen schützen und pflegen
Zwischen Mai und August werden die Reben – wie beim Heckenschnitt – gestutzt und geschnitten: entweder per Hand oder mit Traktor und Mähbalken. Maschinell geht es schneller. Allerdings verdichtet der Traktor auch den mühsam gelockerten Boden wieder.
Größere Sorgen bereitet Winzerinnen und Winzern im Sommer aber die Aufgabe, die Reben gegen Krankheiten zu schützen: vor allem gegen Echten und Falschen Mehltau. Gegen diese Pilzkrankheiten können in Bio-Betrieben Kupfer, Schwefel und Kräuterpräparate gespritzt werden, in konventionellen Betrieben auch chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel. Allerdings gibt es mittlerweile auch pilzwiderstandsfähige Rebsorten, die sogenannten Piwis. "Bei diesen robusten Weinsorten kann ich die Zahl meiner Behandlungen von zwölf auf drei drastisch reduzieren", freut sich Öko-Winzer Stutz, der mittlerweile 15 verschiedene Piwis anbaut.
Seit ein paar Jahren machen überdies längere Trockenphasen im Sommer den Reben zu schaffen. Der Klimawandel ist auch im Weinberg angekommen. Zwar fällt übers Jahr gesehen nicht weniger Niederschlag, aber die Verteilung hat sich geändert. Es gibt längere Regenphasen, aber auch andauernde trockene Zeiten. Ist die Dürre zu stark, müssen die Winzerinnen und Winzer bewässern.
Herbst: Die Früchte der Arbeit ernten
Ab September beginnt dann die eigentliche Traubenernte, Lese genannt. Zuerst sind die frühen Sorten wie 'Müller-Thurgau' dran, dann 'Silvaner' und 'Burgunder', zuletzt 'Riesling' und 'Lemberger'. Besonders an steilen Stellen ist das immer noch eine Menge Handarbeit. Entsprechend sind viele Helferinnen und Helfer gefragt.
"Früher haben vor allem Nachbarn und Bekannte bei der Lese geholfen, heute arbeiten wir meist mit professionellen Erntehelfern aus Osteuropa. Allerdings macht uns der steigende Mindestlohn in Deutschland zu schaffen. Die hohen Lohnkosten zwingen uns dazu, immer mehr Maschinen im Weinbau einzusetzen", erklärt Öko-Winzer Stutz.
Der gelernte Weinbautechniker taucht im Herbst im Keller unter. Dort gehen die frisch geernteten blauen und weißen Trauben getrennte Wege. Beide werden von Stielen befreit und gepresst. Aber beim Rotwein müssen die roten Farbstoffe noch aus der Schale in den Wein gelangen: Das geht klassisch bei der Gärung der gequetschten Trauben (Maische). Alternativ lässt sich die Maische auch erhitzen.
Die Verwandlung von Saft in Wein entsteht durch Gärung. Dabei wandeln Hefepilze den Zucker im Traubensaft zu Alkohol um. Während der Weißwein bereits im April des Folgejahres genussreif ist, dauert es beim Rotwein deutlich länger: etwa ein Jahr im Edelstahltank und zwei bis vier Jahre im Holzfass.
Zu guter Letzt: Filtrieren und Abfüllen
Egal ob rot oder weiß – bevor der Wein in die Flasche kommt, müssen alle Trübstoffe und restlichen Hefeteilchen raus. Dazu müssen die Kellermeisterinnen und Kellermeister ihren Wein mehrfach filtrieren und klären. Ansonsten könnte der Wein später in der Flasche trüb werden oder nachgären. "Etwa 40 Prozent meiner Arbeitszeit verbringe ich im Keller, 40 Prozent auf dem Weinberg und weitere 20 Prozent brauche ich für die Vermarktung. Wir sind Landwirt, Kellermeister und Händler zugleich", erklärt Stutz den Reiz seines Berufes.
Eine eher lästige Pflicht ist die Büroarbeit. Jeder Weinbaubetrieb muss beispielsweise Pflanzenschutzmaßnahmen, Ernte- und Abfüllmengen genau dokumentieren. Wer Prämien für einen umweltfreundlichen, nachhaltigen Weinbau bekommen will, muss diesen Punkt für Punkt belegen. Und während der Weinreife gilt es, viele Proben zu ziehen und ins Labor zu schicken. So analysiert die amtliche Qualitätsweinprüfung jeden Wein auf seine Inhaltstoffe wie zum Beispiel Alkohol, Säure und Restzucker. Nach Trinkwasser ist Wein das am besten kontrollierte Lebensmittel in Deutschland.
Letzte Aktualisierung: 15. März 2024