Lebensmittelproduktion in der Stadt
Von Urban Gardening bis zur essbaren Stadt - es gibt immer mehr und ganz unterschiedliche Modelle der urbanen Lebensmittelproduktion.
Die eigene Tomate, das Brot vom Nachbarhof, die Bio-Kiste vor der Haustür, immer mehr Menschen wollen wissen, wo ihr Essen herkommt und wer es herstellt. Neben bewährten Konzepten wie Abo-Kisten oder Hofläden entstehen seit gut 20 Jahren immer mehr und neue Formen der urbanen Lebensmittelproduktion.
Das Spektrum reicht von jungen Start-ups, die mit Hightech-Aquaponik Fischzucht und Gemüseproduktion betreiben, über den selbstorganisierten Gemeinschaftsgarten, bis zu Radieschen auf dem Balkon.
Viele Menschen haben Spaß am Selbermachen und Lust auf Gemeinschaftsprojekte. Immer mehr suchen auch nach Alternativen zur Massenproduktion. Sie wünschen sich eine lebendige und vielfältige Landwirtschaft, die nachhaltig und zukunftsfähig ist.
Die Verbesserung der urbanen Lebensmittelerzeugung spielt aber auch für Städte und Kommunen eine immer größere Rolle. Denn der Klimawandel und die Erschöpfung der fossilen Rohstoffe bringen über kurz oder lang nicht nur die intensive Landwirtschaft an ihre Grenzen, sondern bergen auch Risiken für die Ernährungsversorgung der Städte.
Immer mehr Städte gehen daher neue Wege bei der Versorgung ihrer Bevölkerung mit Lebensmitteln. Die niederländische Stadt Almere bei Amsterdam hat sich beispielsweise vorgenommen, 20 Prozent des täglichen Grundbedarfs ihrer Einwohner im Umland zu produzieren. Die Millionenstadt Havanna erzielt durch Förderprogramme mittlerweile einen Selbstversorgungsgrad von 60 bis 80 Prozent bei Gemüse und Obst und die französische Stadt Albi möchte ihren Lebensmittelbedarf sogar zu 100 Prozent mit Produkten decken können, die im Umkreis von 60 Kilometern produziert wurden.
In vielen deutschen Städten haben sich sogenannte Ernährungsräte gegründet, die sich unter anderem mit solchen Fragen beschäftigen.
Urban Gardening
Was für Profi-Gemüsegärtnerinnen und Gemüsegärtner aussieht wie eine Spielzeugkiste mit Gemüsepflänzchen, ist für viele Gemeinschaftsgärtner Teil einer neuen Stadt- und Lebenskultur. Sie gärtnern in Hochbeeten, Blumenkästen, Kübeln auf Brachflächen oder Stadtparkbeeten. Meist geht es um mehr als um Selbstversorgung. Es geht um neue Erfahrungen – zusammen mit anderen – um Lernen, Tauschen und Teilen. In Deutschland gibt es inzwischen hunderte Gemeinschaftsgärten. Und jeder hat seinen eigenen Charakter. Manche Gärten haben auch Angebote für Schülerinnen und Schüler und veranstalten Workshops oder Feste.
Selbsterntegärten
Selbsterntegärten stehen für eine Kooperation, bei der sich Landwirtinnen und Landwirte die Arbeit und den Acker mit Verbraucherinnen und Verbrauchern teilen. Das Prinzip: Die Profis pflanzen eine große Gemüsevielfalt. Im Frühjahr bekommt jeder Kunde und jede Kundin einen langen Ackerstreifen mit allen Kulturen, die er/sie dann selbst pflegt und erntet.
Solidarische Landwirtschaft (Solawi)
Solidarische Landwirtschaft ist eine große Chance zur Erhaltung kleinbäuerlicher, vielfältiger landwirtschaftlicher Betriebe. Bei diesem Modell schließen sich ein oder mehrere Höfe und eine Verbrauchergemeinschaft zusammen. Einmal jährlich werden Jahresbudget, Anbaumethoden und Qualität festgelegt. Die Verbrauchergemeinschaft übernimmt die gesamten Kosten für das Jahr und teilt sich die Ernte. In manchen der oft als Genossenschaft organisierten Gemeinschaften ist auch praktische Mithilfe erwünscht.
Essbare Städte
Für essbare Städte gibt es keine eindeutige Definition. Der Name ist Programm und die Akteurinnen und Akteure ganz unterschiedlich. Die erste essbare Stadt in Deutschland war Kassel. Das Projekt wurde von der örtlichen Transition Town-Initiative gegründet. Ganz anders der Fall in Andernach. Hier hat die Stadtverwaltung damit begonnen, alte Nutzpflanzenarten auf städtischen Grünflächen zu kultivieren und auch Hühner und Schafe in die Stadt zu holen. Internationaler Vorreiter ist die kleine englische Stadt Todmorden, in der engagierte Bürgerinnen unter dem Motto „incredible edible“ (unglaublich essbar) viele Menschen und Institutionen für ihre Idee gewonnen haben, so dass inzwischen sogar vor der Polizeistation Gemüse wächst.
Ernährungsräte
Ernährungsräte sind in der Regel vielfältig zusammengesetzte Gremien aus engagierten Bürgern, Landwirtinnen, Fachexperten und der Stadt- oder Kommunalverwaltung. Sie setzen sich dafür ein, dass es in Städten wieder mehr lokale und nachhaltige Lebensmittel gibt. Dafür wird unter Beteiligung von möglichst vielen Gremien und Gruppen ein Masterplan entwickelt. Das hat Tradition in englischsprachigen Ländern, zum Beispiel in Toronto oder London. Auch in Deutschland gründen sich seit 2015 in immer mehr Kommunen Ernährungsräte.
Letzte Aktualisierung: 9. April 2024
Weitere Informationen
Schulgarten im Unterricht - Projektideen zum Zeichnen, Messen und Beobachten (PDF)