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CRISPR/Cas in der Pflanzenzüchtung: Bedrohung oder Chance?

Was genau ist CRISPR/Cas? Wo endet Pflanzenzüchtung, wo beginnt Gentechnik und was sagt die Europäische Kommission dazu? – Ein Überblick

CRISPR/Cas könnte die Pflanzenzüchtung revolutionieren, ist aber umstritten.
Quelle: travelguide - stock.adobe.com

Seit einigen Jahren sorgt ein Begriff in den Medien für Aufsehen: CRISPR/Cas. Dahinter verbirgt sich ein molekularbiologisches Werkzeug, das die Züchtung von Nutzpflanzen präziser, schneller und günstiger macht. Das neue Verfahren ist jedoch umstritten: Für Kritiker ist es bloß eine weitere Form ungewollter Gentechnik. Für die Befürworter ist CRISPR/Cas dagegen eine Revolution in der Pflanzenzüchtung. Sie behaupten, dieses Verfahren habe mit klassischer Gentechnik nichts mehr zu tun.

Was ist CRISPR/Cas?

CRISPR/Cas ist ein so genanntes Genome Editing-Verfahren. Genome Editing (GE) ist ein Sammelbegriff für verschiedene molekularbiologische Methoden, mit denen ganz gezielt Veränderungen am Erbgut von Pflanzen und Tieren vorgenommen werden können. Neben CRISPR/Cas zählen Verfahren wie TALEN, ODM oder Zinkfinger dazu. CRISPR/Cas ist jedoch mit Abstand das wichtigste unter diesen Werkzeugen. Mehr als 70 Prozent aller weltweiten Genome Editing-Projekte arbeiten mit diesem Verfahren.

Gene in der DNA können damit an- oder ausgeschaltet, eingefügt oder entfernt werden. Und das mit einer Präzision, die man vor zehn Jahren noch nicht für denkbar gehalten hätte. Weil sie so präzise arbeiten, werden diese Verfahren umgangssprachlich auch als "Gen-Schere" oder "Gen-Chirurgie" bezeichnet.

Ein Weizenfeld mit einer eingeblendeten DNA-Doppelhelix
Mithilfe von CRISPR/Cas ist es unter anderem gelungen, eine gegen Mehltau resistente Weizensorte zu entwickeln.
Quelle: Juliane Franke - stock.adobe.com

Wofür ist CRISPR/Cas in der Landwirtschaft nutzbar?

CRISPR/Cas hat vor allem für die landwirtschaftliche Pflanzenzüchtung eine große Bedeutung. Dieses Verfahren eröffnet zum Beispiel Möglichkeiten, Kulturpflanzen widerstandsfähiger gegen schädliche Pilze, Viren und Bakterien zu machen. Auf diese Weise könnten krankheitsbedingte Ertragsverluste und zugleich der Pflanzenschutzmittelaufwand minimiert werden.

Zahlreiche Erfolge gibt es bereits: So ist es Forscherinnen und Forschern zum Beispiel gelungen, mit CRISPR/Cas eine Weizensorte zu entwickeln, die eine wirksame Resistenz gegen den bedeutenden Schadpilz Mehltau zeigt. Es gibt aber auch andere Anwendungsbereiche: So konnten spanische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beispielsweise mit CRISPR/Cas glutenfreien Weizen erzeugen. Forscherinnen und Forscher in Kiel haben mit dem neuen Züchtungswerkzeug Raps entwickelt, der über festere Schoten verfügt, sodass die Samenverluste während der Ernte wesentlich geringer sind.

Pflanzen können zudem hitze- und dürreverträglicher gemacht werden, um den Folgen des Klimawandels entgegenzuwirken. Es gibt also viele Anwendungsmöglichkeiten für CRISPR/Cas.

Wie funktioniert CRISPR/Cas?

Der grundlegende Mechanismus hinter CRISPR/Cas ist derselbe, wie bei jeder natürlichen Erbgutveränderung. Solche in Fachkreisen auch als Mutation bezeichneten Veränderungen finden bei jeder Zellteilung statt und sind die Grundlage jeder Form von Züchtungsarbeit, also auch der klassischen Kreuzungszüchtung, die auf Gregor Mendel zurückgeht.

Bei einer Mutation des Erbguts werden DNA-Bausteine verändert. Und zwar, indem DNA-Abschnitte entfernt, ein- und umgebaut oder ausgetauscht werden. Solche Mutationen können zufällig entstehen. Sie können aber auch durch Bestrahlung oder Chemikalien ausgelöst werden: Letztere Methode macht man sich schon seit Langem in der sogenannten Mutationszüchtung zunutze.

Seit ein paar Jahren können Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler solche Mutationen nun auch durch GE-Verfahren wie CRISPR/Cas entstehen lassen. Der entscheidende Unterschied ist: Bei der natürlichen Mutation und der Mutationszüchtung entstehen die Veränderungen unkontrolliert und in großer Zahl. Es kostet anschließend viel Zeit und Geld, bis Züchter aus der großen Zahl unterschiedlicher Nachkommen genau diejenigen herausgefunden haben, die die gewünschten Merkmale zeigen und bis alle unerwünschten Eigenschaften eliminiert sind. Meist sind dazu mehrere Rückkreuzungsschritte nötig, die sich über Jahre hinziehen können.

Mit CRISPR/Cas dagegen ist Züchtung weniger vom Zufall abhängig: Einzelne DNA-Bausteine in einer Pflanze können damit ganz präzise verändert werden, und das in wenigen Wochen.

Wie eine Genschere durchschneidet das Cas9-Protein den DNA-Doppelstrang.
Quelle: Gernot Krautberger - stock.adobe.com

Im Wesentlichen funktioniert das so: Zunächst lokalisiert eine "Sonde", bestehend aus sogenannten guide-RNA-Abschnitten, die Stelle im Genom, die verändert werden soll. Die guide-RNA ist eine künstlich hergestellte Ribonukleinsäure (RNA). Sie wird zusammen mit einem sogenannten Cas9-Protein – im Prinzip eine molekulare Schere – zuvor in die Zelle eingeführt. Das Cas9-Protein schneidet den DNA-Doppelstrang genau an der von der Sonde lokalisierten Stelle durch.

Anschließend fügen die zelleigenen Reparatursysteme den durchtrennten DNA-Strang wieder zusammen. Dabei können einzelne DNA-Bausteine entfernt, verändert oder ergänzt werden.

Aufwändige Rückkreuzungsarbeiten, wie sie bei herkömmlichen Züchtungsverfahren nötig sind, entfallen bei CRISPR/Cas. Ein weiterer Vorteil der Züchtung mit CRISPR/Cas: Sie ist nicht teuer. Dadurch können auch kleinere Labore und staatliche Einrichtungen damit arbeiten. Zumindest für akademische und andere nicht-kommerzielle Forschungsprojekte gelten auch keine Patentansprüche. Das heißt für sie bleiben die CRISPR-Verfahren frei und ohne Lizenzgebühren nutzbar.

Die entscheidende Frage: Gentechnik oder nicht?

Trotz der vielen Vorteile sind CRISPR/Cas und andere GE-Verfahren umstritten. Kritik daran gibt es vor allem von Vertreterinnen und Vertretern des Öko-Landbaus und Naturschutzverbänden. Für sie handelt es sich bei CRISPR/Cas und den andere GE-Verfahren nur um eine andere Form gentechnischer Methoden. Denn das Genom der Pflanzen und Tiere, so ihre Kritik, würde dabei technisch manipuliert – teilweise mit ähnlichen Methoden, unter Einführung von Fremdgenen, wie sie in der "alten" Gentechnik zur Anwendung kommen.

In der Tat ist es so, dass die oben beschriebenen molekularen CRISPR-Werkzeuge – RNA-Abschnitt und Cas-Schneideproteine – meist mit gentechnischen Verfahren in eine Zelle eingeführt werden. Die Befürworterinnen und Befürworter von CRISPR/Cas halten jedoch dagegen, dass, anders als bei der klassischen Gentechnik, bei CRISPR & Co. diese Werkzeuge, nachdem sie ihren Zweck erfüllt haben, wieder aus der Zelle entfernt werden.

Dafür sorgen allein schon die Vererbungsgesetze: Denn das eingeführte Genkonstrukt, mit der "Bauanleitung" für die CRISPR-Werkzeuge, ist nach der Vermehrung in einem Viertel der Nachkommen nicht mehr vorhanden. Und um genau diese Pflanzen geht es bei der Weiterzucht. Sie enthalten nachweisbar keine Fremdgene, so die CRISPR-Befürworterinnen und Befürworter, und sind damit von klassisch gezüchteten Pflanzen nicht mehr zu unterscheiden.

Ihrer Ansicht nach gibt es zudem noch einen anderen wesentlichen Unterschied: So sei bei der klassischen Gentechnik nicht steuerbar, wo und wie oft ein neu eingeführtes Gen im Erbgut eingebaut würde. Bei CRISPR/Cas sei das anders: Denn es wird an einer ganz bestimmten, vorgegebenen Stelle im Genom eine Mutation herbeigeführt. Dabei passiere grundsätzlich genau das, was sich auch bei natürlichen Mutationen oder bei der Mutationszüchtung ereigne – nur eben nicht zufällig, ungesteuert und in großer Zahl, sondern gezielt und präzise.

Kritikerinnen und Kritiker warnen jedoch, dass ein gentechnischer Eingriff nicht automatisch sicherer sei, nur weil er möglicherweise gezielter erfolge. Angesichts der Komplexität des Genoms und seiner Wechselwirkungen mit anderen Elementen der Zelle und mit der Umwelt ließen sich die Auswirkungen der DNA-Veränderungen nicht voraussagen. Auch gebe es bislang keine systematische Risikobewertung der neuen gentechnischen Verfahren. Die Datenlage erlaube keine seriöse Bewertung der Methoden und Produkte sowie ihrer möglichen Wirkungen auf Umwelt und Gesundheit.

Weite Teile der Wissenschaft sehen keine Gefahr in GE-Verfahren

Verschiedene Meta-Studien haben in den letzten Jahren den Stand der Wissenschaft zu GE-Verfahren zusammen fasst, unter anderem die Nationale Akademie der Wissenschaften und die DFG (Deutsche Forschungsgemeinschaft) Leopoldina sowie die Europäische Lebensmittelbehörde (EFSA). Beide Studien kommen zu dem Schluss, dass es nach derzeitigem wissenschaftlichen Stand keinen Anlass zur Besorgnis gebe.

Anfang 2024 wandten sich zudem 1.500 Forschende, darunter 35 Nobelpreisträger mit einem offenen Brief an das EU-Parlament, in dem sie forderten, dass GE-Verfahren als "schnelle, gezielte und günstige Züchtungsmethoden in den Werkzeugkasten der Pflanzenzüchter aufgenommen werden" müssten.

BZL-Broschüre

Pflanzenzüchtung fürs Klima

Wenn Pflanzen – ebenso wie Nutztiere – genetisch auf Hochleistung getrimmt werden, hinterlässt das bei manchen Menschen ein mulmiges Gefühl. Wie werden Pflanzen verändert? Aber ist die Pflanzenzüchtung nicht auch ein Weg, um dem Klimawandel zu begegnen? Ein kritischer Blick ist ohne Zweifel wichtig.

Zur Broschüre

EU-Kommission will Gentechnik-Gesetze reformieren

Vor fünf Jahre entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass grundsätzlich auch mit der CRISPR/Cas-Methode bearbeitete Pflanzen ohne Fremd-DNA als gentechnisch veränderte Organismen (GVO) anzusehen sind und grundsätzlich den in der GVO-Richtlinie vorgesehenen Verpflichtungen unterliegen. Die französische Bauerngewerkschaft Confédération paysanne und weitere acht Verbände hatten gegen die französische Regierung geklagt, weil diese die durch GE-Verfahren veränderten Pflanzen von der GVO-Richtlinie ausnehmen wollte.

Diese Entscheidung hatte daraufhin eine intensive Debatte ausgelöst. Kritische Stimmen, davon zahlreiche aus der Wissenschaft, führten an, dass das 30 Jahre alte Gentechnik-Gesetz, auf Basis dessen der EuGH die Entscheidung getroffen habe, nicht mehr dem aktuellen Stand der Wissenschaft entspreche und daher dringend reformiert werden müsse. Daraufhin hatte die EU-Kommission angekündigt, die europäischen Gentechnik-Gesetze zu überprüfen. In einer eigens dafür angelegten großen wissenschaftlichen Studie wurden weltweit Daten und Erfahrungen mit den neuen Züchtungstechnologien ausgewertet und Expertinnen und Experten befragt.

Im Juli 2023 stellte die EU-Kommission ihren Vorschlag für eine Reform der Gentechnik-Gesetze der breiten Öffentlichkeit vor. Danach sollen die Auflagen für Pflanzen, die mit den neuen GE-Verfahren gezüchtet wurden, deutlich gelockert werden. Wie die Online-Plattform Transgen berichtet, soll es demnach "keine so aufwändigen Zulassungsverfahren mehr geben wie bei der Gentechnik, auch keine allgemeine Kennzeichnungspflicht". Freilandversuche – die für erste realistische Tests nach der Entwicklung im Labor und Gewächshaus so wichtig seien – würden zudem einfacher. Und: "Anders als bei herkömmlichen gentechnisch veränderten Pflanzen könnten einzelne EU-Mitgliedstaaten weder den Anbau dieser editierten Pflanzen bei sich verbieten noch Freilandversuche untersagen", schreibt transgen.de.

Ob die Reform des Gentechnik-Gesetzes tatsächlich in der von der EU-Kommission vorgeschlagenen Weise umgesetzt wird, ist bislang noch unklar. Zwar hat das EU-Parlament dem Kommissionsvorschlag im Frühjahr 2024 im Kern bereits zugestimmt. Allerdings muss auch noch der EU-Ministerrat darüber entscheiden. Und dort ist eine Einigung derzeit noch nicht in Sicht.

Wie sieht es außerhalb der EU aus?

Zahlreiche Länder außerhalb der EU haben bereits andere Wege eingeschlagen. Große Agrarländer wie zum Beispiel die USA, China, Kanada, Brasilien oder Australien haben beschlossen, von Fall zu Fall zu entscheiden, wie mit GE-Pflanzensorten umzugehen ist: Solange nur genetisches Material kreuzbarer Arten – also keine artfremden DNA-Abschnitte – eingebaut wird, bleiben die Pflanzen in der Regel von der Gentechnikregulierung ausgenommen: Das heißt, sie dürfen ohne Auflagen auf den Feldern angebaut, geerntet und vermarktet werden. Auch eine Kennzeichnung ist in diesen Fällen nicht notwendig.

Letzte Aktualisierung: 11. Oktober 2024


Weitere Informationen

BVL: Poster - Genome Editing

Dialog GEA - Das interdisziplinäre Portal zu Genome Editing in der Landwirtschaft

Transgen.de: CRISPR/Cas bei Pflanzen: Was die Gen-Schere kann - und was (noch) nicht

Biooekonomie.de: Genom-editierte Nutzpflanzen

Transgen: Neue genomische Techniken: Politischer Streit schiebt die Reform der Gentechnik-Gesetze auf die lange Bank


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