Die Landwirtschaft verbraucht weltweit (zu)viel Wasser
Weltweit ist der Wasserbedarf der Landwirtschaft deutlich höher als in Deutschland. Dies führt nicht selten zu Wasserknappheit und ökologischen sowie sozialen Spannungen.
Im internationalen Vergleich ist Deutschland ein wasserreiches Land: Im langjährigen Durchschnitt fallen hierzulande 700 bis 800 Liter Niederschlag pro Quadratmeter und Jahr. Diese Menge reicht grundsätzlich aus, um in der Landwirtschaft fast ausschließlich mit Regenwasser zurechtzukommen.
Durch den Klimawandel gerät jedoch seit einigen Jahren auch die Wasserversorgung in Deutschlands Landwirtschaft zunehmend aus dem Gleichgewicht. Es kommt immer häufiger zu langen Trockenperioden, sodass auch hierzulande immer mehr landwirtschaftliche Betriebe bewässern müssen. Zwischen 2012 und 2022 ist die bewässerte Fläche um etwa die Hälfte gewachsen – von 0,37 auf 0,55 Millionen Hektar.
Und dennoch sind es bislang nur gut drei Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Fläche Deutschlands, die bewässert werden. Für diese Flächen beanspruchen die deutschen Landwirtschaftsbetriebe gerade mal zwei Prozent des landesweit aus dem natürlichen Wasserkreislauf entnommenen Wassers – also aus Flüssen, Seen oder dem Grundwasser (siehe Grafik).
Wasserbedarf der Landwirtschaft europa- und weltweit deutlich höher
Global betrachtet ist die Situation eine völlig andere: In Europa gehen durchschnittlich 28 Prozent der Wasserentnahmen auf das Konto der Landwirtschaft und weltweit sind es sogar 70 Prozent. Laut der Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen FAO hat sich die bewässerte Fläche weltweit zwischen 1961 und 2018 mehr als verdoppelt. Rund 20 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche werden heute bewässert.
Der Trend der letzten Jahrzehnte hin zu mehr Bewässerung hat verschiedene Gründe: Zum einen wächst die Weltbevölkerung und damit die Nachfrage nach Nahrungsmitteln. Durch Bewässerung können Landwirtinnen und Landwirte höhere Erträge erzielen.
Für den steigenden Bedarf an Nahrungsmitteln werden zunehmend auch Gebiete genutzt, in denen nicht genügend Niederschläge fallen, um landwirtschaftliche Kulturen ganzjährig mit Wasser zu versorgen. In solchen Regionen ist eine großflächige
Landwirtschaft nur mit Bewässerung möglich.
Der Klimawandel verschärft die Situation außerdem: Wetterextreme wie langanhaltende Dürren nehmen zu und verhindern vielerorts, dass aus dem Grundwasser entnommenes Wasser wieder über Niederschläge aufgefüllt wird.
Fakten der FAO zum weltweiten Wasserverbrauch der Landwirtschaft
- Rund 70 Prozent der weltweiten Süßwasserentnahmen werden für die Landwirtschaft verwendet.
- Seit 1961 hat sich die bewässerte Fläche mehr als verdoppelt, von 139 Millionen Hektar auf über 328 Millionen Hektar im Jahr 2018.
- Etwa 40 Prozent der weltweiten landwirtschaftlichen Produktion stammen von bewässertem Land, das nur etwa 20 Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Fläche ausmacht.
Bewässerung nur selten nachhaltig
Durch den Ausbau von Wasserinfrastruktur (Staudämme, Kanalsysteme) und Bewässerungstechnologie (Tröpfchenbewässerung, effizientere Pumpsysteme) hat sich in den vergangenen Jahrzehnten zwar in vielen Gegenden die Verfügbarkeit von Bewässerungswasser verbessert und die Effizienz der Bewässerung gesteigert.
Bewässerung ist jedoch nur dann nachhaltig, wenn die Wasserreserven, aus denen das Wasser entnommen wird, sich mit der Zeit wieder auffüllen. Ist dies nicht der Fall, wird das Wasser irgendwann knapp, was zu massiven ökologischen, wirtschaftlichen und auch sozialen Problemen führen kann, wie wir im Folgenden am Beispiel Südspaniens und Nordwestindiens erläutern.
Südspanien: Europas Gemüsegarten vertrocknet
Der Süden Spaniens ist bekannt für seinen intensiven Anbau von Obst und Gemüse. Dort werden nicht nur Tomaten, Paprika, Gurken, Auberginen und Zucchini angebaut, sondern auch Orangen, Mangos, Melonen und Erdbeeren. Die geografische Nähe, das milde Klima und die viele Sonne haben diese Region in den letzten Jahrzehnten zu einem der wichtigsten Obst- und Gemüseproduzenten Europas gemacht.
Laut Europäischer Umweltagentur verbraucht Spaniens Landwirtschaft knapp 70 Prozent des landesweit aus dem natürlichen Wasserkreislauf zu Verfügung stehenden Wassers. Damit ist Spanien eines der europäischen Länder mit dem höchsten Wasserverbrauch in der Landwirtschaft. Ein Großteil davon wird in den Obst- und Gemüsebauregionen im Süden des Landes benötigt.
Die meisten landwirtschaftlich geprägten Regionen Südspaniens verfügen über gewisse Grundwasserreserven oder werden über Stauseen und Kanäle mit Wasser versorgt. Der bekannteste ist der Tajo-Segura-Kanal, der das Wasser aus dem Tajo – dem längsten Fluss Spaniens – abzweigt und über mehre Stauseen und Tunnel über 300 Kilometer in den Südosten transportiert. Mit diesem Wasser konnte die Landwirtschaft im Süden lange Zeit nachhaltig versorgt werden. Die hohe (europäische) Nachfrage nach Obst und Gemüse hat jedoch dazu geführt, dass der Anbau in der Region massiv zugenommen hat, und das Wasser damit immer knapper wurde. Anhaltende Dürren infolge des Klimawandels haben das Problem verschärft.
Staatliche Eingriffe, um den Wasserverbrauch zu regulieren, hatten zur Folge, dass immer mehr illegale Brunnen gebohrt wurden. Naturschutzorganisationen schätzen, dass es Hunderttausende solcher Brunnen gibt. Dadurch ist der Wasserverbrauch in der Region zunehmend außer Kontrolle geraten.
Warum lässt Dürre Böden versalzen?
Durch die hohe Verdunstung des Bodenwassers reichern sich die im Niederschlags- oder Bewässerungswasser enthaltenen Salze an der Oberfläche an.
Der immense Wasserverbrauch der Landwirtschaft hat schließlich zu einem Absinken des Grundwasserspiegels geführt und die Pegel zahlreicher Stauseen auf bedenklich niedrige Niveaus sinken lassen. Insbesondere die letzten sehr trockenen Jahre stellten die Region vor große Herausforderungen. Die Böden versalzen zunehmend und werden für die Landwirtschaft unbrauchbar. Und auch die Natur nimmt massiv Schaden: So ist beispielsweise der Doñana-Nationalpark, eines der bedeutendsten europäischen Feuchtgebiete, seit Jahren massiv bedroht, weil der intensive Erdbeeranbau und der Tourismus um Doñana dem Park buchstäblich das Wasser abgräbt.
Um all diese Probleme in den Griff zu bekommen, hat man in Spanien vor Jahren schon damit begonnen, fehlendes Grundwasser auszugleichen, indem man Meerwasser entsalzt und Abwasser für die Landwirtschaft aufbereitet. Beide Verfahren sind jedoch aufwändig und teuer und können das Problem allein nicht lösen. Die spanische Verwaltung sieht einen bedeutenden Hebel in der Stilllegung illegaler Brunnen.
Laut einer Studie wird über solche Brunnen zwischen 30 und 50 Prozent des verfügbaren Grundwassers gestohlen. Daher wird gegen die Betreiber solcher Brunnen hart vorgegangen. Naturschutzorganisationen sehen den Ausweg hingegen nur in einer Reduzierung der massiven landwirtschaftlichen Gemüse- und Obstproduktion, die das System zum Kollaps gebracht habe.
Die Wasserknappheit prägt nicht nur Spaniens Süden, sondern auch zahlreiche andere Regionen im Land. Spaniens Wasserprobleme sind inzwischen so groß, dass sie bei der Europawahl 2024 ein zentrales Wahlkampfthema waren.
Punjab – Grundwasserspiegel um bis zu 40 Meter abgesunken
Ein weiteres Beispiel aus Indien zeigt, wie eine veränderte Form der Landbewirtschaftung zu Wasserknappheit und massiven ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Problemen führen kann. Es geht um die Region Punjab in Indiens Nordwesten, die als die "Kornkammer Indiens" gilt. Angebaut werden dort vor allem Weizen und Reis, wobei Reis in Punjab keine traditionelle Kulturpflanze ist.
Angefangen hat alles in den 1960er-Jahren mit der "Grünen Revolution" als die Weltgemeinschaft damit begann, neue Technologien in die Landwirtschaft in Entwicklungsländern einzuführen, um Hunger und Armut zu bekämpfen. In Punjab wurde der Anbau ertragreicherer Reis- und Weizensorten und die Verwendung von synthetischen Düngern und Pflanzenschutzmitteln gefördert. Außerdem subventionierte man massiv die Anlage grundwassergespeister Bewässerungskanäle und -gräben. Der Staat gab den Bäuerinnen und Bauern sogar Geld dafür, um den Strom für die Bewässerungspumpen zu bezahlen und gewährte ihnen Mindeststützpreise für den erzeugten Weizen und Reis, um deren Anbau zu forcieren.
Obwohl Punjab nur 1,5 Prozent der indischen Landfläche einnimmt, produziert es heute fast 20 Prozent des Weizens und 12 Prozent des Reises des Landes. Der Preis dafür ist jedoch hoch: denn über 80 Prozent des nutzbaren Grundwassers in Punjab werden für die Bewässerung vor allem dieser beiden Kulturen verwendet. Reis hat dabei mit etwa 3.000 bis 5.000 Liter pro Kilogramm den weitaus größten Wasserbedarf.
Wie Erhebungen in Zentral-Punjab zeigen, sank der Grundwasserspiegel durch die intensive Bewässerung über die Jahrzehnte in besorgniserregendem Tempo: von 1982 bis 1987 um durchschnittlich 18 Zentimeter pro Jahr, zwischen 1997 und 2002 um 42 Zentimeter und zwischen 2002 und 2006 um 75 Zentimeter. In einigen Regionen Punjabs ist der Grundwasserspiegel in den letzten 30 Jahren um bis zu 40 Meter gefallen!
Die Folgen der Wasserkrise sind immens: Die Erträge sind stark gesunken und viele Flächen sind aufgrund der Versalzung für den Anbau weitgehend unbrauchbar geworden. Weil immer tiefere Brunnen gebohrt werden mussten, sind die Bewässerungskosten ins Unermessliche gestiegen, was dazu geführt hat, dass zahlreiche Bäuerinnen und Bauern Schulden machten. Laut einer Studie des Indian Council of Social Science Research waren im Jahr 2017 rund 86 Prozent der bäuerlichen Haushalte in Punjab verschuldet. In benachbarten Bundesstaaten wie Haryana, Uttar Pradesh und Bihar, die wie Punjab zu den bedeutenden Anbaugebieten für Reis und Weizen zählen, ist die Lage ähnlich problematisch.
Eine Lösung sieht man in der Region vor allem in einer Diversifizierung der Kulturen, das heißt dem Anbau einer größeren Vielfalt an Pflanzen – insbesondere solcher, die weniger Wasser verbrauchen. Weiterhin will man über die Einführung effizienterer Bewässerungstechniken den Verbrauch senken.
Wasserknappheit ist weltweit ein Problem
Wasserknappheit ist weltweit zu einem massiven Problem geworden. Laut FAO ist sie am höchsten in Einzugsgebieten mit intensiver Bewässerungslandwirtschaft und dicht besiedelten Städten, die um Wasser konkurrieren – insbesondere dort, wo die verfügbaren Süßwasserressourcen aufgrund klimatischer Bedingungen knapp sind. Dies sind vor allem Regionen in Nord- und Ostafrika, Zentral- und Südasien sowie an der Westküste Lateinamerikas (siehe Karten oben).
Laut dem Weltwasserbericht der Vereinten Nationen 2024 leidet etwa die Hälfte der Weltbevölkerung zumindest saisonal unter schwerer Wasserknappheit. Ein Viertel der Weltbevölkerung ist sogar "extrem hoher" Wasserknappheit ausgesetzt. Prognosen zeigen, dass die Probleme durch den Klimawandel noch weiter zunehmen werden.
Die Gründe für die Wasserknappheit sind vielfältig. Vor allem müssen jedoch Lösungen gefunden werden, den Wasserverbrauch der Landwirtschaft zu senken. Patentrezepte dafür gibt es nicht, ein Schlüssel dürfte aber in einer effizienterer Bewässerungstechnik und dem Anbau trockentoleranterer Kulturen liegen.
Letzte Aktualisierung: 28. Juni 2024
FAO: Aquastat, Interaktives Kartenmaterial rund um das Thema Wasser und Landwirtschaft
Europäische Umweltagentur: Wasserverbrauch nach ökonomischem Sektor
UN-Weltwasserbericht 2024: Wasser für Wohlstand und Frieden
Fairplanet: Indien: Das Grundwasser wird knapp