Anbindehaltung von Rindern: Ein heikles Thema
Die Anbindehaltung steht schon seit vielen Jahren als nicht tiergerecht in der Kritik. Das ganzjährige Anbinden von Rindern soll daher verboten werden.
Was ist Anbindehaltung?
In der Anbindehaltung werden Rinder über einen längeren Zeitraum mit Halsbändern oder Ketten an einem festen Platz im Stall fixiert – vor ihnen der Futtertisch, hinter ihnen das Entmistungssystem. An diesem Platz fressen, schlafen und koten beziehungsweise harnen die Tiere, Milchkühe werden dort auch gemolken.
Durch die Anbindung ist die Bewegungsfreiheit der Tiere stark eingeschränkt: Nur Aufstehen und Hinlegen ist möglich. Die Tiere können sich jedoch nicht umdrehen oder frei im Stall herumlaufen.
Werden die Tiere das ganze Jahr über im Stall gehalten, spricht man von ganzjähriger Anbindehaltung. Bekommen die Kühe für mindestens zwölf Wochen im Jahr Zugang zu einem Auslauf und/oder einer Weide (für mindestens sechs Stunden am Tag), handelt es sich um teilweise Anbindehaltung.
Kritik an der Anbindung
Lange Zeit war die Anbindehaltung die vorherrschende Haltungsform für Milchkühe in Deutschland. Der Vorteil dieser Methode für die Betriebe liegt vor allem im geringen Platzbedarf und den geringen Kosten pro Tierplatz. Aufgrund der sehr eingeschränkten Bewegungsfreiheit geriet diese Haltungsform jedoch zunehmend in die Kritik.
Rinder sind von Natur aus Herdentiere, die sich gern bewegen und soziale Kontakte pflegen. In der Anbindehaltung ist dies kaum möglich. Die Tiere stehen über Monate hinweg auf engem Raum, was zu Stress, Verhaltensstörungen und physischen Problemen wie Gelenk- und Klauenerkrankungen führen kann.
Anbindehaltung rückläufig, aber noch präsent
In den letzten Jahrzehnten hat sich für die Haltung von Rindern – insbesondere Milchkühen – der sogenannte Laufstall durchgesetzt, in dem die Tiere sich frei bewegen, Futter aufnehmen, zum Kraftfutterstand oder zur Tränke gehen oder in ihren Liegeboxen liegen können.
Die Anbindehaltung ist in Deutschland seit Jahrzehnten rückläufig, doch praktizierte 2020 immer noch mehr als ein Viertel aller rinderhaltenden Betriebe diese Form der Haltung.
Jedes zehnte Rind lebte zu diesem Zeitpunkt in Anbindehaltung – das sind rund eine Million Rinder in Deutschland. Etwa zwei Drittel dieser Rinder werden dabei in ganzjähriger Anbindehaltung gehalten.
Wo sind Betriebe mit Anbindehaltung heute überwiegend zu finden?
Die Anbindehaltung ist heute vor allem in kleineren landwirtschaftlichen Betrieben zu finden, die oft in bergigen oder strukturschwachen Regionen liegen. Besonders in Bayern und Baden-Württemberg sind Betriebe mit Anbindehaltung noch häufiger anzutreffen. In diesen beiden Bundesländern hält mehr als die Hälfte aller Betriebe ihre Rinder in Anbindehaltung.
In Bergregionen erschweren häufig die steilen und begrenzt verfügbaren Flächen den Bau moderner Laufställe, weshalb die Anbindehaltung oft die praktikabelste Lösung ist. Hinzu kommt, dass viele kleinere Betriebe nicht über die finanziellen Mittel verfügen, um in größere Stallanlagen zu investieren.
Die Mehrzahl der Betriebe mit Anbindehaltung wirtschaftet konventionell. Aber auch im Öko-Landbau ist die Anbindehaltung zu finden: 2020 bei rund neun Prozent aller ökologischen Rinderhaltungsbetriebe in Deutschland. Bei den konventionellen Rinderhaltungsbetrieben lag der Anteil 2020 bei 30 Prozent.
Verbot der ganzjährigen Anbindehaltung geplant
Tierschutzorganisationen fordern schon seit Jahren ein Verbot der Anbindehaltung. Insbesondere die ganzjährige Anbindehaltung sei mit modernen Tierschutzstandards nicht vereinbar.
In Schweden, Österreich und der Schweiz ist die ganzjährige Anbindehaltung bereits verboten, und auch in Deutschland liegen entsprechende Pläne auf dem Tisch. Die Bundesregierung hat im Zuge einer Reform des Tierschutzgesetzes beschlossen, die ganzjährige Anbindehaltung zu verbieten. Dabei wird eine Übergangsfrist von zehn Jahren eingeräumt, um den betroffenen Betrieben genügend Zeit zu geben, ihre Haltungsformen anzupassen.
Für kleine Betriebe mit bis zu 50 (über sechs Monate alten) Tieren soll jedoch eine sogenannte "Kombihaltung" erlaubt bleiben. Das bedeutet: Die Kühe dürfen zwar im Stall angebunden werden, müssen während der Weidezeit jedoch Zugang zur Weide und außerhalb der Weidezeit mindestens zweimal wöchentlich Zugang zu einem Freigelände haben. Mit der Kombihaltung will die Bundesregierung den Bergbauern und Almen gerecht werden, die ihre Rinder zwar häufig noch in Anbindung halten, die gleichzeitig jedoch für den Erhalt von artenreichen Wiesen- und Weidelandschaften sehr wichtig sind.
Nach aktuellem Zeitplan soll die Gesetzesänderung ab Mitte 2025 in Kraft treten.
Letzte Aktualisierung: 10. Oktober 2024
DLG kompakt 04/2024: Anbindehaltung von Milchkühen in Deutschland – eine Einordnung
Thünen-Institut: Rinder in Anbindehaltung
BMEL: Fragen und Antworten zur Änderung des Tierschutzgesetzes