Tiertransporte
Tiertransporte, oft über lange Strecken, sind heute gang und gäbe. Und das nicht nur zum Schlachthof. Warum ist das so und was ist erlaubt und was nicht?
Jedes landwirtschaftliche Nutztier erlebt mindestens einmal in seinem Leben einen Transport – den zur Schlachtung. Laut statistischem Bundesamt wurden 2022 in Deutschland etwa 753 Millionen Tiere zu einem Schlachthof gefahren. Dabei müssen die Tiere zum Teil sehr große Distanzen zurücklegen.
Das liegt daran, dass in der Schlachtindustrie, wie in anderen Wirtschaftsbereichen auch, eine deutliche Konzentration der Betriebe stattgefunden hat. Das heißt immer weniger Betriebe schlachten zunehmend mehr Tiere. So wurden zum Beispiel 2022 rund 82 Prozent aller in Deutschland geschlachteten Schweine in die zehn größten Schlachtbetriebe befördert. Ähnlich sieht es bei Rindern und Geflügel aus.
Viele Tiere werden mehr als einmal transportiert
Für viele Tiere ist die Fahrt zum Schlachthof nicht der erste Transport ihres Lebens. Die meisten werden schon vorher – teils mehrere Male – transportiert. Das liegt daran, dass die Tierhaltung heute hochspezialisiert ist. Das heißt, viele Betriebe sind nur noch für einen bestimmten Teil der Erzeugung eines Nutztiers zuständig.
Dazu ein Beispiel: Ein Mastschwein wird in seinem etwa sechs Monate langen Leben in der Regel dreimal transportiert. Als Ferkel kommt es auf einem sauenhaltenden Betrieb zur Welt, wird dann nach drei bis vier Wochen zu einem Ferkelaufzuchtbetrieb und von dort im Alter von neun bis zehn Wochen zum Mastbetrieb transportiert. Auf dem Mastbetrieb wird es in rund 90 Tagen gemästet, bis es dann seinen dritten und letzten Transport zum Schlachthof antritt.
Transporte ins (außereuropäische) Ausland nehmen zu
Landwirtschaftliche Nutztiere werden aber nicht nur innerhalb Deutschlands transportiert, sondern auch über Ländergrenzen hinweg, in andere Länder der Europäischen Union (EU), oder sogar über die EU-Grenzen hinaus. Viele der Hauptimportländer liegen im Mittelmeerraum und im Nahen Osten. Die Tiere werden dort entweder geschlachtet oder als Zuchttiere für den Aufbau neuer Herden genutzt. Transporte ins Ausland bedeuten für die Tiere nicht zwangsläufig längere Transportwege. So kann ein Transport ins Ausland in grenznahen Gebieten beispielsweise kürzer sein als einmal durch ganz Deutschland. Wenn der Transport allerdings in weiter entfernte Länder geht, erhöht sich die Transportzeit erheblich und führt zu einer enormen Belastung für die Tiere.
Warum müssen lebende Tiere so weit transportiert werden?
Es gibt vor allem zwei Gründe, warum lebende Tiere über so weite Strecken in entfernte Länder transportiert werden. Zum einen gibt es in vielen europäischen Ländern eine große Zahl ausgezeichneter Zuchttiere, die anderswo auf der Welt zum Aufbau neuer Herden sehr gefragt sind. Ein Großteil der Tiere, insbesondere Rinder, Schafe und Ziegen, wird aber allein aus einem Grund transportiert: um im Bestimmungsland geschlachtet zu werden.
Aber warum müssen die Tiere so weit transportiert werden, wenn man sie dort dann sowieso schlachtet? Man könnte ihnen doch die Strapazen ersparen, wenn man sie gleich hier schlachten und nur das Fleisch exportieren würde.
Das Problem dabei ist, dass der Transport von lebenden Tieren in der Regel billiger ist als der Transport von Fleisch, das in speziellen Kühltransportern befördert werden muss.
Außerdem werden viele Tiere in islamisch geprägte Länder exportiert. Im Islam, wie auch im Judentum, ist das Schächten, also das Schlachten ohne vorherige Betäubung, religiöser Brauch. Da diese Form des Tötens von Schlachttieren in Deutschland und vielen anderen Ländern Europas verboten beziehungsweise nur in Ausnahmefällen aus religiösen Gründen erlaubt ist, importieren diese Länder die Tiere lebend, um sie dann religionskonform schlachten zu können.
Wie werden die Tiere transportiert?
Nutztiere werden heute meist in Lkw transportiert, nur selten per Bahn, Schiff und Flugzeug. Der Transport erfolgt standardmäßig in ein- oder mehrstöckigen Lkw. Größere Tiere wie Rinder, Schafe, Ziegen und Schweine, bewegen sich dabei frei auf den jeweiligen Decks.
Kleinere Tiere wie Hühner oder Puten werden dagegen meist in gestapelten Boxen oder Käfigen untergebracht. Für die Ausstattung der Transportfahrzeuge gibt es in der EU einheitliche Vorgaben.
Was ist erlaubt?
Kann ich beim Fleischkauf erkennen, wie weit das Tier transportiert wurde?
In der Regel nicht. Auf tierischen Lebensmitteln müssen keine Angaben über den Transport des Tieres gemacht werden. Einige Tierschutzinitiativen machen jedoch eigene Vorgaben hinsichtlich des Transports. So dürfen zum Beispiel Produkte nur dann mit dem Tierschutzlabel "Für Mehr Tierschutz" des Deutschen Tierschutzbundes gekennzeichnet werden, wenn die darin verarbeiteten Tiere maximal vier Stunden transportiert wurden. Ähnliche Regelungen habe die ökologischen Anbauverbände Bioland, Naturland und Demeter: hier sind maximal vier Stunden und 200 Kilometer zulässig.
Weitere Informationen dazu: Für mehr Tierwohl: Haltungskriterien im Überblick
Damit die Transporte so tierschonend wie möglich ablaufen, hat die Europäische Union Gesetze erlassen. Seit 2007 gilt für jeden, der lebende Tiere gewerblich transportiert, die EU-Verordnung über den Schutz von Tieren beim Transport (EG Nr. 1/2005). Sie regelt das Raumangebot, die Deckenhöhe, die Versorgung mit Futter und Wasser, die maximale Beförderungsdauer, die Transport- und Ruhezeiten und anderes mehr. Um den Tieren auch bei Transporten in außereuropäischen Ländern größtmöglichen Schutz zu gewähren, gelten die EU-Vorschriften seit 2015 auch über die EU-Grenzen hinweg – also so lange, bis der Bestimmungsort erreicht ist.
Generell ist in der EU-Tiertransportverordnung geregelt, dass Tiertransporte nicht länger als acht Stunden dauern dürfen. Diese maximale Beförderungsdauer kann jedoch verlängert werden. Für solche Langstreckentransporte von mehr als acht Stunden gelten dann aber strengere Vorschriften. So müssen Transportfahrzeuge dafür spezielle bauliche und technische Voraussetzungen aufweisen. Hierzu zählen unter anderem ein Temperaturregelungssystem, ein ständiger Zugang der Tiere zu Tränkevorrichtungen sowie ein spezielles Navigationssystem. Außerdem müssen alle Langstreckentransporte vor Fahrtbeginn präzise geplant und registriert, sowie von einem Amtstierarzt genehmigt werden.
Weiterhin sieht die EU-Verordnung spezielle Fahrtzeitregelungen vor. Das heißt, die Fahrer müssen regelmäßig Pausen einlegen und Versorgungstationen ansteuern, in denen die Tiere zum Ruhen und Füttern entladen werden. Diese Regelungen sind je nach Tierart unterschiedlich. Für Schweine gilt beispielsweise: 24 Stunden Fahrt – 24 Stunden Pause in einer Versorgungsstation – 24 Stunden Fahrt. Rinder dürfen bis zu 29 Stunden transportiert werden, bis eine 24-stündigen Pause eingelegt werden muss.
In Deutschland gibt es eine zusätzliche nationale Tierschutztransportverordnung, die zuletzt am 1. Januar 2022 überabeitet wurde. Sie ist in einigen Punkten strenger als die EU-Verordnung und enthält zusätzliche Regeln. So dürfen zum Beispiel Kälber erst ab dem 28. Lebenstag transportiert werden. Nach EU-Verordnung sind Transporte bereits ab dem 10. Lebenstag erlaubt.
Kritik an der Tiertransportpraxis
Tierschutzverbände sowie Tierärztinnen und Tierärzte kritisieren die Bedingungen, unter denen Tiere transportiert werden. Im Fokus der Kritik stehen insbesondere die Langstreckentransporte. Sie haben in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Vor allem Rinder, Schafe und Ziegen werden über weite Strecken bis in die Türkei, nach Russland, in den Libanon oder sogar nach Usbekistan transportiert. Ein durchschnittlicher Rindertransport in die Türkei dauerte 2017 im Schnitt über 100 Stunden, einer nach Usbekistan sogar mehr als 130 Stunden. Das geht aus einer kleinen Anfrage der Grünen an den Deutschen Bundestag vom 3. Juli 2018 hervor.
Nach Meinung von Tierschützerinnen und Tierschützern sind die Transportbedingungen auf den Langstrecken untragbar: Die erlaubten Transportzeiten seien zu lang, die Ruhepause unzureichend und das Raumangebot zu gering. Regelmäßig dokumentieren Tierschutzorganisationen Verstöße gegen geltende Tierschutzbestimmungen bei solchen Transporten.
Sie bemängeln zum Beispiel lange Staus und enorme Verzögerungen an den EU-Außengrenzen, die besonders in den Sommermonaten einen enormen Stress bei den ohnehin schon stark geschwächten Tieren verursachen, da ein Ausladen und eine ausreichende Versorgung mit Wasser und Futter dort nicht möglich sind. Jenseits der EU-Außengrenzen seien die Tierschutzverstöße noch gravierender, da die europäische Tierschutzverordnung zwar auch außerhalb der EU-Grenzen bis zum Bestimmungsort der Tiere gelte, ihre Einhaltung häufig aber nicht oder nicht ausreichend kontrolliert würde. Sowohl beim Transport als auch bei den Schlachtungen vor Ort seien Verstöße an der Tagesordnung.
In Deutschland werden Genehmigungen für Tiertransporte durch die Veterinärämter erteilt. Die Bundesländer entscheiden eigenständig, wie kontrolliert wird und in welche Länder Transporte verboten werden. Aufgrund der immer wieder auftretenden Missstände in den vergangenen Jahren haben inzwischen mehrere Bundesländer beschlossen, Tiertransporte auf bestimmten Routen vorerst einzuschränken, einige Bundesländer haben sie sogar verboten.
Initiativen auf politischer Ebene zur Verbesserung des Tierwohls
Weil immer wieder Verstöße gegen die Tiertransportverordnung EG 1/2005 aufgedeckt wurden, hat das EU-Parlament im Juni 2020 einen Untersuchungsausschusses eingesetzt. Dieser Ausschuss hat ein Jahr lang die Situation der Lebendtiertransporte in Europa beobachtet und kam zu dem Schluss, "dass die EU-Bestimmungen in diesem Bereich in den Mitgliedstaaten nicht immer eingehalten werden und den unterschiedlichen Bedürfnissen der Tiere nicht vollständig Rechnung tragen", schreibt das EU-Parlament in einer Pressemeldung. Zu den offensichtlichsten Verstößen gehörten mangelnde Stehhöhe, Wasser- oder Nahrungsversorgung, der Transport nicht transportfähiger Tiere und Überfüllung. Es würden zudem Fahrzeuge verwendet, die für den Transport von Tieren ungeeignet seien, außerdem fänden die Transporte manchmal bei extremen Temperaturen und über lange Transportzeiten statt.
Im Dezember 2021 hat der Untersuchungsausschuss seine Empfehlungen an die Europäische Kommission ausgesprochen. Im Januar 2022 stimmte das EU-Parlament mit großer Mehrheit für einen Teil dieser Empfehlungen. So soll unter anderem die Höchsttransportdauer von Nutztieren, die der Schlachtung zugeführt werden, auf acht Stunden festgelegt werden und der Transport trächtiger Tiere im letzten Schwangerschaftsdrittel auf vier Stunden begrenzt werden. Zudem fordert das Parlament ein Transportverbot von nicht abgesetzten Kälbern, die jünger als vier Wochen sind. Eine Ausnahme bilden Kälber-Transporte über eine Entfernung von weniger als 50 km.
Die Albert-Schweitzer-Stiftung begrüßt grundsätzlich die Bemühungen der EU, kritisiert jedoch, dass die Begrenzung der Höchsttransportdauer nicht konsequent für alle transportierten Tiere umgesetzt werde. So würden nämlich zum Beispiel für Zuchttiere keine Begrenzungen verlangt. "Sie dürften somit voraussichtlich auch in Zukunft bis zu 29 Stunden transportiert werden", schreibt die Albert-Schweitzer-Stiftung. Auch Transporte mit dem Schiff sollen weiterhin von einer Höchstdauer ausgenommen sein, dabei würden gerade "diese für die Tiere als besonders kräftezehrend" gelten.
Tierschutzverbände kritisieren zudem, dass sich das EU-Parlament nicht zu einem grundlegenden Verbot von tierschutzwidrigen Transporten in Drittländer entschließen konnte. So dürfen Ausfuhren in Drittländer nach dem EU-Beschluss auch weiterhin genehmigt werden. Das Parlament stimmte lediglich für die Einführung eines Kontrollsystems.
Wie geht es weiter?
Die Einrichtung des Untersuchungsausschusses sowie der Beschluss des EU-Parlaments wurde von deutschen Tierschutzorganisationen grundsätzlich als kleiner Schritt in die richtige Richtung gewertet, wenngleich der Beschluss aus ihrer Sicht noch deutliche Schwachstellen habe. Sie fordern die Mitgliedsstaaten daher auf, bei der Umsetzung der Gesetze nachzujustieren.
Der Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft Cem Özdemir setzt sich nachdrücklich dafür ein, die noch bestehenden Probleme des Tierschutzes beim Transport zu lösen. Unter anderem fordert Deutschland gemeinsam mit anderen Ländern wie Dänemark, Belgien, den Niederlanden und Schweden ein Verbot bestimmter Langstreckentransporte lebender Tiere auf dem Straßen- und Seeweg in Drittländer. Dazu wurde ein gemeinsames Positionspapier erstellt, dessen Kernpunkte auf der Seite des BMEL eingesehen werden können:
BMEL. Gemeinsame Initiative für mehr Tierschutz beim Transport, Juli 2022
Letzte Aktualisierung: 10. Oktober 2023
Weitere Informationen
Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL): EU-Verordnung über den Schutz von Tieren beim Transport