Fleisch von Wildtieren aus Gehegen – eine Alternative?
Tierwohl heißt für viele Menschen: kleine Bestände, Freilandhaltung und viel Auslauf. Dennoch ist die landwirtschaftliche Wildhaltung nur eine kleine Marktnische.
In Deutschland gibt es etwa 6.500 landwirtschaftliche Gehegewildhaltungen. Die Daten beruhen auf Schätzungen, denn die landwirtschaftliche Wildhaltung wird in amtlichen Statistiken nicht erfasst. Der geschätzte Pro-Kopf-Verzehr an Wildfleisch liegt in Deutschland bei ungefähr einem Kilogramm im Jahr. Zum Vergleich: der Pro-Kopf-Verzehr von Fleisch lag 2022 bei rund 52 Kilogramm.
Dieser äußerst geringe Anteil ist insofern überraschend, dass die landwirtschaftliche Wildhaltung vielen Erwartungen gerecht wird, die Verbraucherinnen und Verbraucher an die Tierhaltung haben. Die Tiere werden in kleinen Beständen mit viel Auslauf im Freien gehalten, es entstehen kaum Umweltbelastungen und auch weite Transportwege entfallen.
Was ist unter landwirtschaftlicher Wildhaltung zu verstehen?
Dennoch ist die landwirtschaftliche Wildhaltung hierzulande eher eine Nische, die vor allem von Kleinerzeugern besetzt wird. Sie arbeiten mit geringen Tierzahlen in extensiver Weidehaltung (geringer Tierbesatz pro Quadratmeter genutzter Fläche) und wirtschaften meist im Nebenerwerb. Ziel ist die Erzeugung von Wildfleisch auf bereits vorhandenen Grünflächen.
Die landwirtschaftliche Wildhaltung entwickelte sich Anfang der 1970er-Jahre. Damals war man auf der Suche nach einer Tierart, mit der Grün- und Brachland genutzt werden konnte, und zwar alternativ zur Produktion mit traditionellen Haustierarten wie Rindern, Schafen, Ziegen oder Pferden. Vor allem in Bayern wuchs die landwirtschaftliche Wildhaltung in den vergangenen Jahrzehnten recht beachtlich.
Die landwirtschaftliche Wildhaltung umfasst in der Regel sowohl die kontrollierte Aufzucht und Haltung des Wildes als auch die Vermarktung des Fleisches beziehungsweise der weiterverarbeiteten Produkte.
Hirsch, Mufflon, Wildschwein – Wer läuft da durchs Gehege?
Am verbreitetsten ist in den landwirtschaftlichen Gehegen Deutschlands die Haltung von Damwild. Sie macht ungefähr 85 Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Wildhaltung aus. Es folgen Rotwild und Sikawild mit etwa 13 Prozent. Muffelwild sowie anderes Wild kommen auf ein bis drei Prozent. Zur Erklärung: als Dam-, Rot- oder Sikawild werden verschiedene Hirscharten bezeichnet. Mit Muffelwild sind Mufflons, also Wildschafe gemeint.
Wildtiere, die in landwirtschaftlichen Betrieben aufgezogen werden, leben das ganze Jahr über im Freien in großen Gehegen. Sie ernähren sich von den Gräsern und Pflanzen, die auf den weitläufigen Grünflächen wachsen. Lediglich in der vegetationsarmen Zeit wird bei Bedarf etwas zugefüttert (Heu, Silage, Getreide und Mineralfutter). Darüber hinaus stehen den Tieren Salzlecksteine zur Verfügung, an denen sie sich nach Belieben bedienen können.
Damit sichergestellt ist, dass Wildtiere in ihren Gehegen artgerecht leben können und die Grünfläche nicht zu stark abgeäst und überdüngt wird, sind für landwirtschaftliche Gehege Mindestgrößen vorgeschrieben. Diese richten sich nach der gehaltenen Wildart und der Anzahl der Tiere.
Wie sieht ein landwirtschaftliches Wildgehege aus?
Gehege für Damwild müssen beispielsweise mindestens einen Hektar (das entspricht 10.000 Quadratmetern oder etwa einem Fußballfeld) groß sein, Rotwildgehege mindestens zwei Hektar.
Für jedes erwachsene Tier mit Nachzucht muss eine Mindestfläche zur Verfügung stehen. Bei Damwild und Sikawild beträgt diese Fläche beispielsweise 1.000 Quadratmeter, bei Rot- und Schwarzwild 2.000 Quadratmeter.
Um eine artspezifische Rudelbildung zu gewährleisten, ist ein Mindestbestand von fünf erwachsenen Tieren, darunter ein erwachsener Hirsch vorgeschrieben. In deutschen Gehegen beträgt das Geschlechterverhältnis in der Regel 1:20 (ein männliches Tier auf zwanzig geschlechtsreife weibliche Tiere).
In aller Regel besteht ein landwirtschaftliches Gehege aus mehreren Elementen – einem Futterplatz mit überdachten Futterraufen, einer Tränkemöglichkeit, einem Kälberschlupf, Scheuerbäumen zur Körperpflege sowie einer Beobachtungskanzel.
Von dieser Kanzel aus können Wildhalterinnen und Wildhalter unter anderem den Zustand ihrer Tiere kontrollieren oder sie – wenn notwendig – auch mit einem Betäubungsschuss zu Behandlungszwecken ruhigstellen. Mindestens einmal am Tag schauen sie, ob es ihren Tieren gut geht und ob alle Gehegeeinrichtungen in einem funktionsfähigen Zustand sind.
Die Umgrenzung des Geheges bildet in der Regel ein doppelter Zaun. Dabei verhindert die äußere Einzäunung (meist ein circa zwei Meter hoher Knotengitterzaun) das Entweichen der Tiere. Eine innen laufende Stromlitze (der zweite Teil des Zaunes) verstärkt den Effekt. Die Zäune müssen so beschaffen sein, dass sich die Tiere nicht mit dem Geweih darin verfangen können. Auch fremde Tiere dürfen nicht ins Gehege eindringen können.
Wer darf Wildtiere halten?
Wer in Deutschland Wild halten möchte, muss dies beim zuständigen Veterinäramt anzeigen und nachweisen, dass er über die ausreichende Sachkunde verfügt. In Deutschland können Wildhalterinnen und Wildhalter diese Sachkunde im Rahmen von entsprechenden Lehrgängen erwerben, die von den landwirtschaftlichen Versuchs- und Bildungszentren der Bundesländer durchgeführt werden.
Inhalt der Lehrgänge sind die Besonderheiten der Haltung von Wildtieren, Aspekte des Tierschutzes und der Tiergesundheit sowie Waffenkunde und praktische Übungen am Schießstand, denn Wildhalterinnen und Wildhalter müssen ihre Tiere natürlich nicht nur sachgemäß betäuben, sondern auch töten können.
Wann werden Wildtiere geschossen?
Im Frühjahr/Frühsommer eines jeden Jahres gebären die Muttertiere ein Kalb. Dabei liegt die Setzzeit (also die Zeit, in der die Wildtiere ihre Jungen zur Welt bringen) des Rotwildes eher im Mai und diejenige des Damwildes eher im Juni und Juli.
Die Jungtiere wachsen zwölf bis 18 Monate heran, bevor sie geschossen werden. Das erfolgt schwerpunktmäßig im Herbst und Winter. Der gezielte Abschuss erfolgt direkt im Gehege, dem für das Tier gewohnten Lebensraum. Das erspart den Tieren Stress.
Wildfleisch direkt vom Erzeuger
Die Vermarktung von Wildfleisch konzentriert sich auf die Monate September bis Dezember, denn dann ist Wildsaison. Viele landwirtschaftliche Gehegebetreiberinnen und Gehegebetreiber verfügen über eine eigene Schlachtstätte und vermarkten das von ihnen erzeugte Frischfleisch direkt vor Ort im eigenen Hofladen. So können sie auf einen festen Kundenstamm zurückgreifen, der alljährlich im Herbst und Winter bei ihnen einkauft.
Bezugsquellen
Direktvermarkter von Wildfleisch finden Sie auf den Seiten zahlreicher Landesverbände der landwirtschaftlichen Wildhalter:
Doch auch Restaurants, Metzgereien, Erzeugergemeinschaften oder der Wildhandel zählen zu ihrer Kundschaft. Das Fleisch der älteren Tiere (älter als 18 Monate) wird übrigens häufig zu Wildwürsten, Wildschinken und Wildpasteten verarbeitet und vermarktet.
Generell müssen sich landwirtschaftliche Wildhalterinnen und Wildhalter in Deutschland mit ihrem relativ kleinen Marktsegment gegen umfangreiche Importe behaupten, die häufig aus Übersee (zum Beispiel aus Neuseeland) nach Deutschland eingeführt werden und in vielen Supermärkten erhältlich sind.
Dem erhöhten Preisdruck versuchen deutsche Erzeugerinnen und Erzeuger mit gezielten Werbeaktivitäten sowie mit staatlichen Qualitäts- und Herkunftssicherungsprogrammen (zum Beispiel "Geprüfte Qualität - Bayern" oder "Qualitätszeichen Baden-Württemberg") entgegenzusteuern.
Letzte Aktualisierung: 4. Dezember 2023
Weitere Informationen
Bundeszentrum für Ernährung (BZfE): Wild - Fleisch von frei lebenden Tieren