Beeinflusst der Boden den Geschmack eines Weines?
Die Herkunft und vor allem der Boden, auf dem Weinreben wachsen, sorgen für den unverwechselbaren Geschmack des Weines. Stimmt das?
Lässt der Geschmack Rückschlüsse auf das Anbaugebiet eines Weines zu? Und kann man tatsächlich herausschmecken, ob eine Weinrebe auf einem Schiefer-, Muschelkalk- oder Basaltboden gewachsen ist? Trotz vieler wissenschaftlicher Untersuchungen und Einschätzungen von Fachleuten gibt es auf diese Fragen keine eindeutigen Antworten.
Im Allgemeinen gilt die Herkunftsangabe bei Weinen als Qualitätsmerkmal. Viele Weine haben eine sogenannte geschützte Ursprungsbezeichnung, die auf EU- beziehungsweise nationaler Ebene beantragt werden kann. Dazu gehören zum Beispiel Bordeaux- oder Moselweine. Der Ursprung kann sich auch nur auf bestimmte Orte einer Region oder einzelne Weinberge beziehen. Dabei gilt im deutschen Weinrecht der Grundsatz: Je kleiner das Herkunftsgebiet, desto besser die Weinqualität.
Viele Faktoren beeinflussen den Geschmack
Für die Vermarktung bieten diese Herkunftsbezeichnungen deshalb Vorteile. Dennoch ist es schwierig, speziell den Einfluss eines Bodens auf den Geschmack zu beurteilen oder sogar herauszuschmecken.
Denn der Geschmack von Wein wird vom Zusammenspiel vieler Faktoren beeinflusst. Dazu gehören neben der Rebsorte vor allem das Klima einer Region, Düngung und Bodenpflege, saisonale Witterungseinflüsse sowie die Art der Weinaufbereitung durch den Winzerbetrieb.
Das Zusammenspiel der naturgegebenen Faktoren einer Region wird mit dem französischen Begriff "Terroir" zusammengefasst. Dabei stellt sich die Frage, wie groß der Anteil des Faktors Boden am Geschmack ist und auf welchem Weg geschmackliche Einflüsse möglich sind.
Guter Wein braucht gute Böden
Grundsätzlich ist die Güte des Bodens mit seinem Nährstoff- und Wasserangebot entscheidend für das Wachstum der Rebe und damit auch für den Geschmack des Weines. Er hat Einfluss auf die in den Beeren gebildeten Inhaltsstoffe wie Zucker, Aminosäuren und Mineralstoffe. Diese Stoffe werden im weiteren Prozess der Gärung und Lagerung in geschmacksgebende Verbindungen wie Alkohol, Säure, Phenole und andere Aromastoffe umgewandelt. Das Zusammenspiel dieser Inhaltsstoffe ist maßgeblich für den späteren Weingeschmack.
Welche Nährstoffe in Form von Mineralien für die Rebe verfügbar sind, hängt einerseits von der Düngung ab, andererseits aber auch vom Gestein, aus dem der Boden entstanden ist. Das können zum Beispiel Kalkstein, Schiefer oder Basalt sein. Gesteine und die darin enthaltenen Mineralien sind zwar grundsätzlich geschmacklos. Doch im Gärprozess nach der Weinlese können auch Mineralien in geschmacksgebende Verbindungen umgewandelt werden. Das gilt zum Beispiel für schwefelhaltige Sulfate, aus denen aromatische Verbindungen entstehen.
Auch die aus dem Gestein gebildete Bodenart, auf dem die Reben gedeihen, wird nach Einschätzung des Mineralogen Claude Sittler geschmacklich abgebildet. Sittler hat in den 1990er-Jahren Versuche in sehr guten Weinlagen durchgeführt, die räumlich sehr eng beieinander lagen, aber große Unterschiede bei Ausgangsgestein und Bodenart aufwiesen. So konnte der Einfluss einer unterschiedlichen saisonalen Witterung und der Weinaufbereitung weitestgehend minimiert werden, während geschmackliche Unterschiede durch den Boden bei der Verkostung deutlicher wurden.
Ton-, Sand- und Kalkböden lassen sich herausschmecken
Auf Basis dieser Versuche erstellte Sittler eine Art Geschmacksdreieck, das den Einfluss der Bodenart auf den Wein verdeutlicht. Danach schmeckt Wein von Reben auf tonreichen Böden "mächtig" beziehungsweise "adstringierend", auf kalkreichen Böden eher "weich und vollmundig", während sich Wein von sandigen Böden durch Säure und Lebendigkeit auszeichnet. Innerhalb dieses Dreiecks gibt es entsprechend den Übergangsformen der Böden zahlreiche geschmackliche Zwischennoten.
Die Bodenart entscheidet zudem darüber, wie viel Wasser gespeichert werden kann. Das wirkt sich auch geschmacklich aus. Denn in den meist eher trockenen Anbaugebieten kann Wassermangel dazu führen, dass in den Beeren verstärkt Bitterstoffe entstehen, die man später im Wein schmeckt.
Einfluss auf den Weingeschmack kann auch der pH-Wert eines Bodens haben. So nimmt eine Rebe auf kalkreichen, weniger sauren Böden größere Mengen an Kalzium auf, das Säuren im Wein abpuffert. Die Unterschiede im Säuregehalt lassen sich bereits im Most nachweisen.
Auch Bodenbakterien tragen zum Geschmack bei
Sogar die im Boden enthaltenen Bakterien spielen laut einer amerikanischen Studie wahrscheinlich eine Rolle bei der Ausbildung des Weingeschmacks. Ein Forscherteam fand heraus, dass die meisten Bakterienarten eines Bodens auch auf den Weinreben zu finden sind. Von Anbaugebiet zu Anbaugebiet gibt es große Unterschiede bei der Zusammensetzung der Arten. Das heißt, jedes Anbaugebiet hat eine spezifische Bakteriengemeinschaft, die vom Boden, von der Rebsorte und der Bewirtschaftung abhängt.
Das ist von Bedeutung, weil auch die Beeren mit einer Bakterienschicht überzogen sind. Diese Bakterien nehmen über die Gärung Einfluss auf den späteren Weingeschmack. Welche Aromen entstehen, hängt aber maßgeblich davon ab, wie sich Bakterienarten zusammensetzen.
Einfluss des Bodens wird oft überlagert
Doch trotz dieser Zusammenhänge bleibt es zumindest für Laien schwierig, Boden und Ausgangsgestein aus einem Wein herauszuschmecken. Denn letztlich wird der Einfluss des Bodens auf den Geschmack von vielen anderen Faktoren überlagert, vor allem von der Witterung eines Jahrgangs, von Sorteneffekten, vom Verfahren der Weinbereitung und sogar vom Zeitpunkt der Weinlese. Unabhängig davon hat die Herkunft eines Weines und damit auch der Boden Einfluss auf den Charakter eines Weines. Und nicht zuletzt ist für viele Weinlieber auch die Geschichte eines Weines und seine Herkunft ein wichtiger Teil des Genusses.
Letzte Aktualisierung: 11. Oktober 2024
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