Was ist drin, wenn Weidemilch draufsteht?
Die sogenannte "Weidemilch" stammt von Kühen, die mindestens an 120 Tagen im Jahr auf der Weide grasen dürfen.
Auf Milchverpackungen sind grasende Kühe weit verbreitet. Doch die Realität sieht häufig anders aus. Die Milchviehhaltung verlagert sich immer stärker von der Weide in den Stall. In Deutschland kommt nur noch knapp jede dritte Kuh auf die Weide, im Durchschnitt etwa ein halbes Jahr lang. Vor zehn Jahren waren es noch rund 42 Prozent.
Für einen Milchviehbetrieb ist die Weidehaltung nicht nur aufwändiger - etwa wegen des Melkens oder der Zaunpflege. Kühe, die auf der Weide unterwegs sind, geben auch weniger Milch.
Auf der anderen Seite sind weidende Kühe als Marketinginstrument gerade deshalb so beliebt, weil darin Verbraucherwartungen zum Ausdruck kommen. So gehören laut einer Studie der Universität Göttingen für rund 80 Prozent der Verbraucherinnen und Verbraucher Kühe zumindest im Sommer auf die Weide. Kein Wunder also, dass Weidemilch immer beliebter wird und eine wachsende Zahl an Molkereien versucht, ihre Milch entsprechend zu vermarkten.
Weidemilch oder Heumilch?
Heumilch unterscheidet sich hinsichtlich der Fütterung von herkömmlicher Milch, bei Weidemilch gilt dies für die Haltung. Heumilch stammt von Kühen, die nicht mit Silage, sondern mit frischem Grünlandfutter, Heu und Getreide gefüttert wurden. Die Bezeichnung "Heumilch" ist seit 2016 EU-weit rechtlich geschützt. Heumilch wird mit dem EU-Zeichen "garantiert traditionelle Spezialität" (g. t. S.) gekennzeichnet, dafür müssen Produzentinnen und Produzenten gewisse Produktionsstandards erfüllen, die vor allem zur silofreien Fütterung der Milchkühe konkrete Vorgaben enthalten.
Was genau verbirgt sich hinter der Bezeichnung "Weidemilch"?
Die Bezeichnung "Weidemilch" ist in Deutschland lebensmittelrechtlich nicht geregelt. Wie viel Zeit eine Kuh auf der Weide verbringen muss, ehe von Weidehaltung gesprochen werden kann, ist daher durchaus strittig und hat in Deutschland auch schon die Gerichte beschäftigt.
Gemäß einer gerichtlichen Entscheidung von 2017 darf Milch von Kühen, die an mindestens 120 Tagen im Jahr mindestens sechs Stunden auf der Weide stehen, als Weidemilch vermarktet werden, sofern diese Kriterien auch auf der Packung angegeben sind.
Während sich an dieser Mindestvorgabe zahlreiche Anbieter orientieren, sind die weiteren Kriterien häufig ganz unterschiedlich geregelt. Etwa die Frage, ob es für die Tierhaltung im Winter ebenfalls Vorgaben gibt, wie die Tiere abseits der Weide gefüttert werden, ob dabei auch auf gentechnisch veränderte Futtermittel zurückgegriffen werden darf und wer kontrolliert, ob diese Regeln tatsächlich eingehalten werden.
Mehr Transparenz durch Weidemilchlabel
Mehr Transparenz für Verbaucherinnen und Verbraucher können hier klar definierte Produktlabel schaffen. Vorreiter in Deutschland ist in dieser Hinsicht das 2017 gestartete Gütesiegel "Pro Weideland". Es basiert auf einem breiten Bündnis von Landwirtschafts-, Umwelt- und Tierschutzverbänden, Wissenschaft und Politik und ergänzt den oben erwähnten Standard von 120 Tagen mit je sechs Stunden Weideauslauf um folgende Kriterien:
- Pro Kuh müssen 2.000 Quadratmeter Grünland (davon mindestens 1.000 Quadratmeter Weidefläche) zur Verfügung stehen.
- Die ganzjährige Bewegungsfreiheit der Tiere muss gewährleistet sein. Das heißt, Anbindehaltung ist ausgeschlossen.
- Die Kühe dürfen nur gentechnikfreies Futter erhalten.
- Kälber (jünger als sechs Wochen) dürfen nur unter Verabreichung eines Schmerzmittels enthornt werden.
Die Einhaltung dieser Kriterien wird durch die Molkereien sowie externe Auditoren regelmäßig überprüft. Die teilnehmenden Molkereien müssen sich verpflichten, die Milch getrennt zu sammeln und zu verarbeiten.
Weitere Weidemilch-Label
In den Niederlanden wurde schon 2007 ein Weidemilch-Label eingeführt. Dieses Label wird durch die "Stichting Weidegang" vergeben, seit 2016 auch an Weidemilch-Erzeugnisse, die im Ausland hergestellt werden. Das heißt, deutsche Verbraucherinnen und Verbraucher können im Kühlregal neben dem deutschen Pro Weideland-Label auch das niederländische finden.
Das niederländische Weidemilch-Label sieht ebenfalls an mindestens 120 Tagen im Jahr mindestens sechs Stunden Weideauslauf vor, macht aber zum Beispiel zur Bewegungsfreiheit oder zur gentechnikfreien Fütterung keine Vorgaben.
Das Tierschutzlabel "Für mehr Tierschutz" schreibt in der Premiumstufe (zwei Sterne) ebenfalls Weidegang vor. Diese Anforderungen sind aber weniger streng als die von Pro Weideland.
Auch Bio-Milch ist in der Regel Weidemilch
Laut oekolandbau.de schreibt die EU-Öko-Verordnung die Weidehaltung bei allen Rindern, also auch bei Milchkühen, vor. Die wenigen Ausnahmen, die existieren, seien eng begrenzt, so das Online-Portal: Die Weide muss nicht genutzt werden, wenn der Boden zu nass oder es zu kalt für die Tiere auf der Weide ist. Wenn ein Betrieb, der mitten im Dorf liegt, keine ausreichend große Weide am Hof hat, reicht noch ein Auslauf am Hof.
Diese Betriebe müssen dann ein "Weidemaximierungskonzept" vorlegen. Darin müssen sie beschreiben, wie sie ihren Tieren Weidegang ermöglichen wollen beziehungsweise was sie tun, um das Weideangebot zu verbessern: So können Kühe, die vor der Geburt ihres Kalbes nicht mehr gemolken werden, ein paar Wochen auf die Weide kommen. Oder die ganze Herde wird auf einer weiter vom Hof entfernten Weide mit einem Weidemelkstand gemolken.
Letzte Aktualisierung: 10. April 2024
Weitere Informationen
Oekolandbau.de: Bio-Milch und Weidemilch – was ist der Unterschied?
Verbraucherzentrale: Weidemilch – Produkte mit verbindlichem Tierschutz erkennen
Bundeszentrum für Ernährung (BZfE): Milch – Vom Stall bis in die Küche
Bundeszentrum für Ernährung (BZfE): Weidemilch hat Vorteile für Tier und Umwelt