Springe zur Hauptnavigation Springe zum Inhalt

Töten männlicher Küken verboten

Seit Anfang 2022 darf in Deutschland kein Küken mehr wegen seines Geschlechts getötet werden.

ein Tag alte Küken
Quelle: Oliver Foerstner - stock.adobe.com

Am 1. Januar 2022 ist ein Gesetz in Kraft getreten, welches das Töten von Küken verbietet. Bisher war es in Deutschland – wie in vielen anderen Ländern Europas und der Welt – übliche Praxis, männliche Legehennen-Küken gleich nach dem Schlupf zu töten. In Deutschland waren das pro Jahr etwa 45 Millionen Küken.

Warum wurden männliche Küken getötet?

Hühner werden heute entweder auf Fleisch- oder auf Legeleistung gezüchtet – je nach Produktionsrichtung, für die sie verwendet werden sollen. Diese einseitige Züchtung hat dazu geführt, dass Legehennen heute zwar mehr als 300 Eier pro Jahr legen. Auf der anderen Seite setzen sie dafür aber auch nur sehr langsam und sehr wenig Fleisch an. Bei ihren männlichen Geschwistern ist das genauso. Da diese keine Eier legen, sind sie für die Geflügelwirtschaft nutzlos. Deswegen wurden sie direkt nach dem Schlüpfen getötet und zu Tierfutter verarbeitet.

Diese Praxis des Kükentötens stand schon lange in der Kritik, wurde aber toleriert. So hatte das Bundesverwaltungsgericht 2019 noch entschieden, dass "das Töten männlicher Küken tierschutzrechtlich übergangsweise zulässig" bleibt. Und zwar so lange, bis geeignete Verfahren zur Geschlechtsbestimmung im Ei zur Verfügung stehen. Zwar sei das wirtschaftliche Interesse an speziell auf eine hohe Legeleistung gezüchteten Hennen im Sinne des Tierschutzgesetzes kein vernünftiger Grund für das Töten männlicher Küken, doch sei diese Praxis – wegen der früher geringeren Gewichtung des Tierschutzes - jahrzehntelang hingenommen worden. Vor diesem Hintergrund könne von den Brutbetrieben eine sofortige Umstellung ihrer Betriebsweise nicht verlangt werden, zumal absehbar sei, dass in näherer Zukunft eine Geschlechtsbestimmung im Ei möglich sei, begründete das Gericht sein Urteil.

BZL-Broschüre

Ethik in der Geflügelhaltung im Biologie-Unterricht?

Der Unterrichtsbaustein fördert gezielt die Bewertungskompetenz von Schülerinnen und Schülern im Hinblick auf komplexe ethische Fragestellungen wie das Thema Tierwohl und unterstützt sie dabei, ein eigenes Urteil zu finden und zu formulieren.

Zur Broschüre

Geschlechtsbestimmung im Ei

Seit vielen Jahren arbeitet die Wissenschaft bereits an Verfahren zur Geschlechtsbestimmung im Ei. Erstmals Marktreife erlangte 2018 das Verfahren "Seleggt", ein sogenanntes endokrinologisches Verfahren (siehe unten). Seit 2020 wird den Brütereien dieses patentrechtlich geschützte Verfahren zur Nutzung angeboten.

Wie genau funktioniert die Geschlechtsbestimmung im Ei?

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben Methoden entwickelt, mit denen man bei befruchteten Hühnereiern das Geschlecht bereits frühzeitig im Ei erkennen kann. Eier, aus denen sich männliche Küken entwickeln, können daraufhin aussortiert werden. Ein Ausschlüpfen und anschließendes Töten der Tiere kann so von vornherein verhindert werden.

Die beiden vielversprechendsten Verfahren sind nach derzeitigem Stand das "endokrinologische Verfahren" und das "spektroskopische Verfahren".

Beim endokrinologischen Verfahren werden die Eier etwa neun Tage lang bebrütet. Zwischen dem achten und zehnten Tag wird von jedem Ei über eine Nadel etwas Flüssigkeit (embryonaler Harn) entnommen. An diesen Proben wird das Geschlecht mit einem biotechnologischen Nachweisverfahren anhand der enthaltenen Hormone innerhalb kurzer Zeit bestimmt, so wie bei einem Schwangerschaftstest.

Eier in einem Prototyp des Geräts für das endokrinologische Verfahren kurz vor dem Einstich durch die Nadeln
Geräte-Prototyp für das endokrinologische Verfahren: Eier kurz vor dem Einstich durch die Nadeln
Quelle: BLE

Bei der spektroskopischen Geschlechtsbestimmung wird das Ei etwa vier Tage lang bebrütet. Dann wird mit einem Laser ein kleines Loch in das Ei geschnitten und ein spezieller Lichtstrahl in das Innere des Eis geschickt. Das Geschlecht wird durch eine Analyse des reflektierten Lichts bestimmt. Im Anschluss wird das Ei wieder verschlossen.

Die Systeme erkennen auch unbefruchtete oder nicht entwicklungsfähige Bruteier. Sie werden ebenso wie die männlichen Eier aussortiert und können als Futtermittel genutzt werden oder als Rohstoff für industrielle Anwendungen. Die anderen Eier werden weiter bebrütet. Nach insgesamt 21 Tagen schlüpfen die weiblichen Küken, von der Geschlechtsbestimmung bekommen die Tiere nichts mit. Die Verfahren werden in den folgenden Filmen anschaulich erklärt:

Das endokrinologische Verfahren

Das spektroskopische Verfahren

Bislang hat nur das endokrinologische Verfahren Marktreife erlangt.

Für den Tierschutz soll die Geschlechtsbestimmung vor dem 7. Tag erfolgen

Das endokrinologische Verfahren funktioniert, soll laut Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) aber nur als Brückentechnologie fungieren. Mittel- bis langfristiges Ziel ist es, Methoden zur Praxisreife zu bringen, die eine Geschlechtsbestimmung schon vor dem siebten Tag möglich machen. Denn nach derzeitigem Stand der Wissenschaft kann nur vor dem siebten Bruttag davon ausgegangen werden, dass der sich im Ei entwickelnde Hühnerembryo noch nicht schmerz- und empfindungsfähig ist.

Der aktuelle Gesetzentwurf des BMEL sieht daher in einem zweiten Schritt (nach dem 31. Dezember 2023) vor, das Töten von Hühnerembryonen im Ei bereits nach dem sechsten Bruttag zu verbieten. Entsprechende Verfahren zur Geschlechtsbestimmung im Ei müssen allerdings schon vor diesem Zeitpunkt funktionieren.

Welche Alternativen zum Kükentöten gibt es sonst noch?

Das Zweinutzungshuhn

Bei Zweinutzungshühnern handelt es sich um Kreuzungszuchtlinien oder Rassen, bei denen beide Geschlechter aufgezogen werden: Weibliche Küken wachsen zur Legehenne heran, männliche Küken werden zur Mast aufgezogen. Landwirtinnen und Landwirte, die sich für diese besondere Nutzungsrichtung entscheiden, verzichten auf Maximalerträge. Denn sie gehen zum Wohl der Tiere einen doppelten Kompromiss ein. Die weiblichen Tiere legen weniger Eier als herkömmliche Legehennen, die männlichen Tiere nehmen im Vergleich zu Hähnen üblicher Mastlinien langsamer zu und haben eine geringere Fleischausbeute.

Das Zweinutzungshuhn ist dann eine Alternative, wenn Verbraucherinnen und Verbraucher bereit sind, die höheren Preise für Fleisch und Eier zu zahlen. Doch das ist bisher eher selten der Fall, auch wenn in Umfragen die Mehrheit der Befragten ihre Bereitschaft bekundet, einen solchen Aufpreis zu zahlen.

Aus Sicht von Experten ist daher absehbar: Zweinutzungshühner werden nur dann eine echte Alternative, wenn es gelingt, Tiere zu züchten, die mehr Eier legen und sich besser mästen lassen. Verschiedene Zuchtunternehmen haben dies erkannt und widmen sich bereits verstärkt dieser Aufgabe.

Die Bruderhahn-Initiative

Die "Bruderhahn-Initiative" setzt nicht wie beim Zweinutzungshuhn auf eine besondere Rasse. Vielmehr werden die Brüder herkömmlicher Legehennen nicht aussortiert und getötet, sondern ebenfalls aufgezogen. Dabei wird in Kauf genommen, dass sie deutlich weniger Fleisch liefern, stärker verfetten können und eine deutlich schlechtere Futterverwertung aufweisen als männliche Küken aus Masthuhn- und Zweinutzungslinien.

Der geringere Ertrag für das Fleisch dieser Tiere wird in diesem Modell über einen höheren Verkaufspreis der Eier aufgefangen. Solche Eier sind schon in recht vielen Läden zu finden.

Letzte Aktualisierung: 9. Februar 2023


Weitere Informationen

Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL): Ausstieg aus dem Kükentöten

BMEL: Video - Alternativen zum Töten männlicher Küken


Hähne in Freilandhaltung

Was ist ein Bruderhahn?

Die männlichen Tiere von Legehennen-Zuchtlinien nennt man Bruderhähne. Sie werden von einigen Betrieben mit aufgezogen.

Werden auch weibliche Hühner gemästet?

Der Begriff "Hähnchenmast" lässt vermuten, dass nur männliche Hühner gemästet werden. Das ist aber nicht so.

Hühner picken Futter

Besuch bei der Legehennenhalterin

Hühner füttern und Eier sammeln – damit ist es bei weitem nicht getan. Die Aufgaben einer Legehennenhalterin sind äußerst vielfältig.