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Abdrift – wenn Pflanzenschutzmittel abseits des Ackers landen

Nicht immer landen Pflanzenschutzmittel bei der Ausbringung in der Landwirtschaft ausschließlich an ihrem Bestimmungsort. Wie problematisch ist das?

Ein Traktor mit Pflanzenschutzspritze im Einsatz auf einem Maisfeld
Landwirtinnen und Landwirte achten bei der Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln darauf, dass nichts neben den Acker abdriftet. Ganz vermeiden, lässt sich dies aber nicht.
Quelle: Countrypixel via Adobe Stock

Pflanzenschutzmittel spielen eine wichtige Rolle in der Landwirtschaft. Mit ihnen lassen sich Schädlinge und Pflanzenkrankheiten bekämpfen und somit Erträge sichern. Doch nicht immer gelangen Pflanzenschutzmittel dorthin, wo sie eigentlich hinsollen – auf die zu schützenden Pflanzen auf dem Feld. Manchmal landen sie auch abseits des Ackers. Fachleute sprechen dann von Abdrift.

Meist driften Pflanzenschutzmittel in die nähere Umgebung des Ackers, auf dem sie ausgebracht werden, ab. Das können Nachbarfelder, Feldrandstreifen oder Feldwege sein, aber auch angrenzende Gärten oder Wohngebiete. Darüber hinaus kommt es vor, dass Pflanzenschutzmittel über weite Strecken – manchmal mehrere Kilometer – abdriften. Das konnte zuletzt 2020 in einer Studie des Umweltinstituts München nachgewiesen werden, bei der Messungen an deutschlandweit 116 Messstellen durchgeführt wurden. Dabei wurden Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffe auch in Nationalparks wie dem Harz oder dem Bayerischen Wald oder in Großstädten nachgewiesen.

Wie kommt es zu Abdrift?

Begünstigt wird die Abdrift meist durch Wind. Dieser erfasst die Sprühnebel der flüssigen Pflanzenschutzmittel während der Ausbringung und verteilt sie in die angrenzende Umgebung. Daneben können aber auch falsch eingestellte Pflanzenschutzgeräte oder zu schnelles Fahren zu Abdrift führen.

Unter thermischer Abdrift versteht man die Verteilung von verflüchtigten Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffen in die Umgebung. Dies passiert häufig erst nach der Ausbringung. Besonders leicht flüchtige Wirkstoffe steigen dabei – begünstigt durch warme Boden- und Lufttemperaturen – über den gespritzten Flächen auf. Normale Luftbewegungen können dann zur Folge haben, dass diese Wirkstoffwolken auch größere Distanzen überbrücken und erst dort wieder absinken, wo sich die Luft abkühlt.

Nahaufnahme vom Düsengestänge einer Pflanzenschutzspritze
Falsch eingestellte Spritzdüsen an der Pflanzenschutzspritze können Abdrift begünstigen.
Quelle: alffoto via Getty Images

Manchmal haften Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffe auch an Staubpartikeln und werden mit diesen durch den Wind verbreitet. Diese Möglichkeit des Ferntransports wird laut oben genannter Studie zum Beispiel für den nicht flüchtigen Wirkstoff Glyphosat als hochwahrscheinlich angesehen.
Weiterhin können Pflanzenschutzmittel durch Abschwemmung nach starken Regenfällen oder über Drainageleitungen in Oberflächengewässer gelangen. Grundwasser wiederum kann durch Versickerung belastet werden.

Welche ökologischen Probleme kann Abdrift mit sich bringen?

Pflanzenschutz- und Unkrautvernichtungsmittel, die über den Bestimmungsort hinaus verbreitet werden, können sich negativ auf die Umwelt auswirken.
Laut Umweltbundesamt (UBA) verfügen die meisten Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffe über ein relativ breites Wirkungsspektrum, sodass sich auch bei Arten, die den Pflanzen nicht schaden, schädliche Auswirkungen nicht ausschließen lassen. Kaum ein Wirkstoff werde sofort in der Umwelt abgebaut. Rückstände verblieben zum Teil längerfristig im Boden, in Gewässern und im Grundwasser.

Dem UBA zufolge wurde in zahlreichen wissenschaftlichen Studien nachgewiesen, dass Pflanzenschutzmittel, die in die Nahrungskette gelangen, eine der Hauptursachen für den Rückgang verschiedener Feldvogelarten, wie zum Beispiel der Feldlerche, der Goldammer oder des Rebhuhns sind. Auch der weltweit beobachtete Rückgang von Blütenbestäubern sei unter anderem auf die Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln zurückzuführen.

Unerwünschte Nebenwirkungen von Pflanzenschutzmitteln können zudem nicht nur für benachbarte natürliche Lebensräume, sondern auch für die behandelten landwirtschaftlichen Flächen selbst ein Problem darstellen, so das UBA weiter. Beispiele hierfür seien Beeinträchtigungen der Bodenfruchtbarkeit durch die Schädigung wichtiger Bodenorganismen oder von Tieren, die sich nur zeitweise auf den Flächen aufhalten, wie zum Beispiel Wirbeltiere oder Blütenbestäuber bei der Nahrungssuche.

Sind gesundheitliche Beeinträchtigungen durch Abdrift zu befürchten?

Dass ein gewisser Teil an Pflanzenschutzmitteln, die in der Landwirtschaft versprüht werden, in die Umgebung abdriftet, ist dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) zufolge kaum zu vermeiden. Dennoch müssten sich Verbraucherinnen und Verbraucher – auch jene, deren Wohnhäuser oder Gärten sich in unmittelbarer Nähe von konventionell bewirtschafteten Äckern befinden – wegen Pflanzenschutzmittel-Abdrift keine Sorgen machen.

Laut BfR durchlaufen im Pflanzenschutz sowohl die Wirkstoffe als auch die daraus hergestellten Pflanzenschutzmittel ein Zulassungsverfahren mit strengen Anforderungen an Toxikologie (Bewertung der Giftwirkung) und Anwendung. Prozesse wie das Abdriften und das Verflüchtigen von Pflanzenschutzmitteln werden dabei nach Angaben des BfR ebenfalls berücksichtigt.

Man gehe dabei auch immer vom schlimmstmöglichen Fall (worst case) aus. Das bedeutet: Man bewertet anhand von Modellen und Messwerten, ob gesundheitliche Beeinträchtigungen entstehen können, wenn Pflanzenschutzmittelwirkstoffe im Nahbereich – das heißt, bis zu zehn Meter vom Feldrand entfernt – auftreten. Hierbei wird auch einkalkuliert, dass Menschen den potenziell auftretenden Pflanzenschutzmittel-Mengen durch die Abdrift längerfristig ausgesetzt sind. Nur wenn direkt angrenzend an die behandelten Flächen keine schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit zu erwarten sind, werden Pflanzenschutzmittel zugelassen, so das BfR.

Das Umweltinstitut München sowie andere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beanstanden jedoch, dass die europäischen Behörden, die für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln zuständig sind, die Verbreitung von Pflanzenschutzmitteln durch die Luft bisher vernachlässigen würden und es bislang auch keine systematischen Monitorings dafür gebe.

Das BfR verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass bei Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffen, die über weitere Distanzen in der Luft übertragen würden, die Konzentration  in jedem Fall geringer ausfalle als im Nahbereich. Da man bereits bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln immer vom Worst-Case-Szenario für den Nahbereich ausgehe, seien in solchen Fällen daher keine gesundheitlichen Risiken zu erwarten.

Pflanzenschutzmittel werden mittels einer Spritzdüse und einem Traktor auf ein Feld gesprüht
Wind und schnelles Fahren begünstigen die Abdrift, daher gibt es Regeln, unter welchen Bedingungen Pflanzenschutzmittel ausgebracht werden dürfen.
Quelle: fotokostic via Getty Images

Was wird getan, um Abdrift zu vermindern?

Landwirtinnen und Landwirte, die Pflanzenschutzmittel ausbringen, müssen einen Sachkundenachweis vorweisen können. Die Regeln der guten fachlichen Praxis bei der Anwendung sollen die Abdrift auf das unvermeidliche Minimum reduzieren. Laut diesem Regelwerk darf zum Beispiel die Fahrgeschwindigkeit bei Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln maximal acht Kilometer pro Stunde betragen, die dauerhafte Windgeschwindigkeit darf nicht über fünf Meter pro Sekunde und die dauerhafte Temperatur nicht über 25 Grad Celsius liegen.

Zudem müssen Mindestabstände zu Wohnbebauung, Garten-, oder Freizeitflächen eingehalten werden. Diese liegen bei Flächenkulturen wie Getreide oder Raps bei mindestens zwei Metern, bei Raumkulturen wie Obst oder Wein bei mindestens fünf Metern. Desweiteren müssen Pflanzenschutzspritzen regelmäßig gewartet werden und einen Spritzen-TÜV bestehen, um technisch bedingte Abdrift zu vermeiden. Werden diese Regeln nicht eingehalten, drohen Landwirtinnen und Landwirten Bußgelder.

Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Landwirtschaft (BVL) hat angekündigt, ein bundesweites Monitoring zur Verfrachtung von Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffen über die Luft einzuführen. Damit will man insbesondere für den Öko-Landbau eine belastbare Datengrundlage für ein besseres und effizienteres Risikomanagement schaffen.

Wie wirkt sich Abdrift auf den Öko-Landbau aus?

Neben möglichen ökologischen und gesundheitlichen Auswirkungen können sich für Öko-Landwirtinnen und Landwirte aus Pflanzenschutzmittel-Abdrift nämlich auch handfeste wirtschaftliche Probleme ergeben.

Denn die allermeisten der im konventionellen Anbau eingesetzten Pflanzenschutzmittel sind für den Öko-Landbau verboten. Werden ökologisch bewirtschaftete Flächen mit synthetischen Pflanzenschutzmitteln kontaminiert, kann das dazu führen, dass die Erzeugnisse nicht mehr die strengen Öko-Standards erfüllen.

Für betroffene Öko-Betriebe ergibt sich daraus nicht nur ein Glaubwürdigkeitsproblem, sie bekommen für die betroffenen Flächen im laufenden Förderjahr auch keine Öko-Prämien mehr ausbezahlt. Im schlechtesten Fall wird ihnen sogar der Öko-Status aberkannt. Die Fläche muss dann über zwei Jahre wieder neu umgestellt werden, wodurch möglicherweise langfristige Vertragsabsprachen nicht mehr erfüllt werden können.

Letzte Aktualisierung: 31. Mai 2023


Weitere Informationen

Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR): Fernab vom Feld: Gesundheitliche Beeinträchtigungen durch Abdriften von Pflanzenschutzmitteln sind unwahrscheinlich (PDF)

Umweltinstitut München: Pestizid-Belastung der Luft, Eine deutschlandweite Studie, zur Ermittlung der Belastung der Luft, 2020 (PDF)

Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL): Ferntransport von Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffen über die Luft


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