Landwirte - mehr als nur Lebensmittelproduzenten
Landwirtinnen und Landwirte erhalten die landschaftliche Vielfalt und bringen Leben in unsere Dörfer. Sie bieten dort Arbeit, Kultur und Bildung.
Landflucht gibt es nicht nur in Ländern der Dritten Welt. Auch bei uns leben die meisten Menschen in der Stadt. Nur noch 15 Prozent der hiesigen Bevölkerung wohnt in Dörfern mit weniger als 5.000 Einwohnern. Vielerorts drohen die Dörfer zu veröden. Der Trend verschärft sich durch das Sterben vieler alteingesessener Bauernhöfe: Zwischen 1950 und 2000 ist die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe um zwei Drittel zurückgegangen. Eine Entwicklung, die sich weiter fortsetzt. Allein zwischen 1999 und 2020 ist die Zahl der Höfe erneut um mehr als 40 Prozent geschrumpft.
Nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes gab es 2020 noch 262.780 landwirtschaftliche Betriebe in Deutschland. Im Gegenzug nimmt die Größe der übrigbleibenden Höfe zu. Durchschnittlich bewirtschaftet ein Betrieb heute gut 63 Hektar. Dank der steigenden Produktivität ernährt jede Bäuerin und jeder Bauer immer mehr Menschen. Er gibt also keinen Mangel an Lebensmitteln.
Bauernhof als Arbeitsstätte und Wirtschaftsfaktor
2020 arbeiten noch ruind 938.000 Menschen in der Landwirtschaft. Die meisten davon nach wie vor in Familienbetrieben. Diese ernähren nicht nur die Menschen auf dem eigenen Hof, sondern stärken die gesamte Wirtschaft im ländlichen Raum. Zum einen tragen sie zum Gewerbesteueraufkommen von Kommunen bei. Zum anderen bieten sie oft selbst Arbeits- und Ausbildungsplätz an. Darüber hinaus profitieren auch regionale Handwerksbetriebe und Dienstleister von Maßnahmen zum Bau oder zur Renovierung von Produktionseinrichtungen wie Ställen und Scheunen. Und wo landwirtschaftliche Betriebe aktiv sind, haben auch Verarbeiter wie Molkereien, Mühlen und Futtermittelbetriebe zu tun. Immer wichtiger werden Höfe als Werkstätte für Menschen, die es sonst schwer haben auf dem Arbeitsmarkt. Unter dem Stichwort Soziale Landwirtschaft bieten zahlreiche Höfe sinnvolle Beschäftigung und Integration für Menschen mit körperlichen, geistigen oder seelischen Beeinträchtigungen sowie Straffällige, Drogenkranke und Langzeitarbeitslose.
Bauernhof als Lernort
Auch als Orte der Bildung spielen Bauernhöfe eine große Rolle. Ob Jung oder Alt – kaum einer hat schon einmal ein Schwein gefüttert, eine Kuh gemolken oder kennt die Getreide für unser tägliches Brot. Begegnungen zwischen Bäuerinnen, Bauern und Stadtmenschen sind im Alltag selten geworden, aber wichtig: Wenn sich die Gelegenheit ergibt, informieren sich Bürgerinnen und Bürger gerne im direkten Gespräch mit Bauernfamilien über Landwirtschaft. Entweder beim Einkauf in Hofläden oder auf dem Wochenmarkt, beim "Tag des offenen Hofes" oder während eines Urlaubs auf dem Bauernhof.
Überall in Deutschland gibt es Hoffeste, Führungen und andere informative Veranstaltungen. Zahlreiche Aktivitäten finden sich auf verschiedenen Internetseiten der Bundesländer zum Tag des offenen Hofes (konventionelle und Bio-Betriebe). Wer gezielt einen Bio-Hof besuchen will, sucht am besten unter dem Stichwort "Bio live erleben".
Bauernhof als Erfahrungsfeld
Besonders umfangreich ist das Angebot für Kinder und Jugendliche. Das kann eine kleine Feldführung mit einem Blick in den Stall oder ein richtiges Programm für Schulklassen und Kindergruppen sein. So lässt sich Landwirtschaft live und sinnlich erleben. Kids und Teens erfahren, woher unsere Lebensmittel stammen und wie sie erzeugt werden. Für viele Bauernhöfe haben sich die Erlebnisangebote für Gruppen bereits zu einem eigenen kleinen Standbein entwickelt. Interessierte Verbraucherinnen und Verbraucher oder Pädagoginnen und Pädagogen finden pädagogisch versierte Betriebe, Schulbauernhöfe und neuerdings sogar Bauernhofkindergärten auf der Internetseite der Bundesarbeitsgemeinschaft Lernort Bauernhof e. V.
Landschaftspflege für Pflanze, Tier und Mensch
Unentbehrlich sind die Landwirtinnen und Landwirte auch bei der Landschaftspflege. Ohne Landwirtschaft würde in ganz Mitteleuropa fast nur Wald wachsen, von wenigen Mooren oder Bergflächen abgesehen. Mit Beginn von Ackerbau und Viehzucht in Mitteleuropa vor etwa 7.000 Jahren haben unsere Vorfahren die Landschaft nachhaltig verändert. Lichte Landschaftstypen wie Wiesen und Weiden, Heiden und Äcker entstanden. In dieser von Bauernhand geschaffenen Kulturlandschaft blühten unzählige neue Pflanzenarten auf. Wo Kräuter, Gräser und Sträucher Wurzeln schlugen, fassten auch neue Tierarten Fuß. Beispielsweise konnten sich im Acker Feldlerche und Hamster, Rebhuhn und Fasan ansiedeln.
Daher brauchen wir die Landwirtschaft, um unsere Landschaft offen und vielfältig zu halten. Schafe sorgen dafür, dass die Heiden in Lüneburg oder auf der Schwäbischen Alb nicht verbuschen. Weidende Kühe oder Viehfutter mähende Landwirtinnen und Landwirte erhalten Streuobstwiesen, buntblühende Magerrasen und Wacholderheiden. Alles wertvolle Lebensräume für Flora und Fauna. Nur so bewahren wir Menschen unser vertrautes Identität stiftendendes Landschaftsbild.
Letzte Aktualisierung: 9. August 2023
Weitere Informationen
- Deutsche Arbeitsgemeinschaft Soziale Landwirtschaft (DASoL)
- Netzwerk alma: arbeitsfeld landwirtschaft mit allen – für Menschen mit und ohne Behinderung
- Bundesarbeitsgemeinschaft Lernort Bauernhof e. V.